24. Dezember 1945

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Editorial 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 Epilog Anhang

Chronik 40–45

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Eine Art Bilanz Gedankensplitter und Betrachtungen Personen Orte Abkürzungen Stichwort-Index Organigramme Literatur Galerie:Fotos,Karten,Dokumente

Chronik 45–49

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Erfahrungen i.d.Gefangenschaft Bemerkungen z.russ.Mentalität Träume i.d.Gefangenschaft

Personen-Index Namen,Anschriften Personal I.R.477 1940–44 Übersichtskarte (Orte,Wege) Orts-Index Vormarsch-Weg Codenamen der Operationen im Sommer 1942 Mil.Rangordnung 257.Inf.Div. MG-Komp.eines Inf.Batl. Kgf.-Lagerorganisation Kriegstagebücher Allgemeines Zu einzelnen Zeitabschnitten Linkliste Rotkreuzkarte Originalmanuskript Briefe von Kompanie-Angehörigen

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Weihnachten 1945

Nachmittags Kartoffelschälen. 18 Uhr Essen. 19 Uhr Feierstunde im „Klubsaal“. Anschließend gehen wir in unsere Baracke zurück und essen, was wir uns selbst noch seit Tagen vom Munde abgespart haben, feiern „privat“ noch ein wenig, tauschen Glückwünsche. Ein Gefühl von Schicksalsgemeinschaft und Kameradschaft lebt neu auf. In der Ecke der Baracke steht der im Wald geschlagene Weihnachtsbaum, geschmückt mit blinkenden Blechsternen, die wir aus gelben und weißen Konservendosen geschnitten haben, behängt mit Stanniolfäden und betupft mit Wattebäuschen aus der Lazarettbaracke. An den Fenstern kleben Scherenschnitte mit Weihnachtsmotiven.

Iwan fordert uns wieder zum Arbeitseinsatz auf, mit den üblichen verlogenen Versprechungen: Lohn, besseres Essen, frühere Heimkehr und ein Dokument über geleistete Wiedergutmachung! Ich melde mich als Tischler. Wenn schon Arbeit, dann will ich etwas dazu lernen.[1]

Der Russe liefert nicht die uns zustehende Menge an Nahrungsmitteln. Es gibt Gründe, die man akzeptieren kann: Die Ernährungsfrage war und ist schon immer ein Problem für die russische Bevölkerung gewesen, zumindest seit der Sowjetherrschaft. Die Russen haben selbst nicht viel zu essen, und so wird es auch bleiben. Nun muss auch noch eine Millionenarmee von Kriegsgefangenen ernährt werden. Dazu kommen unentschuldbare Gründe: Die russische Lagerkommandantur verkauft unsere Verpflegung und steckt das Geld in die eigene Tasche. Die russischen Wachmannschaften bedienen sich ebenfalls kräftig aus unseren ohnehin kläglichen Beständen. Das deutsche (Antifa!-) Küchenpersonal klaut ebenfalls, sie betrügen uns bei der Fleischausgabe, stehlen das gekochte Essen aus dem Kessel oder die von uns geschälten Kartoffeln. Dies alles ist mehrfach bewiesen. Seit Wochen gibt es kein Fett und keinen Zucker. Zu Weihnachten nicht einmal Kaffee. Beschwerden unserer Lagerärzte beim lettischen (heute russischen) Innenministerium haben nur kurzfristigen Erfolg. Der Russe liefert einen Bruchteil des Vorenthaltenen nach, und schon bald fangen die alten Betrügereien wieder an. Man kann ihm nie nachsagen, er hätte nichts nachgeliefert. Aber was er nachliefert, ist im Vergleich zu dem vorher Gestohlenen so minimal, das es gar nicht zählt. Iwan ist ein ••• S. 294 •••verschlagener alter Fuchs. Und der deutsche Michel glaubt und hofft immer wieder.

Der Russe glaubt womöglich, dass er uns anständig behandelt. Er weist immer wieder darauf hin und vergleicht mit dem Lebensstandard der Bevölkerung. Aber der russische Lebensstandard ist derart niedrig, dass er unseren Gewohnheiten gar nicht gerecht werden kann. Was für uns einfach Selbstverständlichkeiten sind, ist für ihn Luxus. Ich habe mehrfach beobachtet, dass der Russe kein Toilettenpapier benötigt. Wenigstens hat er keins benutzt. Warum also soll er uns Toilettenpapier beschaffen?! Es gibt auch kein Holz. Wir haben unseren Brennholzbedarf mit Wissen des Russen nachts von den Flößen auf der Düna geklaut. Zu diesem Zweck hat er es sogar riskiert, uns ohne Bewachung nachts aus dem Lager zu lassen. Wir sind in einem der waldreichsten Gebiete der Erde, aber es gibt weder Holz noch Papier! Zur Entschuldigung hören wir immer wieder: „Ihr müsst verstehen...“ Oder noch häufiger: „Saftra budit[2]!“, morgen wird sein! Vor allem dieser letzte Trostspruch ist schon zur stehenden Redensart geworden. Wir sprechen schon mit leisem Spott vom „Saftrabudismus“.


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Personen-Index Namen,Anschriften Personal I.R.477 1940–44 Übersichtskarte (Orte,Wege) Orts-Index Vormarsch-Weg Codenamen der Operationen im Sommer 1942 Mil.Rangordnung 257.Inf.Div. MG-Komp.eines Inf.Batl. Kgf.-Lagerorganisation Kriegstagebücher Allgemeines Zu einzelnen Zeitabschnitten Linkliste Rotkreuzkarte Originalmanuskript Briefe von Kompanie-Angehörigen

  1. vgl. Bogg S. 48
  2. завтра будет