13. Mai 1942
Heute nacht sind sie schon wieder näher gekommen. Sie sammeln sich offensichtlich vor der Försterei, denn sie wälzen sich genau vor unserem Abschnitt herum. Wie das zornige Brummen gereizter Ungetüme hört es sich an, wenn die wuppernden Motoren – wohl bei Schwenkungen oder Hindernissen – laut aufbullern. Sie sind höchstens noch hundert Meter entfernt, aber das dichte Unterholz, das uns nach dreißig Metern schon die Sicht versperrt, verbirgt sie noch unseren Blicken. Und nachts kann man schon gar nichts sehen, so sehr unsere Blicke auch das nachtschwarze Gebüsch zu durchdringen versuchen. Es ist nervenaufreibend. Heute greifen sie sicherlich an. Ich weiß nicht, ob es der 17. oder 18. Mai ist.[1]
Kaum ist Schusslicht, da setzt sich der Panzer, der gestern schon auf der Schneise erschienen war, wieder auf den Weg und beginnt zu feuern. Seine Granate krepiert in den Baumkronen. Nun setzen sich auch die anderen Panzer in Bewegung und bohren sich brummend und brüllend einen Weg durch das Stangenholz vor unseren Bunkerstellungen. Es splittert und kracht, wenn die jungen Stämme und Bäumchen von den Ketten zermahlen werden. Aber die Panzer sind immer noch unsichtbar, obgleich sie höchstens noch fünfzig Meter entfernt sein können. Es ist eine widerliche, zermürbende Situation. Man hört die Kolosse heranbrummen, zurücksetzen und aufbrüllend mit neuem Anlauf das Unterholz zermalmen. Näher, langsam immer näher, und man kann nichts dagegen tun. Man weiß nur, dass es noch schlimmer wird, wenn sie wirklich erscheinen. Stundenlang scheint dieses nervenfressende Warten zu .dauern. Ich setze unsere Granatwerfer ein und streue den Wald vor uns ab. Vielleicht trifft es die russische Begleitinfanterie, die sicher bei den Panzern ist. Außerdem befreit es die Männer etwas von ihrer Spannung. Mittag ist vorüber. Bei den Männern meldet sich der Hunger, und sie essen etwas aus ihrem Brotbeutel. Das ist ein gutes Zeichen. Andrerseits soll man vor Gefechten besser nichts essen, weil es dann bei Bauchschüssen Komplikationen geben kann. Der Darm sollte dann besser leer sein. Aber man kann das nicht immer durchführen, denn dann dürften wir manchmal tagelang nichts essen. Es wird Nachmittag. Immer noch dieselbe Lage. Wir stumpfen ab. Die Hoffnung auf die baldige Dunkelheit beruhigt uns etwas, denn bei Nacht greifen die Panzer nicht an, obgleich man auch in diesem Punkt bei den Russen vor Überraschungen nicht sicher ist. Die Nacht ist Erlösung. Das Tageslicht beginnt zu verlöschen. Dieser Tag ist überstanden.
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