20. November 1941

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Editorial 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 Epilog Anhang

Chronik 40–45

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Eine Art Bilanz Gedankensplitter und Betrachtungen Personen Orte Abkürzungen Stichwort-Index Organigramme Literatur Galerie:Fotos,Karten,Dokumente

Chronik 45–49

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Erfahrungen i.d.Gefangenschaft Bemerkungen z.russ.Mentalität Träume i.d.Gefangenschaft

Personen-Index Namen,Anschriften Personal I.R.477 1940–44 Übersichtskarte (Orte,Wege) Orts-Index Vormarsch-Weg Codenamen der Operationen im Sommer 1942 Mil.Rangordnung 257.Inf.Div. MG-Komp.eines Inf.Batl. Kgf.-Lagerorganisation Kriegstagebücher Allgemeines Zu einzelnen Zeitabschnitten Linkliste Rotkreuzkarte Originalmanuskript Briefe von Kompanie-Angehörigen

English

Nach einem Besuch bei Sasse trete ich wieder den Rückweg an. Ich bin gerade bei den ersten Häusern angelangt, als eine Granate heranheult und in der Nähe krepiert. Ich war blitzschnell in Deckung gegangen und renne nun vorwärts, um aus diesem gefährlichen Ortsteil herauszukommen. Eine neue Lage rauscht heran. Ich habe keine Zeit mehr zu springen und klatsche mich neben einen Misthaufen auf die Erde. Brrrach-zäng – der schmetternde Schlag der zerberstenden Granate singt in meinen Ohren, und der Luftdruck reißt an meinen Kleidern. Schwarzer Pulverqualm wirbelt über den Hof, und hartgefrorene Erdbrocken prasseln auf meinen Rücken. Auf und weiter. So renne und springe ich durch das halbe Dorf. Die Einschläge laufen immer mit. Da heult es schon wieder. Fiu-fiu-bruch-brach. Ich zwänge mich in eine Mauerspalte zwischen Haus und Kuhstall. Hier fühle ich mich halbwegs sicher und bleibe eine Weile sitzen, um zu verschnaufen und die Einschläge zu beobachten. Da merke ich, was vorgeht: Der Iwan streut das ganze Dorf systematisch ab, indem er das Feuer langsam immer weiter vorverlegt. Und ich Hornvieh bin mit dieser Feuerwalze immer fleißig mitgelaufen! Wäre ich ••• S. 53 •••beim ersten Einschlag erst einmal liegen geblieben, um abzuwarten, dann hätte ich mir diese Felddienstübung ersparen können. Aber nachher ist man immer klüger.[1]

Ein Mann der MG-Bedienung von Sasse ist verwundet. Ich mache mich auf den Weg und erreiche die Stellung in einer guten halben Stunde. Der Soldat liegt mit einem schweren Halsschuss auf dem Tisch der Unterkunft. Die Kameraden haben ihn mit einem Verbandspäckchen notdürftig verbunden. Er ist etwas benommen, noch im Schock. Er ist schwer verwundet und braucht dringend einen Arzt. Ich eile ins Dorf zurück zum Bataillonsarzt. Der meint, man solle den Verwundeten herunterbringen. Meine Einwendung, dass man den Schwerverwundeten nicht eine dreiviertel Stunde bei bitterer Kälte über Stock und Stein heranbringen könne, beeindruckt ihn gar nicht. Außerdem müsste Sasse seine ganze Bedienung als Träger losschicken, und auch das ist unmöglich. Aber der Arzt, das faule Schwein, rührt sich nicht aus der warmen Stube, denn draußen ist es eiskalt, und es weht ein scharfer Wind. Sasse hat schließlich ein Fuhrwerk aufgetrieben und bringt den Verwundeten am nächsten Tag auf holprigen hartgefrorenen Wegen ins Dorf, fährt vor das Arztquartier und meldet sich dort. Der Arzt kommt heraus, schlägt die Decke zurück, sieht den Verwundeten kurz an und meint, man solle ihn gleich weiter in ein Lazarett transportieren. Dann macht er kehrt und geht eilig in seine geheizte Stube zurück. Zwei Tage später kommt die Meldung, dass der Verwundete gestorben ist. Er war der beste Soldat der Gruppe und einer der wenigen Elitesoldaten unserer Kompanie. Er musste sterben, weil dieser Lump von Arzt seine Pflicht nicht getan hat. Feldwebel Spremann macht eine Meldung über diesen Vorgang, aber über das Ergebnis haben wir nie etwas gehört.

Am schlimmsten ist der Weg zu den Höhenstellungen über dem Doneztal. Dabei durchquere ich erst das Tal und steige dann den steilen Hang des Höhenzuges hinauf. Hier besuche ich erst die Granatwerferstellungen. Sie liegen noch am Hinterhang. Schon bei meinem ersten Gang hier hinauf waren mir die flachen, tellergroßen Vertiefungen rechts und links des Weges aufgefallen. Es sind Granatwerfereinschläge. Der Iwan schießt also hierher. Von hier aus gehe ich dann weiter über den kahlen, breiten Rücken des Höhenzuges. Hier oben fegt mir jedesmal der eisige Ostwind ins Gesicht und nimmt mir den Atem. Er dringt durch Mantel und Uniform, als wären sie nur ein Schleier. Schräg gegen den Wind gelehnt, schiebe ich mich vorwärts. Dort, wo der breite, massige Bergrücken allmählich feindwärts zum Doneztal abzufallen beginnt, liegen unsere MG-Stellungen. Tief unten im Tal fließt der Donez. Weite, dunkle Wälder füllen die kilometerbreite Talebene. In einer Lichtung schräg unter uns liegt ein Dorf. Es scheint verlassen, denn nichts regt sich dort. Man sieht weder Mensch, noch Tier, noch rauchende Kamine. Niemandsland, durch das nur ab und zu deutsche und sowjetische Spähtrupps streifen. Eine dünne Schneedecke liegt stellenweise über der Erde, meist aber hat der jagende Wind die dunkle Erde kahlgefegt. Wir haben einen weiten Blick von hier oben und können links weit hinten Isjum deutlich sehen. Die Stadt ist in russischer Hand.


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Personen-Index Namen,Anschriften Personal I.R.477 1940–44 Übersichtskarte (Orte,Wege) Orts-Index Vormarsch-Weg Codenamen der Operationen im Sommer 1942 Mil.Rangordnung 257.Inf.Div. MG-Komp.eines Inf.Batl. Kgf.-Lagerorganisation Kriegstagebücher Allgemeines Zu einzelnen Zeitabschnitten Linkliste Rotkreuzkarte Originalmanuskript Briefe von Kompanie-Angehörigen

  1. Am 20.11.1941 „15–17h stärkeres feindl. Artl.-Feuer auf Kamenka bei 457“ (KTB 257. I.D., NARA T-315 Roll 1804 Frame 000320). In Ssuchaja-Kamenka lag die 6./457, im benachbarten Tichozki, das offenbar ebenfalls mit Feuer belegt wurde, die 5./477 (Frame 000162) mit dem Autor.