Briefe von Kameraden

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an die Eltern und die Ehefrau des Autors
In diesem Konvolut von Feldpostbriefen und Rotkreuzkarten fanden sich auch die folgenden Briefe
Transkribiert und annotiert durch Winfried Schrödter
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Geschichte dieser Dokumente

Am 21. Mai 2022 besuchte ich meinen Halbbruder (der altersmäßig durchaus mein Vater sein könnte), weil er in eine Wohnung in München umzieht und sein 3-stöckigs Haus in Münster aufräumen und entrümpeln musste. Zu meiner großen Überraschung präsentierte er mir einen echten Schatz, dessen Existenz mir unbekannt war. Als mein Vater gestorben war, hatte ich zwar ein paar Dinge aus seinem Haus mitgenommen, aber den Großteil hatte mein Bruder mitgenommen und offensichtlich aufbewahrt. In der Zwischenzeit hatte er all dies vergessen, und erst jetzt tauchte er wieder auf:

Mitten unter den vielen von meinem Vater geschriebenen Feldpostbriefen aus der Kriegszeit und Briefen und Postkarten aus der Gefangenschaft fanden sich diese Briefe von bereits entlassenen Kameraden an seine Eltern und seine Frau, meine Mutter. Sie schildern das Schicksal der Kriegsgefangenen und speziell das meines Vaters aus der Sicht Dritter und ergänzen so seine eigenen, oft nüchternen oder knappen Darstellungen in seinem Tagebuch. Einige der Schreiber äußern sich detailliert zu seinem Charakter und Verhalten.

Zwei der Briefe (von Bohndorf und Scheuerlein) hatte der Autor bereits früher ausgewählt und dem Typoskript seines Tagebuchs beigefügt.

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History Of These Documents

On 21st May 2022 I visited my half brother (who, as far as age is concerned, could well be my father) because he is moving to a flat in Munich and has to tidy up and throw away in his 3-storey house. Completely to my surprise he presented me a real treasure the existence of which had been unknown to me. When my father had died, I had collected a few things from his home but the bulk had been taken and obviously preserved by my brother. In the meantime he had forgotten about the details, and only now emerged:

Amidst the many field post letters from wartime and letters and postcards from captivity written by my father were these letters from already discharged comrades to his parents and his wife, my mother. They describe the fate of the prisoners of war and especially that of my father from the perspective of third parties and thus complement his own, often sober or terse accounts in his diary. Some of the writers comment in detail on his character and behaviour.

Already earlier, the author had selected two of these letters (by Bohndorf and Scheuerlein) as attachments to the typoscript of his diary.

Vorbemerkungen

  1. Hinzufügungen des Herausgebers sind wie stets in diesem Projekt wie dieser Abschnitt kursiv gesetzt.
  2. Antworten, die auf manchen Briefen festgehalten sind, sind grau gesetzt.
  1. In den Sammelmappen sind die Umschläge hinter den Briefen eingelegt!
  2. Die Daten müssen Links zu den entspr. Wiki-Artikeln werden, wie auch umgekehrt in der Chronik und den Artikeln Links hierher gesetzt werden müssen.
  3. Einige Briefe/Karten müssen sicher in das Tagebuch eingebaut werden, um seine Anschaulichkeit zu erhöhen und Texte zu verdeutlichen, und zwar nicht nur als Fußnote, sondern vielleicht jeweils in einem etwas breiteren Info-Kasten.
  4. Bei Bedarf Kurzadresse für Links im Wiki verwenden: [[BK#9.12.44|✉ an Eltern]] und in der DOCX: https://vexilli.net/w/BK%239.12.44


Text

Stichworte zur Korrelation mit dem Tagebuch

Unleserliches

Datum Absender
Berlin-Heiligensee 22./9.45
Fritz Bohndorf

(1a) Berlin-Heiligensee

Hemmingstedter Weg 5/7

Sehr geehrte Frau Karola Schrödter u. Fam. Schrödter!

Von Ihrem Ehemann sowie Sohn, der sich der besten Gesundheit erfeut u in einem Lager in Riga befindet, möchte ich Ihnen recht herzliche Grüße übermitteln. Ich war mit Herrn Schrödter vom Tage der Ankunft (26.12.44) in Libau auf Kurland bis 30.8.45 in Riga beisammen. Da es doch Ihrem Wunsche entsprechen würde, Näheres von Herrn Schrödter zu hören, so bitte ich um Mitteilung, wann und wo ich Sie besuchen kann. Die Angabe der besten Fahrverbindung wäre empfehlenswert. Ausgangs dieser Woche wäre für mich die beste Zeit u Gelegenheit den Besuch auszuführen.

Mit freundlichem Gruß

Fritz Bohndorf

Hlgs. 22.4.46
[Eine maschinenschrift­liche, ebenfalls unter­zeich­nete (!?) Fassung dieses Briefes ist dem Typoskript des Tage­buchs beigeheftet.]
Antwort am
1.5.46

Sehr geehrter Herr Schrödter!

Ihre werten Zeilen v.9.4.46 dankend erhalten, u. freue mich, dass Sie von Ihrem Sohn Herbert jetzt ebenfalls ein schriftliches Lebenszeichen erhalten haben. Ehefrauen meiner früheren Kompanie-Kameraden, denen ich auch seinerzeit Grüsse von ihren Männern überbrachte, schreiben u. sagen mir, voller Stolz u. Hoffnung, dass sie in den letzten Monaten auch Post aus Russland erhalten haben.

Das freut mich dann immer ganz besonders, solche Nachricht zu hören, denn wir waren ja in der Komp. eine Familie.

Im übrigen möchte ich Ihnen doch noch so verschiedenes von ihrem Sohn schildern.

Ich lernte Ihren Sohn als Komp.Führer b. M.G.Batl. Berlin im Dezember 1944 in Wandern kennen. Er überragte seinerzeit schon all die Offz. des Batl. durch seine Freundlichkeit. Hernach an der Front in Kurland war die Komp. von Oblt. Schrödter in kameradschaftlicher Beziehung sowie verpflegungsmässig die bestens betreute Einheit u. dieses verdanken wir alle Ihren Sohn, der stets für uns wie ein Vater sorgte. Traf man ihn in der Stellung oder auf der Rollbahn, sein Gefährt (Rad, Wagen oder Pferd) hielt immer an, u. freundliche persönliche Worte wurden gewechselt.

All unsere Sorgen u. Nöte konnte man ihm anvertrauen. Es war jedenfalls das das Schöne, seine herzlichen Trostworte hatten niemals den hohlen national­sozialistischen oder politischen Inhalt. Seine Ausführungen u. Erklärungen waren stets von seiner menschlichen überragenden Art getragen.

All meine Kameraden sahen von Ihrem Sohn ein kameradschaftliches Vorbild und niemals den Vorgesetzten. Dieses charakterliche Bild ihres Sohnes Herbert kann wohl jeder Kamerad der Komp. geben.

Im übrigen ist Hans Scheuerlein, Regensburg, Trothengasse 72, ein Komp.Angehöriger, ebenfalls aus der Gefangenschaft zurückgekehrt.

Mein Ergehen in der Heimat ist den Umständen entsprechend gut zu nennen. Meine Tätigkeit in einem kleinen Holz­bearbeitungs­aufbau-Betrieb macht mir recht viel Freude. Meine Obliegenheiten, Material, Einkauf u. Beschaffung sowie liefern und verkaufen der Fertigerzeugnisse sind recht befriedigend.

Meiner Familie geht es gottlob gesundheitlich gut, u. das stärkt immer den allgemeinen Lebenswillen. Kleine alltägliche Sorgen müssen wir ja jetzt alle meistern.

In der Hoffnung, dass sie ihren Sohn Herbert recht bald in der Heimat willkommen heissen, grüsst Sie sowie Ihre Gattin recht freundlich

Ihr

Fritz Bohndorf

Herr B. wohnt:
(1a) Berlin-Heiligensee
Hemmingstedter Weg 5/7
Regensburg, den 1.IX.46.

Sehr geehrter Herr Schrödter!

Vor einigen Tagen erhielt ich Ihren Brief und bin natürlich gerne bereit Ihnen nähere Auskunft über Ihren Sohn, Herrn Oltn. Schrödter zu erteilen.

Herr Schrödter übernahm Ende März unsere 1. Kompanie des MG-Bataillons 410. Ich selbst war als Obergefreiter Kompaniemelder und lebte so mit Ihrem Sohn bis zum Tage der Kapitulation am 8. Mai in einem Bunker zusammen. Ausserdem habe ich Herrn Schrödter auf den Grabenstreifen bei Tag und bei Nacht begleitet. Über das Verhältnis zwischen Ihrem Sohn als Vorgesetzten und der Kompanie als Untergebene kann ich nur soviel sagen, dass er von allen Leuten als rechtschaffener Vorgesetzter geachtet war. Ich kann mich auch nie erinnern, dass es in unserem oder einem anderen Bunker zu einer beim Militär üblichen Schreierei oder Kommandiererei gekommen wäre. Es nahm vielmehr alles einen ruhigen Verlauf. Befehle, die eben ausgeführt werden mussten und gegen die der Einzelne ohnmächtig war, behandelte Herr Schrödter immer so, dass sie nach Möglichkeit erträglich waren und keinem eine aussergewöhnliche Last auferlegten. Ich habe öfters erlebt, dass Ihr Herr Sohn beim Besuch höherer Vorgesetzter in unserem Kompanie­gefechts­stand gegen deren Ansicht für das Recht und die Menschenwürde der Mannschaft wie der ganzen Kompanie eingetreten ist. Das Handeln von Herrn Schrödter als Vorgesetzter war das eines wahrhaftigen Frontoffiziers wie es leider nur noch wenige gegeben hat. Trotz seiner vorbildlichen Pflichterfüllung wusste und fühlte man, dass er diesem ganzen Morden innerlich ohne Verständnis und fremd gegenüberstand. Aber wir mussten ja schliesslich alle gehorchen weil wir, und das hat Herr Schrödter selbst auch immer wieder gesagt, an das Schicksal unserer Angehörigen denken mussten.

Diese Haltung fand auch ihren deutlichen Ausdruck in der politischen Einstellung. In unserem Bunker wie überhaupt überall in der Gegenwart von Herrn Schrödter war offene Meinungsfreiheit und schärfste Kritik gestattet. Herr Schrödter hat sich selbst an diesen Kritiken gegen den National­sozialismus und seiner Führerschicht beteiligt. Als Herr Schrödter dann Anfang April die Stelle des NSFO (National­sozialistischer Führungs­offizier) des Bataillons trotz seines Widerwillens übernehmen musste, war bei unseren politischen Gesprächen immer seine ironische Bemerkung: „... und so etwas spricht man im Bunker des NSFO.“ Ich kann mit Bestimmtheit sagen, dass Herr Schrödter weder seine Funktion als NSFO ausgeübt noch von ihr Gebrauch gemacht hat. Herr Schrödter musste eben diese Stelle nehmen weil ein Offizier in dieser Funktion an obere Dienststellen gemeldet werden musste. Unser Bataillon hatte nur noch 2 Kompanien und die Offiziere des Bataillonsstabes wälzten diese Funktion auf einen der beiden Kompaniechefs ab und der Chef der anderen Kompanie war Hauptmann. Natürlich musste Herr Schrödter als Oberleutnant diese Stelle übernehmen. Als er einmal für einige Stunden zu einem Vortrag für NSFO zur Division musste, tat er das mit einer deutlich gezeigten und ausgesprochenen Abneigung. Bei seiner Rückkehr berichtete er in unserem Bunker mit humorvollen, spöttisch-ironischen Worten von der geistsprühenden Rede des Propagandaoffiziers und bezeichnete selbst offen diese ganzen Verzweiflungsakte der deutschen Führung als „hellen Wahnsinn“. Den Inhalt der Rede hat er nicht an die Kompanien weitergegeben obwohl dies sein Auftrag gewesen wäre.

Herr Schrödter hat aber diese Haltung nicht nur in den letzten Wochen des Krieges gezeigt, sondern bereits früher als er noch Leutnant war; er gehörte damals unserer Nachbarkompanie an. Ich habe mit vielen Kameraden dieser Einheit gesprochen und müsste lügen, wenn ich je ein schlechtes Urteil über Herrn Schrödter gehört hätte.

Während dieser letzten Kriegswochen von Ende März bis zum 8. Mai lagen wir in einer Stellung bei Peipas etwa 25 km südöstlich von Libau. Bei der Kapitulation kam ich von Herrn Schrödter weg noch bevor uns die Russen gefangen hatten. Nach etwa 5–6 Tagen, wir waren in der Zwischenzeit in einem Lager unweit Krottingen (Litauen) eingetroffen, kam auch Herr Schrödter in unser Lager. Wir blieben dann bis zum 3. Juni beisammen. Ich kam anschliessend wie Herr Bohndorf nach Libau und von dort nach Riga, da wir als Kranke bzw. Schwerverwundete zur Entlassung vorgesehen waren. Als Mitte August ein grösserer Transport von Offizieren im Lager Riga eintraf, war Herr Schrödter dabei. Ich erfuhr, dass sie von Krottingen nach Windau gekommen waren und dass dort die Offiziere von ihren Einheiten, die immer noch beisammen waren, wegkamen und dann in das Lager Riga überführt wurden. Ich verliess Riga am 31.VIII. Über die Behandlung in russischer Gefangenschaft wird Ihnen wohl Herr Bohndorf erzählt haben. Ich kann nur soviel sagen, dass man mit uns im grossen und ganzen anständig verfahren ist. Die Offiziere haben einen besseren Verpflegsatz als ihn wir Mannschaften hatten und haben eine eigene Unterkunft. Auch können sie arbeiten, wenn sie wollen und dann sind sie Führer eines Arbeitskommandos. — So war es vor einem Jahr. Wie es heute ist kann ich natürlich nicht sagen.

Das Los der Kriegsgefangenen ist kein leichtes. Die bange Ungewissheit drückt die Kameraden hinterm Stacheldraht wie ihre Angehörigen in der Heimat. – Hoffentlich wird Ihr Herr Sohn recht bald erlöst und kann zu Ihnen und zu seiner Familie zurückkehren. – Sollten Ihnen noch irgendwelche Fragen auftreten, so bin ich gerne bereit sie zu beantworten. — Mit freundlichen Grüssen

H. Scheuerlein

NB. In Riga gibt es meistens Fabrik- und Handwerksarbeiten!

Ohligs, 5. August 1947
Abs. Willy Knops

Solingen-Ohligs (Rhld.)

Wahnenkamp No 4

Werte Frau Schrödter.

Hiermit erfülle ich den Wunsch Ihres Mannes, einen Gruß an Sie zu schreiben. Ich war mit Kamerad Schrödter seit Juli 1946–Mai 47 zusammen in russischer Gefangenschaft, wir kamen im Juli 1946 vom Arbeitslager 317,6 Riga [oder 317, b. Riga] in Lettland nach dem Lager 401/2 in Smolensk. Ihrem Manne geht es so ziemlich gut und gesund ist er auch.die Verpflegung der ehem. Offiziere in Gefangenschaft ist etwas besser als die der Mannschaften. Machen Sie sich nicht zu viel Sorgen um Ihren Mann, denn er kommt schon durch als Kriegsgefangener. Nochmals recht herzlichsten Gruß von Ihrem Herrn Gemahl. Im Auftrage sein Kamerad

Willy Knops

St. Arnold, d. 25.X.48
Feldpost

Heimkehrer-Post

Sepp Adamietz

St. Arnold b. Rheine

Hilfskrankenhaus

Sehr verehrte Frau Schroedter!

Recht herzliche Grüßevon Ihrem Gatten aus der Gefangenschaft möchte ich Ihnen senden. Seit zwei Tagen befinde ich mich wieder in deutschland. Glücklich und froh der Gefangenschaft entronnen zu sein, erhole ich mich vorerst in einem Heimkehrerheim. Mit Ihrem Gatten war ich längere Zeit zusammen. Er bat mich Ihnen ausführlich zu berichten. Ich möcher es nun brieflich tun, vorerst aber die Verbindung mit Ihnen aufnehmen.

Es verbleibt mit frdl.

Grüßen Ihr Sepp Adamietz.

St. Arnold, den 26.11.48
Sehr geehrte Frau Schrödter!

Sie werden gewiß schon länger auf einen ausführlichen Bericht von mir warten. Ich komme aber erst heute dazu zu antworten, do ich drei Wochen bei meinem Bruder im Kreise Leer weilte, und obwohl ich meine Stubenkameraden bat, meine Post nachzusenden, versäumten sie dies. Inzwischen werden Sie wohl schon von Frau v. Knobelsdorff Post bekommen haben. Ihr Gatte u. Herr v. Knobelsdorff sind schon längere Zeit zusammen, sind beide Offz. und teilen heute noch ihr Los.

Ich richte gern Grüße an die Angehörigen der Kameraden aus, aber es ist nicht immer leicht für mich, alles genau zu schildern, da ich den lieben Angehörigen es nicht zu rosig schildern kann, ihnen aber trotzdem die Gewißheit nicht verhehlen darf. Ich bemühe mich, alles wahr zu schildern. Ihr Gatte, lb. Frau Schrödter, befindet sich z.Zt. in Borissow ••• S. 2 •••in einem Nebenlager von Minsk seit März 48. Die Arbeit besteht für Ihren Gatten, aus Abladearbeiten von LKW’s, die Holz aus dem Walde bringen, seiner Zeit arbeitete er am Barackenbau. Es ist gewiß nicht leichte Arbeit, aber der Waldarbeit, welche ich verrichtete, vorzuziehen. Dem Unwetter ist er nicht ausgesetzt, er kann sich jederzeit unterstellen, leider gefiel Ihrem Manne damals nicht die Schicht, er arbeitete von 100 Uhr nachts bis morgens 800 Uhr. Die Befürchtung irgendwelcher Erfrierungen brauchen Sie nicht zu haben, da genügend Winterkleidung vorhanden ist, außer Steppjacke u. Hose, Pelzmütze, Mantel u. Handschuhe, kommen dann noch Pelzmantel u. Filzstiefel hinzu. Offiziere wohnen gesondert, wenn dies Quartier (10 Mann auf einem Zimmer) für hiesige Verhältnisse, nicht besonders menschenwürdig ist, so ist es doch weitaus besser, als das übrige Massenquartier, in welchem auch ich ••• S. 3 •••kampieren mußte. Die Verpflegung der Offz. ist weitaus besser, als der übrigen Mannschaft; es besteht täglich aus 600 gr. Brot, 3 mal ¾ l Suppe, 60 gr. Fisch, Offz. dazu 40 gr. Zucker, 25 gr. Fett u. 15 gr. Tabak. Wir Mannschaften bekamen nur 5 gr. Tabak, 17 gr. Zucker, kein Fett, also weitaus schlechter. Trotzdem genügt auch die andere Verpflegungs-Norm nicht; der Gesundheitszustand Herberts ist zu meiner Zeit noch zufriedenstellend gewesen, zu verdanken ist dies aber nicht der üblichen Verpflegung gewesen. Da Herbert Nichtraucher ist, vertauschte er seine Tabakware gegen Lebensmittel, die ihm zusätzlich sehr halfen. Außerdem machte er auch vom Schlaf ausgiebig Gebrauch, geistig konnte er sich wohl nicht im früheren Maße uinterhalten, doch versäumte er’s nicht sich am laufenden zu halten, und sein Wissensgut zu halten. Herbert sagte mir, ich sollte Ihnen ausrichten, daß er sich weit mehr als früher ••• S. 4 •••von diesem Russenlande angeekelt fühlt, und an die dortigen Verhältnisse sich nie gewöhnen wird, die Schmach er immer tiefer fühlen u. empfinden wird. Neben all den körperlichen Strapazen ist die Gefangenschaft eine starke seelische u. moralische Belastung. Bis März dieses Jahres war Herbert in Smolensk, wo ich auch seit Okt. 47 bis jetzt zu meiner Entlassung, die ich mir über meine Gesundheit, bzw. Krankheit antreten konnte, mit ihm zusammen war. Der Russe versprach es wohl u. die Antifa propagierte für die diesjährige Entlassung sämtlicher Kgf., aber ich glaube mit so großer Sicherheit kann man heute nicht mehr damit rechnen. Ich möchte Ihnen, lb. Frau Schrödter, die Hoffnung auf ein diesjähriges Wiedersehen mit Ihrem Gatten nicht nehmen, denn Sie müssen stark bleiben für ihn u. Ihre lb. Kinder, aber bitte machen Sie sich noch auf ein paar Monate Trennung gefaßt. Eines Tages ist Ihr Gatte bestimmt da.

Es kommen wohl ab und zu Transporte aus Rußland, aber es sind ••• S. 5 •••noch zu viele da, zu meiner Zeit waren es ca. 400000 Kgf. In dieser kurzen Zeit bei dieser schlechten Organisation ist es auch beim besten Willen russischerseits nicht zu schaffen. Sollte der Russe aber, wider unser Hoffnung, am Ende des Jahres erklären, er hätte sämtliche Kgf. entlassen, und Ihr Gatte wäre noch nicht da, so möchten Sie sich mit Gleichbetroffenen zusammentun und eine Resolution an höchste Stellen senden, daß Ihre Männer noch dort wären, leben und nur totgeschwiegen würden. Dies sagte mir ausrücklich Ihr Mann, daß ich Ihnen dies mitteilen sollte. So bitter dies auch klingen mag, Gott möge dies verhüten, so müssen wir doch mit vollem Ernst dieser Möglichkeit entgegen treten. In dieser Beziehung vermittelte ich Ihnen die Adresse von Frau v. Knobelsdorff-Brenkenhoff.

••• S. 6 •••Ich hoffe aber, daß dies nicht der Fall sein wird. Es wird wahrscheinlich der Entlassungstermin verschoben werden.

In den nächsten Tagen fahre ich zu meinem Bruder, meine Anschrift: S. Ad. Wymeer-Ostfriesland üb. Leer.

Mit den herzlichsten Grüßen schließend

verbleibt Ihr

Sepp Adamietz.