12. Januar 1945
Ich stehe auf dem Hof unseres Gehöfts vor meinem Bunkereingang. Es ist eine kalte, sternklare Nacht. Drüben, jenseits des Waldes, liegt die Ostsee. Es sind keine zwei Kilometer bis zur Küste, von der uns nur ein Waldstreifen trennt. Das Rauschen des Meeres dringt über die Wipfel des Waldes bis an mein Ohr. Und an derselben Küste wohnt Carola. Es ist dasselbe Wasser, das ihr dasselbe Lied singt. So nah, und doch so unerreichbar fern!
Der Russe wird rühriger.[1] Der 1. Zug hat schon wieder zwei Verwundete. Das Loch für den Schutzbunker meiner Kompaniereserve ist fertig ausgehoben. Nun sind sie dabei, es mit Balken abzudecken.
Leutnant Harms hat sich nun doch das Verwundetenabzeichen ergattert. Der Bataillonsarzt hat sie ihm ins Soldbuch eingetragen.
Vor einigen Tagen musste ich Gutachten über die Eignung der Offizieranwärter in meiner Kompanie abgeben. Ich habe die Streichung des Luftwaffen-Feldwebels aus der Anwärterliste beantragt, was auch geschehen ist.
Außer diesem Feldwebel habe ich noch so einen würdigen Vertreter in der Kompanie. Er ist Gefreiter und Offizieranwärter, macht seinen Dienst sehr nachlässig und hat deswegen dauernd Streit mit seinen Kameraden. Gestern habe ich ihn deswegen in aller Ruhe zurecht gewiesen, als erste Verwarnung.
Kürzlich wurden wieder einmal Stichprobenkontrollen bei den Päckchen durchgeführt, die die Soldaten nach Hause schicken. Da habe ich bei einem Soldaten meiner Kompanie einige Paar Socken und eine Gasplane herausgeholt. Die Gasplanen sind in der Heimat als Gummiunterlage für Babys sehr be••• S. 234 •••gehrt, denn Gummisachen sind knapp in der Heimat. Aber hier kann die Plane den Mann vor schlimmen Verletzungen schützen, und die Socken vor Erkältungen.[2]
Es ist Abend. Unsere Artillerie hat drüben am Waldrand eine Sauna in Brand geschossen. Das Blockhaus brennt lichterloh. Die lodernden Flammen werfen ihren Lichtschein flackernd und zuckend über den dunklen Wald. Durch mein Glas erkenne ich einige Gestalten, die hastig um das Häuschen herumlaufen in dem Bestreben, den Brand zu löschen. Das gelingt ihnen dann auch ziemlich schnell. Das Häuschen ist ja klein. Ich meine, es waren Russen, konnte es aber nicht mit Sicherheit feststellen.
Auch der 2. Zug hat jetzt Bewegungen in dem Sumpfwald vor seinen Stellungen gemeldet. Der Wald ist niedrig und sehr licht. Außerdem ist er in etwa hundert Metern Breite vor unseren Stellungen kahlgeschlagen, um eine Annäherung des Feindes zu erschweren. Aber von jetzt an schicke ich in jeder dritten Nacht einen Spähtrupp in den Buschwald, um ein etwaiges Heranarbeiten des Feindes rechtzeitig zu erkennen. Einen weiteren Spähtrupp schicke ich am Tage hinein, um einen verdächtig großen Baumstumpf und eine Sauna zu untersuchen. Unsere Artillerie hat schon mehrfach auf das kleine Blockhaus geschossen, weil sie darin eine feindliche B-Stelle vermutet. Beides erweist sich als harmlos, dennoch bleibe ich misstrauisch, denn ich kenne die verblüffende Tarnkunst der Russen. Auch habe ich von Zeit zu Zeit abends schon Horchposten in den Wald geschickt, die den ganzen Tag über dort blieben. Auch sie konnten nichts Verdächtiges feststellen. Trotz allem bleibe ich wachsam. Immerhin ist aber ziemlich sicher, dass die russischen Stellungen mindestens achthundert Meter entfernt sind. Was wir hier vor unserer Front von ihnen sehen, sind wahrscheinlich Späher und vorgeschobene Sicherungen. Angriffsabsichten sind nicht zu erkennen.[3]
Editorial 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 Epilog Anhang |
Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Eine Art Bilanz Gedankensplitter und Betrachtungen Personen Orte Abkürzungen Stichwort-Index Organigramme Literatur Galerie:Fotos,Karten,Dokumente |
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. Erfahrungen i.d.Gefangenschaft Bemerkungen z.russ.Mentalität Träume i.d.Gefangenschaft Personen-Index Namen,Anschriften Personal I.R.477 1940–44 Übersichtskarte (Orte,Wege) Orts-Index Vormarsch-Weg Codenamen der Operationen im Sommer 1942 Mil.Rangordnung 257.Inf.Div. MG-Komp.eines Inf.Batl. Kgf.-Lagerorganisation Kriegstagebücher Allgemeines Zu einzelnen Zeitabschnitten Linkliste Rotkreuzkarte Originalmanuskript Briefe von Kompanie-Angehörigen |
- ↑ KTB HGr N , Januar 1945: 12., S. 96 f.: „Feind ist [...] etwas unruhiger geworden“, gem. S. 99 aber nur im Abschnitt der 87. I.D. 13., S. 103: „Die Bewegungen vor rechtem Flügel 18.Armee halten an.“
- ↑ Abhandenkommen von Gasschutzmitteln in auffallend großem Umfang wurde sogar Thema im KTB HGr N vom 12.11.1944 S. 158
- ↑
Erwähnung von Spähtrupps in den Meldungen der 132.ID (KTB X.AK, Januar 1945):
9., S. 131: 6 Spähtrupps
10., S. 127: 2 eigene, 1 feindlicher Spähtrupp
11., S. 123: 2 Feindspährupps in einem anderem Frontabschnitt