27. Oktober 1944

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Editorial 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 Epilog Anhang

Inhaltsverzeichnis

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Eine Art Bilanz Gedankensplitter und Betrachtungen Personen Orte Abkürzungen Stichwort-Index Organigramme Literatur Galerie:Fotos,Karten,Dokumente

Chronik

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31.

Erfahrungen i.d.Gefangenschaft Bemerkungen z.russ.Mentalität Träume i.d.Gefangenschaft

Personen-Index Namen,Anschriften Personal I.R.477 1940–44 Übersichtskarte (Orte,Wege) Orts-Index Vormarsch-Weg Codenamen der Operationen im Sommer 1942 Mil.Rangordnung 257.Inf.Div. MG-Komp.eines Inf.Batl. Kgf.-Lagerorganisation Kriegstagebücher Allgemeines Zu einzelnen Zeitabschnitten Linkliste Rotkreuzkarte Originalmanuskript Briefe von Kompanie-Angehörigen

English
GEO INFO
Dondangen Karte — map
Windau Karte — map
Libau Karte — map
So sah der Autor „S 67“ vor sich fahren.
(Das Bild aus dem Historischen Marinearchiv
zeigt ein Schnellboot des gleichen Typs.)
Die Briefmarke von 1944 zeigt einen kleineren Bootstyp

Wir stehen mit unserem Gepäck vor dem Haus der Feldpost. Von hier aus geht der Omnibus ab, der uns nach Windau bringen soll. Außer uns fünf Offizieren sind noch einige Unteroffiziere und Mannschaften bei uns, die man ebenfalls noch zurückgehalten hatte.

Wir liegen in der Wehrmachtsunterkunft in Windau. Hier hatten wir zunächst einmal alle zusammen ein großes Zimmer mit Holzpritschen bezogen und dann Kundschafter zum Hafen geschickt, die sich nach einer Einschiffungsmöglichkeit nach Danzig umsehen sollten. Ich habe mich inzwischen über meine Marschverpflegung hergemacht und liege nun satt und zufrieden auf meiner Pritsche. Ein Soldat braucht nicht viel, um glücklich zu sein. Unsere Abgesandten kommen von der Hafenkommandantur zurück und melden, dass in den nächsten drei bis vier Tagen kein Schiff nach Deutschland ausliefe. Die Mannschaften sind damit zufrieden. Sie erklärten, dass sie viel Zeit hätten und ruhig solange warten wollten, bis das nächste Schiff ausliefe. Ich aber will so schnell wie möglich zurück, um noch einige Tage zu Carola fahren zu können. Ich erhebe mich also von der Pritsche, um selbst einmal im Hafen Umschau zu halten. Ein Offizierskamerad schließt sich an. Wir gehen nicht zur Kommandantur, sondern gleich in den Kriegshafen. Hier liegt ein Vorpostenboot, von dem uns gesagt wurde, dass es nach Danzig ausliefe. Ich gehe an Bord und frage den Ersten Offizier, ob er uns mitnehmen könne. Er bedauert sehr und lehnt mit der Begründung ab, dass sie keine Fahrgäste mitnehmen dürften. Ich hatte das Schiff kaum verlassen und stehe mit dem Kameraden noch unschlüssig auf dem Kai neben dem Boot, als eine elegante Dame im Pelz mit einem Reisekoffer erschien und an Bord ging, gefolgt von ihrem Mann und zwei Kinder. Der Erste Offizier begrüßt sie mit höflicher Verbeugung und war so um sie bemüht, dass er unsere wütenden Blicke gar nicht bemerkte.

Nun wollen wir es noch bei den Schnellbooten versuchen, von denen einige im Hafen liegen. Wir steuern also auf das S-Boot-Mutterschiff[1] zu, und während mein Begleiter unten auf dem Kai stehen bleibt, steige ich das schwankende Fallreep empor. Kaum habe ich meinen Fuß auf die erste Stufe gesetzt, ertönt an Deck die Signalpfeife. Der Bootsmaat der Wache trillert noch sein Signal, als schon ein Läufer an die Treppe springt, um mich zu empfangen. Im ersten Augenblick war ich überrascht, aber dann erinnerte ich mich an Köhlers Flottenkalender, in dessen Geschichten auch immer gepfiffen wurde, wenn ein Offizier an Deck kam. Ich lasse mich beim Flottillenchef[2] melden und trage ihm meinen Wunsch vor. Ich habe Glück. Er sagt sofort zu. „Heute abend laufen drei Boote aus. Sie sind havariert und müssen nach Gotenhafen ins Dock. Melden Sie sich bei den Bootskommandanten. Die nehmen Sie bestimmt mit.“ Gesagt, getan. Wir klettern auf das erste der drei Schnellboote, die nebeneinander festgemacht haben. Der Kommandant ist ein junger Leutnant. Er ist sofort einverstanden. Nun laufen wir schleunigst zur Unterkunft zurück, um unser Gepäck zu holen. Ein weiterer Kamerad schließt sich an, und wir gehen zu dritt an Bord des Schnellbootes.[3]

Bei Einbruch der Dunkelheit legen die Boote ab. Mit langsamer Fahrt laufen sie in Kiellinie aus dem Hafen, drehen dann scharf nach Süden und brausen plötzlich mit Volldampf davon. Es ist 10 Uhr abends. Finsternis liegt über dem Meer. Die Küste versinkt schnell vor unseren Blicken im nachtdunklen Horizont. Mit hoher Fahrt jagen die Boote durch die See. Sie fahren in Kiellinie. Ich stehe auf dem Achterdeck des Führungsbootes und blicke achteraus. Die folgenden Boote sind nur schemenhaft zu erkennen. Ich habe mich auf dem Heck zwischen eine Seiltrommel und die Skylights gedrückt, um nicht vom Deck abzurutschen. Denn das Boot hat durch die hohe Fahrt seinen Bug hoch in die Luft gehoben, während das Heck sich tief ins Wasser drückt. Die rasenden Schrauben zerwühlen die See, dass die wirbelnde Heckwelle sich bis in Augenhöhe aufbäumt und einen breiten, quirlenden Schaumstreifen zurücklässt, der sich mit seinem hellen Weiß deutlich von der schwarzen See abhebt. Der Bootsrumpf vibriert unter der Wucht der arbeitenden Maschinen. Ein dumpfes Brummen läuft durch den Schiffskörper, der zischend und rauschend die schwarze See durchpflügt, dass der Gischt und der Sprühregen der Brecher zischend über Deck fegen. Alle diese Geräusche, die brummenden Motoren, das rauschende und zischende, gurgelnde und klatschende Wasser, der fauchende Fahrtwind und das schwingende Stampfen des Bootes vereinigen sich mit der Erinnerung an meine Seefahrtzeit[4] und der Freude über meine überraschende Heimkehr zu einem einzigen, jubelnden ••• S. 221 •••Glücksgefühl. Der Jubel würgt mir in der Kehle, als ich das Boot durch das Wasser schießen sehe und an die Überraschung denke, die ich Carola mit meiner unverhofften Rückkehr bereiten werde. Das Boot fliegt förmlich. Es geht heimwärts!

Mir wird kalt, und ich verhole mich vorsichtig längs Deck zum Vorschiff. Dabei blicke ich über die Reling. Quirlender Schaum schießt seitlich am Boot vorbei. Wir haben eine rasende Fahrt.

Ich steige in die hellerleuchtete Kajüte des Kommandanten hinunter. Ein winziger Raum, der vier sitzenden Menschen gerade Platz bietet. Der Kommandant sitzt auch bei uns und gibt über die vielen neugierigen Fragen Auskunft. Die Boote sind alle drei beschädigt. Das vorderste hat einen Schraubendefekt und muss vorsichtig fahren. Deshalb fährt es an der Spitze. Wir müssen uns nach seiner Geschwindigkeit richten und können daher nicht mit voller Kraft laufen.[5] Mir verschlägt es die Sprache. Das war noch keine Höchstgeschwindigkeit! Unser Boot hatte einen Bombentreffer erhalten, der das Vorschiff und den Kommandostand beschädigt hatte. Die vordere Wand war etwas aufgerissen, und von Zeit zu Zeit überschütteten uns Brecher und Bugwellen mit einem Schauer von Sprühregen. Zwar war das Loch notdürftig abgedichtet, aber der Schutz war gering. Immer wieder spritzten die kalten Duschen bis in unsere Kajüte. Der Kommandant war an Deck gegangen, und wir hatten uns auf den Bänken ausgestreckt, um ein wenig zu schlafen. Aber daraus wurde nichts. Es war zu eng und zu nass. Von Deck aus liefen kleine Rinnsale in die Kajüte hinunter. Auf dem Boden bildeten sich schon Wasserlachen, so dass wir unser Gepäck auf die Sitzbänke stellen mussten. Eine Zeitlang halte ich es noch aus, dann schlängle ich mich aus meiner Ecke heraus und steige an Deck. Querab blinken zahlreiche Lichter über das dunkle Wasser herüber: Libau! Ich stelle mich fröstelnd in den Seitengang neben der Kajüte. Er ist verdeckt und bietet etwas Schutz gegen die ständigen Spritzer. Mein Mantel ist schon ganz feucht. Ich friere. Schließlich steige ich in die kleine Kommandobrücke und stelle mich neben den Rudergänger. ••• im Original weiter ohne Zeilenumbruch •••


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Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Eine Art Bilanz Gedankensplitter und Betrachtungen Personen Orte Abkürzungen Stichwort-Index Organigramme Literatur Galerie:Fotos,Karten,Dokumente

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Erfahrungen i.d.Gefangenschaft Bemerkungen z.russ.Mentalität Träume i.d.Gefangenschaft

Personen-Index Namen,Anschriften Personal I.R.477 1940–44 Übersichtskarte (Orte,Wege) Orts-Index Vormarsch-Weg Codenamen der Operationen im Sommer 1942 Mil.Rangordnung 257.Inf.Div. MG-Komp.eines Inf.Batl. Kgf.-Lagerorganisation Kriegstagebücher Allgemeines Zu einzelnen Zeitabschnitten Linkliste Rotkreuzkarte Originalmanuskript Briefe von Kompanie-Angehörigen

  1. In Windau lagen damals die 5. Schnellbootsflottille und die 2. Schnellbootsschulflottille. Grundsätzlich verfügte jede Flotttille über ein Begleitschiff; das Begleitschiff „Hermann von Wissmann“ der 5. S-Flottille war aber am 01.10. in die Heimat zurückgeholt worden. Es handelte sich also um das S-Bootsbegleitschiff „Tsingtau“ der 2. S-Schulflottille.
  2. Holzapfel (TOW)
    Klose (TOW)

    Wahrscheinlich sprach der Autor mit dem Flottillenchef der 5. S-Flottille Kapitänleutnant Hermann Holzapfel, mit dessen Boot er dann auch fuhr, aber es ist auch möglich, dass er den Flottillenchef der 2. S-Schulflottille Kapitänleutnant Hans-Helmut Klose traf, der 1949–1955 Geheimagenten in den Ostblock fuhr und 1975 Vizeadmiral wurde.

  3. Es handelte sich um „S 110“ unter Oberleutnant zur See Johann Schmölzer, das mit „S 67“ und „S 85“ am 27.–28.10.1944 von Windau nach Gotenhafen verlegte. Alle drei Boote gehörten zur 5. S-Bootsflottille.
  4. Der Autor hatte einst Handelsschiffsoffizier werden wollen und dazu eine Reise auf dem Segelschulschiff „Padua“ absolviert, über die er ebenfalls Tagebuch geführt hat.
  5. „S 110“ – auf dem sich nach Ansicht des Hg. der Autor befand – zog sich am 25.10.1944 in Sworbe durch Pierteile Schäden am Mittelpropeller zu; beim Rückmarsch erlitt es weitere Schäden durch Bombentreffer und nachfolgenden Brand. „S 67“ – das der Hg. für das vorausfahrende Boot hält – erhielt auf der gleichen Fahrt nach Sworbe Raketentreffer auf die gepanzerte Brücke, in Sworbe wurden durch Pierteile die Schrauben beider Außenwellen beschädigt; beim Rückmarsch wurde es von Raketen getroffen. „S 85“ sollte nach Königsberg zwecks Reparaturen und Einbau eines 2 cm-Zwillings.