20. Februar 1946
Feldpostbriefe/Rotkreuzkarten | ||||
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21.2. ✉ an Eltern |
20.2. Die Wahlen zum Obersten Sowjet und zum Nationalitätenrat[1] haben überall zwischen 94–99% ergeben. Im Baltikum 95%. Letten erzählen uns, dass ihnen 2 Männer vorgestellt worden seien, die sie wählen mussten. – In der Sowjetunion stellen sich zwei Gruppen zur Wahl: Kommunisten (Parteimitglieder) und Parteilose (von der Partei geduldete parteilose Kollaborateure). Beide bilden einen Block. Zur Wahl werden Kandidatenlisten aufgestellt, und zwar von der Partei, den staatlich gelenkten Gewerkschaften und Organisationen und von der Armee. Der Wähler kann dann diese oder jene Liste ablehnen oder einzelne Kandidaten streichen, aber wen auch immer er wählt – es sind immer Kommunisten oder Linientreue.
Unser Offizier-Bataillon hat 532 Mann, davon 121 Distrophiker = 24%. Durchschnittliche Gewichtsabnahme der letzten 3 Wochen: 6–8 Pfund (3–4 kg). Ich wiege noch 115 Pfund (57,5 kg). Natürlich gibt es noch Leute, die unsere Verpflegung als „nicht schlecht“ bezeichnen. Das sind unsere Küchenbullen, die Antifa-Clique und die Spitzel. 60 g Erbsen auf 3/4 Liter Wasser wären unsere Hauptmahlzeit gewesen, aber es waren eben nicht einmal 60 g drin.
Heutige Verpflegung: 400 g stark wasserhaltiges Brot, 120 g Erbsen, 110 g Kartoffeln = etwa 1200 Kalorien, das heißt die Hälfte des uns Zustehenden. Und auch das steht nur auf dem Papier! Wenn auf der Verpflegungsanweisung „Fleisch“ steht, dann ist das bestenfalls Pferdefleisch, oft aber ein Gemisch aus Köpfen, Gedärmen, Lungen, Sehnen und Zadder. Als „Fisch“ bekommen wir Köpfe, Schwänze und Gräten, Abfälle aus der Konservenfabrik in Riga. Als „Mehl“ bekommen wir manchmal die im Magazin zusammengefegten Reste. So sieht die Wirklichkeit aus, wenn es heißt, wir bekommen Fleisch, Fisch oder Mehl oder Brot. Aber es entspricht durchaus den typisch russischen Verhältnissen, wenn wir andererseits – wie einmal geschehen – tagelang herrlichen Lachs als Brotbelag bekamen.
Ein Offizier hat seinen Trauring für Esswaren verkauft. – Der körperliche Verfall zeitigt die ersten moralischen Zusammenbrüche. – Deutsche Offiziere reißen vor russischen Gefreiten die Hacken zusammen.
Der Russe ist ein Meister der Improvisation. Mit einem Hammer und einem ••• S. 296 •••Stück aus der Fütterung seiner Wattejacke vollbringt er Autoreparaturen. Er scheut sich nicht, irgendwo ein Loch aufzureißen, um ein anderes zu stopfen. – Der Abtransport unserer Kranken geht genauso zögernd, unregelmäßig und schleppend vor sich, wie der Verpflegungsnachschub, Post und sogar der Arbeitseinsatz.
Wenn Landser stehlen, verschweigt man es nach Möglichkeit. Wenn Offiziere stehlen, wird es aufgebauscht und im ganzen Lager verbreitet.
Wanzen, Flöhe, Läuse, Ratten und Mäuse sind zwar vorhanden, aber nicht so zahlreich, dass sie eine Plage wären.[2]
Editorial 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 Epilog Anhang |
Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Eine Art Bilanz Gedankensplitter und Betrachtungen Personen Orte Abkürzungen Stichwort-Index Organigramme Literatur Galerie:Fotos,Karten,Dokumente |
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. Erfahrungen i.d.Gefangenschaft Bemerkungen z.russ.Mentalität Träume i.d.Gefangenschaft Personen-Index Namen,Anschriften Personal I.R.477 1940–44 Übersichtskarte (Orte,Wege) Orts-Index Vormarsch-Weg Codenamen der Operationen im Sommer 1942 Mil.Rangordnung 257.Inf.Div. MG-Komp.eines Inf.Batl. Kgf.-Lagerorganisation Kriegstagebücher Allgemeines Zu einzelnen Zeitabschnitten Linkliste Rotkreuzkarte Originalmanuskript Briefe von Kompanie-Angehörigen |
- ↑ Der Oberste Sowjet, das Parlament der UdSSR, bestand aus dem Unionssowjet und dem Nationalitätensowjet. Die Wahl fand am 10. Februar statt, die erste Sitzung offenbar am 19. März.
- ↑ Bogg (S. 39) verneint Läuse, klagt dafür über die Flöhe.