Militärfahrschein von 1918

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Militärfahrschein von 1918, Vorderseite (Original im Besitz des Autors)
Militärfahrschein von 1918, Rückseite (Original im Besitz des Autors)

Beschreibung des Dokuments

Mit diesem Militärfahrschein, unterzeichnet am 21.02.1918 von Generalmajor und Inspekteur v. Oertzen (schlecht lesbar), reiste Leutnant Derenbach von der Preisprüfungsstelle Dortmund zu einer Sitzung für Preisprüfung nach Hagen. Er reiste, wie es Portepeeträgern auch heute noch zusteht, 2. Klasse (entspricht der heutigen 1. Klasse) und durfte auch Schnell- und Eilzüge benutzen. Das Dokument trägt drei Abdrucke des Dienstsiegels KÖNIGL. PREUSSISCHE // ......... // DORTMUND - der Mittelteil ist weitgehend unleserlich.

Damals fuhr man von Dortmund nach Hagen stets durch Barop. Deshalb betrifft dieses Dokument die Eisenbahngeschichte unserer Strecke. Aber der Hintergrund ist ebenfalls spannend.

Fragen

Es stellen sich folgende Fragen:

  1. Was sagt uns das Dienstsiegel über die ausstellende Dienststelle?
  2. Handelt es sich um einen der vielen Generalmajore von Oertzen?
  3. Was ist eine Preisprüfungsstelle?
  4. Welche Aufgabe hatte Leutnant Derenbach?

Struktur der Militärbehörden

Das stellvertretende Generalkommando des VII. Armeekorps in Münster

Mit der Verlegung der Truppen und ihrer Generalkommandos an die Front zu Beginn des Ersten Weltkrieges erhielten die stellvertretenden Generalkommandos weit reichende Vollmachten auch auf dem zivilen Sektor. Zu den vorrangigen Ausgaben gehörten die Sicherung der Versorgung mit Lebensmitteln und Brennstoffen bzw. deren Rationierung z.B. durch die Überwachung und Regulierung der Preise.[1] Für Dortmund und Hagen war das stellvertretende Generalkommando des VII. Armeekorps in Münster verantwortlich, dessen Zuständigkeitsbereich sich auf das östliche und nördliche Westfalen, Lippe, das Bergische Land und Teile des Rheinlandes erstreckte.

Stellvertretender Kommandierender General war seit Mitte November 1914 General der Infanterie[2] Egon Freiherr von Gayl[3]. Er wurde am 15. Juni 1898 zum Generalleutnant befördert, drei Jahre später mit 55 Jahren pensioniert und mit 69 Jahren reaktiviert. Er starb am 16. Juli 1929 in Potsdam.[4] Generalstabschef des Stellvertretenden Generalkommandos - und damit u.a. für Dienstreisen zuständig - war von 1914 bis 1918 Oberst a.D. Giffenig.[3]

Namen und Dienstgrade dieser beiden Offiziere passen nicht zu dem vorliegenden Dokument; der Militärfahrschein wurde also nicht vom Stellvertretenden Generalkommando ausgestellt. Die Dienststellung des Generals als Inspekteur und die Bezeichnung der Dienststelle im Dienstsiegel deuten auf eine Inspektion in Dortmund hin.

Unterstellte Inspektionen

1916 waren dem stellvertretenden Generalkommando des VII. Armeekorps eine Reihe weiterer im Korpsbezirk dislozierter Militärbehörden unterstellt, darunter etliche mit der Bezeichnung „Inspektion“. Während aber die Inspektion der Gefangenenlager, die Inspektionen des Ersatz-Eskadrons 1 und 2, die Inspektionen der Ersatz-Abteilungen der Feldartillerie VII. A.K. und die Kriegssanitätsinspektion keine Ortsbezeichnung im Namen führen, gab es noch die Landwehr-Inspektionen Essen, Düsseldorf und Dortmund.[5]

Die Dienststellung „Inspekteur“ und das Dienstsiegel mit dem Ortsnamen „... DORTMUND...“ passen nur zur letztgenannten Dienststelle. Das vollständige Dienstsiegel wird demnach lauten: KÖNIGL. PREUSSISCHE // LANDWEHR-INSPEKTION // DORTMUND

Generalmajor von Oertzen

Nachdem der Name v. Oertzen entziffert war, war die Suche im „Gotha“ bald erfolgreich:

Fritz Ludwig Karl Hugo von Oertzen wurde am 13.04.1855 in Anklam als Sohn des Karl Friedrich Wilhelm Leopold Rudolf von Oertzen und seiner Ehefrau Karoline Luise von Lützow geboren. 1883 heiratete er Karoline Elisabeth Emilie Gräfin von Schwerin, mit der er fünf Kinder hatte. 1917 war er 62 Jahre alt und - tatsächlich! - königlich preußischer Generalmajor und Inspekteur der Landwehr-Inspektion Dortmund.[6] Er erklomm möglicherweise später noch eine weitere Beförderungsstufe zum Generalleutnant[7] und verstarb im März 1942 in Berlin[8].

Somit beweisen sich die Entzifferungen des Namens und des Dienstsiegels gegenseitig.

Preisprüfungsstellen

Unter den dem stellvertretenden Generalkommando des VII. Armeekorps nachgeordneten Dienststellen finden auch Preisprüfungsstellen in Dortmund, Hagen, Elberfeld, Düsseldorf und Recklinghausen mit je einem hauptamtlichen Offizier Erwähnung.[5]

Die Quelle lässt es mangels ausführlicher Formulierung zunächst so aussehen, als ob es sich bei den Preisprüfungsstellen um militärische Dienststellen handelte. Tatsächlich waren es aber Kommissionen bei den Kommunen und Kommunalverbänden, denen die genannten Offiziere als Mitglied und Vertreter des Stellvertretenden Generalkommandos angehörten. Sie waren auf Grund der Bundesratsverordnung über die Errichtung von Preisprüfstellen und die Versorgungsregelung vom 25. September 1915 errichtet worden.

In Dortmund gehörte die Preisprüfungsstelle zum Geschäftsbereich des am 27. März 1916 durch den Oberbürgermeister eingerichteten Kriegswirtschaftsamts. Sie konnte u.a. Höchstpreise z.B. für Kohlen, Hülsenfrüchte u.v.a.m. festsetzen. Sie besaß drei Unterausschüsse für Fleischwaren, für Obst und Gemüse und für Kolonialwaren, deren Aufgabe die Bearbeitung von Strafanzeigen wegen Lebensmittelwuchers, übermäßiger Preissteigerung usw. war. Vorsitzender der Preisprüfungsstelle war 1916/17 ein Stadtrat (Beigeordneter). Unter den Mitgliedern befanden sich stets ein bis zwei Offiziere, namentlich Leutnant Schulte, im Zivilberuf Handelsrichter, später als Vertreter des „Königlichen Generalkommandos“[9], d.h. der militärischen territorialen Kommandobehörde bezeichnet, und ein Hauptmann a.D. Gustav Hitzigrath, Kaufmann bei der Deutsch-Luxemburger A.G.[10]

Leutnant Derenbach

Der Name Derenbach ist in den Akten der Preisprüfungsstelle Dortmund leider nicht zu finden. Leutnant Derenbach war wohl ebenfalls bzw. in Nachfolge Schultes Vertreter des Stellvertretenden Generalkommandos.

Es ist nicht unüblich, einzeln eingesetzte Soldaten wie Derenbach, wenn sie einer entfernten Dienststelle wie dem Stellvertretenden Generalkommando in Münster angehören, zu einer näher gelegenen Dienststelle zu kommandieren, d.h. ihr verwaltungsmäßig anzugliedern, so dass diese z.B. für die Anordnung von Dienstreisen und Ausstellung von Militärfahrscheinen zuständig wird.

Fazit

Leutnant Derenbach war somit der für die Preisprüfungsstelle Dortmund zuständige hauptamtliche Offizier des Stellvertretenden Generalkommandos des VII. Armee-Korps und zur Landwehr-Inspektion Dortmund kommandiert, deren Inspekteur Generalmajor Fritz von Oertzen war. Für Hagen war Derenbach entweder ebenfalls zuständig, oder er war vertretungsweise dorthin entsandt worden.

Fußnoten