29. Oktober 1944
Der Zug[1] rattert an der Ostseeküste entlang westwärts. Er ist brechend voll. Nun läuft er im Camminer Bahnhof ein. Ich brauche nur einen Bogen um das Bahnhofsgebäude zu machen, die Gleise zu überschreiten und bin dann nach hundert Metern vor unserem Haus. Ich gehe an Mittags Gärtnereigebäuden vorbei, und schleiche mich durch den Hintereingang in die Wohnung. Wie ich gerade meinen Rucksack von den Schultern gleiten lasse, öffnet sich die Wohnzimmertür, und der kleine Peter[2] kommt weinend in die Diele geschlurft. Infolge seines eigenen Schmerzes erschüttert ihn mein Erscheinen überhaupt nicht. Ich beruhige ihn schnell, ziehe meinen Mantel aus und trete in das Wohnzimmer. Meine Schwiegermutter und meine Schwägerin Anni sitzen strickend beisammen. Einige Kinder spielen auf der Erde. Muttchen sieht mich zuerst. Ihr erstauntes „Aah!“ macht Anni aufmerksam. Ich lege den Finger auf den Mund, gebe beiden flüchtig die Hand und trete durch die offene Flügeltür ins Herrenzimmer. Carola sitzt mit dem Rücken zu mir am Tisch und tippt gerade einen Brief an mich in die Maschine. Sie hat aber die Bewegung im ••• S. 222 •••Nebenzimmer bemerkt und dreht sich in demselben Augenblick um, als ich neben sie trete. Ich bin etwas verlegen, weil wir Zuschauer haben. Beide Arme in die Hüfte gestützt, sage ich nur: „Ja, da staunst Du, was!?“ Carola hat sich in ihrem Sessel halb umgedreht und blickt wortlos mit großen, lachenden Augen zu mir auf. Da habe ich gesehen, wie Augensterne strahlen können. Diese schönen, wasserhellen, glückstrahlenden Augen! Carola erhebt sich, wir begrüßen uns etwas unbeholfen und verlassen dann wie auf ein geheimes Kommando das Zimmer. Draußen in der Diele fällt sie mir um den Hals und weint vor Freude. Später frage ich sie: „Wie lange soll ich bleiben? Zwei Tage?“ Sie nickt begeistert mit dem Kopf. „Oder drei Tage?“ Sie klatscht in die Hände. „Oder vier Tage?“ Da hüpft sie vor Freude. Vier Tage Glück!
Editorial 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 Epilog Anhang |
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1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. Erfahrungen i.d.Gefangenschaft Bemerkungen z.russ.Mentalität Träume i.d.Gefangenschaft Personen-Index Namen,Anschriften Personal I.R.477 1940–44 Übersichtskarte (Orte,Wege) Orts-Index Vormarsch-Weg Codenamen der Operationen im Sommer 1942 Mil.Rangordnung 257.Inf.Div. MG-Komp.eines Inf.Batl. Kgf.-Lagerorganisation Kriegstagebücher Allgemeines Zu einzelnen Zeitabschnitten Linkliste Originalmanuskript |
- ↑ Der Autor benutze zweifellos folgende Züge gem. Kursbuch: D 20 Gotenhafen ab 7.59, Köslin an 11.07, 1354 ab 12.27, Kolberg an 13.44, 846 ab 14.22, Treptow (Rega) an 15.09, 768 ab 15.23, Cammin (Pom) an 16.36; die ganze Strecke verläuft mehr oder weniger entlang der Ostseeküste.
- ↑ Spitzname von Carolas zweitem Sohn Georg