28. Januar 1945

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Editorial 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 Epilog Anhang

Inhaltsverzeichnis

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Eine Art Bilanz Gedankensplitter und Betrachtungen Personen Orte Abkürzungen Stichwort-Index Organigramme Literatur Galerie:Fotos,Karten,Dokumente

Chronik

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31.

Erfahrungen i.d.Gefangenschaft Bemerkungen z.russ.Mentalität Träume i.d.Gefangenschaft

Personen-Index Namen,Anschriften Personal I.R.477 1940–44 Übersichtskarte (Orte,Wege) Orts-Index Vormarsch-Weg Codenamen der Operationen im Sommer 1942 Mil.Rangordnung 257.Inf.Div. MG-Komp.eines Inf.Batl. Kgf.-Lagerorganisation Kriegstagebücher Allgemeines Zu einzelnen Zeitabschnitten Linkliste Originalmanuskript

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GEO & MIL INFO
Cammin Karte — map
Berlin Karte — map
28. oder 29.:[1] Carola, Ehefau des Autors, flieht aus Cammin/Pommern zu ihren Schwiegereltern nach Berlin
Feldpostbriefe/Rotkreuzkarten
✉ an Carola und Eltern („seit einigen Tagen im Einsatz“)

Anruf vom Bataillon. Heute abend[2] werden einige Pioniere eintreffen, um die kleine Brücke zu sprengen. Man will weitere Verirrungen wie die des armen Pioniers gestern[3] in Zukunft vermeiden.[4]••• S. 248: Abschnitt „Brückensprengung“ ans Ende des Tages verschoben •••••• S. 248: Absatz „Freitag“ hinter den Gegenstoß verschoben, denn da war Freitag noch dabei •••

••• S. 248: Haupttext fortgesetzt •••Aus dem Dorf kommt ein Sturmgeschütz. Es kommt die Straße entlang wie gestern[5] der Pionierschlitten. Es ist helllichter Tag. Ich weiß gar nicht, was der zu dieser Tageszeit hier will und warum er überhaupt hier angerollt kommt. Plötzlich brüllt eine Explosion auf. Der Panzer bleibt ruckartig stehen und ist im selben Augenblick in eine dichte Rauchwolke gehüllt. Durch den abziehenden Qualm sehe ich, wie die dreiköpfige Besatzung, einer nach dem andern, mit affenartiger Geschwindigkeit aus der Turmluke springt und sich in den Straßengraben rollt. Donnerwetter, das ging in Sekundenschnelle. Die haben das Aussteigen bis zum Erbrechen gedrillt, und hier zeigt sich, wie lebensrettend das sein kann. Der Schnellere, Geschicktere, Geschulte, der, der zuerst schießt, hat die größere Überlebenschance.

Das Geschütz steht unbeweglich. Die Besatzung erhebt sich langsam und vorsichtig aus dem Graben. Der Panzer war auf eine Mine gefahren. Ich winke die Männer zu mir heran, und wir unterhalten uns über den ausgestandenen Schrecken und die Schäden an der Selbstfahrlafette. Sie sind nicht schwer. Auch die Besatzung ist unverletzt, nur der Panzerfahrer ist von dem Druck der Explosion noch etwas benommen.[6]••• S. 248: drei Absätze „Spähtrupp“ ans Ende des Tages verschoben •••

••• S. 249: Haupttext fortgesetzt •••Eben komme ich von einem erfolgreichen Gegenstoß zurück. Es ist alles sehr schnell gegangen und war so verlaufen: Ich stehe in dem kleinen Laufgraben zwischen unseren zwei Bunkern, als plötzlich rechts im Wald ein rasendes Infanteriefeuer einsetzt. Das ist in meinem rechten Abschnitt, beim 1. Zug. Der Wald rauscht und dröhnt vom Knattern und Prasseln der Gewehrschüsse und MG-Garben. Das ist kein Feuerüberfall, das ist ein Angriff. Das „Urrääh“ der Angreifer geht unter im hellen Knattern des Infanteriefeuers. Ohne noch weitere Anzeichen oder Meldungen abzuwarten, alarmiere ich meine Kompaniereserve. Mein Kompanietruppführer kommt aus dem Bunker gekrochen, während ich gespannt zum Wald hinüberblicke. Da kommt eine Gestalt aus dem Wald herausgelaufen! Ein deutscher Soldat! Jetzt ein zweiter, ein dritter. Sie verlassen die Stellungen!

„Feldwebel Freitag, schießen Sie „rot“! – Kompaniereserve fertigmachen zum Gegenstoß!“

Wir setzen die Stahlhelme auf und greifen nach unseren Waffen. Der Kompanietruppführer war inzwischen in den Bunker gekrochen, um die Leuchtpistole zu holen. Er kommt mit der geladenen Pistole zurück, hält sie senkrecht hoch und drückt ab. Zischend fährt die Patrone in den Himmel, glüht rot auf und sinkt zum Boden zurück. „Gleich noch eine!“ Kurz darauf zischt eine zweite rote Leuchtkugel in die Luft.

Rote Leuchtkugel bedeutet: Feind greift an. Sternbündel rot bedeutet Sperrfeueranforderung. Davon hatte ich aber keine. „Feldwebel Freitag, Sie bleiben hier, rufen sofort das Bataillon an und melden: Feind greift Wald-abschnitt der 3. Kompanie an. Kompanieführer ist mit Kompaniereserve zum Gegenstoß angetreten!“

Mit sechs Mann meiner Kompaniereserve springe ich über die Straße, lasse die Männer fächerförmig ausschwärmen und fange am Waldrand die Zurückgehenden des 1. Zuges auf. Sie müssen sich uns anschließen, und wir gehen gemeinsam wieder auf die Stellungen los. Als wir auf sechzig bis achtzig Meter heran waren, gebe ich das Kommando: „Die Stellung wird im Sturm zurückerobert. Feuer aus allen Geweh••• S. 250 •••ren – vorwärts – hurraah!“ Brüllend und schießend stampfen wir durch den verschneiten Wald. Von Baum zu Baum, von Busch zu Busch geht es vorwärts. Sprung – Schuss, Sprung – Schuss. Unser Sturmruf hallt in dem winterlichen Wald mit vielfacher Stärke wider. Das Krachen der Gewehrschüsse verstärkt den Gefechtslärm und flößt den Männern wieder Mut ein. Ich sehe sie zwischen den Bäumen vorgehen. Sie springen, knien sich hinter einen Baum, schießen, laden durch, springen weiter. Es geht rasch vorwärts. Vor mir läuft ein Soldat, der eine Gewehrgranate geladen hat. Dieses gefährliche, hochbrisante Geschoss wird vorn auf die Gewehrmündung aufgesetzt. Damit rennt der Kerl jetzt, die Mündung nach unten, durch das Gebüsch. Wenn der irgendwo hängen bleibt oder das Ding herausrutscht, ist er kaputt. Ich habe jetzt aber für Ermahnungen keine Zeit. Da vorn ist schon der Graben!

Da heult es kurz heran, und ein Hagel von Granaten schlägt über uns zusammen. Brach-bruch-krrraach-zänng! Es bricht und splittert in den Bäumen. Rote Stichflammen zucken aus den Kronen. Schwarzgraue Rauchfontänen springen aus dem schneebedeckten Boden, und ein wahrer Schauer von Splittern, Zweigen und Erde prasselt auf uns nieder. Unser eigenes Sperrfeuer! Unser Gegenstoß war so schnell vorangetragen, dass wir die Stellungen schon erreicht hatten, als das Sperrfeuer darauf lostrommelte. Das Feuer liegt gut, direkt auf den Stellungen und ganz dicht davor. Das Dumme ist nur, dass wir auch schon ganz dicht davor sind und nun den ganzen Segen mitkriegen. Meine Männer haben sich dicht an die Baumstämme gekauert und den Kopf eingezogen. Der Feuerschlag ist kurz und hart. Jetzt ist er vorbei, und in wenigen Sätzen sind wir an den Stellungen. Die Bolschewisten sind zurückgeworfen. Schon während unseres Angriffs sind sie zurückgewichen, und das Sperrfeuer hat ihnen den Rest gegeben. Wir sehen die letzten braunen Gestalten drüben zwischen den Bäumen verschwinden.

Doch nicht alle. Als ich an eines unserer Schützenlöcher herantrete, richtet sich ein Iwan auf und hebt die Hände. In der einen Hand flattert ein Zettel, den er mir jetzt übergibt. Es ist einer unserer Propagandazettel mit der Unterschrift eines Kapitäns der Wlassow-Armee, der die Russen zum Überlaufen auffordert. Ob er nun überlaufen wollte oder ob ihn das Sperrfeuer in Deckung gezwungen hatte und er nachher nicht mehr schnell genug zurück konnte, ist unwichtig.

Während die Männer die Stellungen wieder besetzen, gehe ich zum rechten Flügel meines Kompanieabschnitts, um festzustellen, ob der Anschluss zu der Nachbareinheit wieder hergestellt ist. Es ist alles in Ordnung. Gleich im ersten Loch finde ich zwei Mann der Nachbarkompanie. Sie sind Angehörige einer Sturmkompanie. Bei ihnen war der Angriff schon vor den Stellungen steckengeblieben. Diese gutbewaffneten und furchtlosen Männer schütteln den Kopf darüber, dass man „vor so ein paar Iwans“ davonlaufen kann. Sie schildern mir den Verlauf des Gefechts, und aus ihren Worten klingt Stolz und ein bisschen Prahlerei. Aber warum sollten sie nicht! Nach einem abgeschlagenen Feindangriff haben sie wohl ein Recht darauf. Ich wäre froh, wenn ich nur zehn Mann von dieser Sorte in meiner Kompanie hätte.

Ich kehre zu meinem Kompaniegefechtsstand zurück, schicke den Gefangenen zum Bataillon und melde dem Bataillon telefonisch den beendeten Gegenstoß, die Wiederbesetzung der Stellungen und 1 Gefangenen.

Das war eine Blitzaktion ohne Verluste und sogar einem Gefangenen. Hier hat sich wieder die alte Erfahrung bestätigt, dass Gegenstöße umso erfolgreicher sind und umso weniger Verluste kosten, je schneller sie einsetzen. Das war ein Musterbeispiel eines „automatischen Gegenstoßes“, wie sie seit einiger Zeit von der Truppenführung bei Feindeinbrüchen gefordert werden.[7]••• S. 250: Haupttext unterbrochen •••

••• S. 248: Absatz „Freitag“ hier eingeschoben, denn beim Gegenstoß war Freitag noch dabei •••Es sind prachtvoll klare Wintertage. Der Himmel ist tiefblau und wolkenlos. Der Tannenwald jenseits der Straße ist dick verschneit und gleicht einem Märchenwald. Die Schneedecke über dem Land ist blütenweiß und glitzert in der Sonne wie Milliarden von Kristallen. Aber es ist grimmiger Frost. Mein Kompanietruppführer, Feldwebel Freitag, hat sich den Fuß erfroren und muss ins Lazarett.[8]••• S. 248: Abschnitt „Freitag“ Ende •••

••• S. 250: Haupttext fortgesetzt •••Wir werden umgruppiert. Um die Front hier im Dorf zu verstärken, wird eine 2. Linie aufgebaut, die ich besetzen soll. Es gab eine kleine Überraschung, als der Kompanieführer der neuen Einheit erscheint, um mich abzulösen. Es ist Leutnant Fischer, ehemaliger Gefreiter und Richtschütze in dem Zug, den ich als Feldwebel geführt habe, beim Ssula-Übergang schwerverwundet zum letzten Mal gesehen.

Die 2. Linie bzw. Reservestellung zieht sich mitten durch den Ort, etwa parallel zur vorderen Linie mit derselben Frontrichtung, nur ca. zweihundert Meter rückwärts. Die Stellungen sind durch hohes Gebüsch gedeckt und von zwei Zügen besetzt. Der 3. Zug liegt in einem Gehöft dicht hinter der Frontlinie. Auch meine neue Stellungslinie reicht links bis an die Barta-Mulde. Mein Kompaniegefechtsstand befindet sich in einem Bunker unmittelbar am Fuß der Mauer der Kirchenruine. Früher lief hier an der Kirche einmal die russische ••• S. 251 •••Front entlang. Auch der Bunker ist von Russen gebaut. Entsprechend der russischen Frontrichtung lag er natürlich hinter der Kirche, so dass er jetzt auf der falschen Seite, nämlich frontwärts liegt. Auch der Eingang öffnet sich zum Feind hin. Das Kirchenschiff, das dem Russen Schutz bot, liegt jetzt in meinem Rücken. Allerdings haben wir vor dem Bunker einen kleinen Graben ausgehoben, dessen ausgeworfene Erde einen flachen Schutzwall bildet, der den Bunker wenigstens etwas vor Sicht schützt.

Der Russe gibt keine Ruhe. Heute hat er wieder einmal das Kirchengemäuer mit Pak beschossen. Wir hören den harten Abschuss und fast gleichzeitig das metallische Krachen der krepierenden Granaten. Die meisten schlagen durch und reißen kleine Löcher in das Gemäuer der geschundenen Ruine. Andere zerschlagen das Gestein, das in großen und kleinen Brocken auf unsere Bunkerdecke prasselt. Nach jedem Einschlag quillt eine rote Staubfahne hervor und hängt als rötlicher Schleier eine Zeitlang in der Luft.[9]••• S. 251: zwei Absätze „Verpflegungsschlitten“ ans Tagesende verschoben •••

••• S. 251: Haupttext fortgesetzt •••Auch heute schießt der Iwan wieder wie toll auf die armen Kirchenreste. Es kracht und prasselt. Der Posten kommt hereingeschlichen. Es ist ihm draußen zu gefährlich. Ich will den zweiten Melder hinausschicken, denn die Beobachtung muss fortgesetzt werden. Er zögert und kann sich nicht entschließen, die Ablösung zu übernehmen. Da stehe ich auf und gehe wieder einmal selbst hinaus. Aber öfter werde ich das nicht machen, sonst machen die Landser eine Gewohnheit daraus. Im Gelände sind keine Bewegungen zu erkennen, nur diese verdammte Pak schießt, und zwar immer nur auf die Kirche. In vier bis sechs Metern Höhe krachen die Granaten in die Mauer. Steine rasseln herunter. Ich mache einen krummen Rücken und ziehe den Kopf ein wie eine Schildkröte. Was für ein Sicherheitsgefühl doch so ein Stahlhelm gibt! Einen Stein aus drei Metern Höhe hält er spielend ab.

Vor mir am Grabenwall liegt ein toter Soldat. Von meiner Kompanie ist er nicht. Er muss endlich begraben werden. Ich will es heute abend tun lassen.

Von der Bunkertür ruft ein Melder: „Herr Leutnant, Anruf vom Bataillon!“ Ich gehe hinein, nehme den Hörer und melde mich. Der Bataillons-Adju ist am Apparat: „Tag, Schrödter, elender Beschuss heute, was? Wie geht es? Irgendetwas zu erkennen? Nein? Na schön, Wiedersehen!“ Nach einer Stunde kommt ein neuer Anruf: „Nichts zu sehen? Umso besser! Wiedersehen!“ Beim Auflegen wundere ich mich über die Anrufe. Wegen solcher Kleinigkeiten ruft man doch nicht an.

Seit einer halben Stunde liegt auch das Gelände hinter uns unter Artilleriebeschuss. Die Telefonleitung ist längst zerschossen. Deshalb rufe ich aus dem Nachbarbunker einen Mann der Nachrichtenstaffel zu mir. Der Funker soll mit seinem Dora-Sprechfunkgerät[10] die Verbindung zum Bataillon wiederherstellen. Er steckt seine Antenne durch einen Türspalt nach draußen und bedient nun das Gerät. Nach einiger Zeit reicht er mir einen Zettel mit einem eben aufgenommenen Funkspruch herüber. Der Funkspruch ist aber nicht zu entziffern, denn er besteht aus völlig unverständlichen Sätzen. Auf meine Frage, ob er den Spruch versteht, verneint er. Also Rückfrage. Er nimmt den Spruch erneut auf und endet mit „verstanden“. Aber der Spruch ist immer noch nicht zu entziffern. Ich fauche diesen Blindgänger gehörig an, aber davon wird der Spruch nicht deutlicher. Was soll man bloß mit diesen 6-Wochen-Rekruten anfangen!? Der verstümmelte Funkspruch sagt etwas über Auszeichnungen, aber ich werde nicht klug daraus. Also befehle ich dem Funker, die Meldung selbst vom Bataillon zu holen, wenn er nicht in der Lage ist, sie im Funk aufzunehmen. Aber dann kommen mir Bedenken. Kann ich diesen Heini zum Bataillon schicken, dessen Lage ihm unbekannt ist? Noch dazu durch ein Gelände, das unter Artilleriebeschuss liegt? So schicke ich also meinen richtigen Melder los. Der schultert sein Gewehr und zieht ab.

Dieser Melder ist derselbe Funker, den ich damals in Jurmalciems in die vorgeschobene Stellung „strafversetzt“ hatte, und der von dort gar nicht mehr zurück wollte. Heute ist er ein guter Melder.

••• S. 252 •••Nach einer Stunde ist er zurück und macht prustend seine Meldung. Inzwischen war eine zweite Meldung erforderlich, aber einen zweiten Gang zum Bataillon wollte er nicht machen. Er sei genug gewatzt, und nun könnte der zweite Melder auch mal laufen. Er hat recht. Im übrigen habe ich ihn wegen seiner gefährlichen und pflichttreuen Meldegänge für eine Auszeichnung bei der nächsten Gelegenheit vorgesehen.••• S. 252: Haupttext unterbrochen •••

••• S. 248: Rest des Absatzes „Brückensprengung“ abends hier eingeschoben •••Eben sind vier Pioniere eingetroffen. Ich gehe gleich mit ihnen nach vorn. Einige Männer des Kompanietrupps schließen sich freiwillig und ein bisschen aus Neugierde an. Zusammen mit der vom 1. Zug bereitgestellten Sicherungsgruppe tasten wir uns in das Vorfeld hinein. Die Brücke liegt doch gut achtzig Meter vor unseren Stellungen, und es ist nicht ausgeschlossen, dass sie von sowjetischen Spähtrupps belauert wird. Wir pirschen uns teils im Straßengraben, teils im Wald neben der Straße vorwärts bis an die Brücke. Dann gehe ich mit der Sicherungsgruppe über die Brücke hinaus und lasse einen weiten Halbkreis bilden, um die an der Brücke arbeitenden Pioniere vor Überraschungen abzuschirmen. Diese haben inzwischen an der Brücke zwei T-Minen angebracht und geben mir nun ein Zeichen: alles fertig! Ich ziehe die Sicherungen wieder zurück, und wir gehen fünfzig Meter hinter der Brücke in Deckung. Die Pioniere machen die Zündschnur klar. Ein leiser Ruf: „Achtung – Sprengung!“ Brrrruummmm! Mit einer grollenden Detonation, vermischt mit dem Krachen und Splittern von brechendem Holz, wirbeln die Balken und Bretter in die Luft. Eine dunkle Qualmwolke steigt hoch. Die Brücke ist fort. Kaum ist der Donner der Explosion verhallt, da wird die russische Front lebendig. Erst fetzen einzelne Schüsse zu uns herüber, und bald rattert es von allen Ecken und Enden der sowjetischen Linie auf die Brücke los. „Zurück, in den Straßengraben!“ Geduckt laufen wir zu unseren Stellungen zurück. Manche brechen sich durch das Unterholz des Waldes einen Weg. Leuchtspurgeschosse flitzen an uns vorbei. Noch ein paar Sprünge, dann über die Schneise, und dann sind wir ohne Verluste wieder in unseren Löchern. Das Gewehrfeuer der Sowjets flaut ab. Die Pioniere verabschieden sich, und ich melde dem Bataillon die erfolgte Sprengung.••• S. 248: Abschnitt „Brückensprengung“ Ende •••

••• S. 248: drei Absätze „Spähtrupp“ bei Einbrechen der Dunkelheit hier eingeschoben •••Die Russen beginnen wieder mit Vorstößen gegen unsere Stellungen. Es wird unruhig. Zur Erkundung der Lage lässt das Bataillon einen starken Spähtrupp in das vor uns liegende lichte Waldgelände hinaus. Er geht bei Einbrechen ••• S. 249 •••der Dunkelheit vom Abschnitt meines linken Zuges los. Nach knapp zwei Stunden sehe ich sie in der Dunkelheit zurückkommen. In langer Reihe kommen sie in einzelnen aufgelösten Haufen zurück und sammeln sich hinter meinen Stellungen. Nun stehen sie da schon fast eine halbe Stunde unter einer Baumgruppe in großen Haufen herum. Es sind mindestens zwanzig Mann. Eigentlich gehen sie mich gar nichts an, denn es sind nicht meine Männer, aber nun gehe ich doch zu ihnen hinüber, um zu sehen, was eigentlich los ist. Da sehe ich plötzlich aus dem Wald dunkle Gestalten herauskommen. Sie kommen denselben Weg heran, auf dem der Spähtrupp zurückkam. Nachdrängende Russen? Ich alarmiere sofort meinen linken Abschnitt. Als die Haufen des Spähtrupps meinen Warnruf hören, geraten sie plötzlich nach rückwärts in Bewegung und wollen abziehen. Ich gerate in Zorn und befehle dem Zug, in Stellung zu gehen. Sie tun es zögernd, aber niemand schießt. Erst nach meinem wiederholten Feuerbefehl fallen einzelne Schüsse. Da aber erhebt sich großes Geschrei bei den angeblichen Angreifern. Es sind Deutsche! Es sind die letzten Gruppen des zurückkehrenden Spähtrupps. Einer von ihnen hatte einen Oberschenkelschuss abbekommen. Er wird von zwei Kameraden gestützt.

Das war eine Panne. Ich war etwas zu vorschnell. Ich hätte mir die „Angreifer“ erst genauer ansehen sollen, bevor ich feuern ließ. Aber ich konnte ja nicht ahnen, dass der Spähtrupp so kleckerweise zurückkommt, mit einer halben Stunde Abstand zwischen den ersten und den letzten. Das gibt's doch gar nicht! Vor allem aber hatten die blöden Landser, die hier schon eine halbe Stunde herumstanden, mir gleich sagen können, dass es die letzten Gruppen ihres Spähtrupps sind. Aber nun erkannte ich, warum der vorzeitig zurückgekehrte Haufen so verschwiegen und wortkarg war: Es waren die Feiglinge, die sich wieder viel zu früh zurückgezogen hatten und nun hier warteten, bis die anderen Kameraden ihren Spähtruppauftrag erfüllt hatten. Deshalb haben sie auch unter der Baumgruppe gewartet, und deshalb konnten sie auch keine befriedigenden Antworten geben, als ich sie vorhin nach diesem und jenem fragte. Und deshalb drucksten sie herum, als sie das Feuer eröffnen sollten. Hätten sie nämlich etwas gesagt, dann wäre offenbar geworden, dass sie sich gedrückt haben und viel zu früh zurückgekommen sind.

Im Übrigen hätte mich das Bataillon ruhig über Stärke und Auftrag des Spähtrupps unterrichten können. Um den Mann, der den Kameraden angeschossen hat, zu beruhigen, habe ich ihm vor den versammelten Männern erklärt, dass er richtig gehandelt habe, denn er habe auf meinen Befehl hin geschossen.••• S. 249: Abschnitt „Spähtrupp“ Ende •••

••• S. 251: zwei Absätze „Verpflegungsschlitten“ nach Einbruch der Dunkelheit hier eingeschoben •••Der Verpflegungsschlitten kommt nach Einbruch der Dunkelheit bis an die Kirche gefahren. Von hier holen sich die Gruppen dann ihr Essen ab. Heute gibt es wieder Nahkampfpäckchen für die Kämpfe der letzten Tage. Ich bekomme drei Stück[11], die ich aber gleich wieder zum Tross zurücknehmen lasse. Sie sollen dort aufbewahrt werden, bis ich mal nach hinten komme, wo ich sie dann in aller Ruhe verzehren möchte.

Jetzt knallt die Pak wieder gegen die Kirchenmauer. Die Essenausgabe ist gerade beendet. Die Fahrer werfen die leeren Kanister eilig auf den Schlitten, sitzen auf und sausen ab.••• S. 251: Abschnitt „Verpflegungsschlitten“ Ende •••


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  1. Nach den Aufzeichnungen von Georg Schrödter war es der 28., nach ihren eigenen Erinnerungen der 29.
  2. An diesem Tag muss eine Reihe von Ereignissen stattgefunden haben, die dem Autor wie die einer ganzen Woche vorgekommen sind, obwohl er vorher und nachher konkrete und überprüfbare Daten nennt. Daher dürfen hier Formulierungen wie „heute“, was sonst auf einen neuen Tag hinweist, oder „vor einigen Tagen“, „damals“, „nach einigen Tagen“ oder „vorgestern“ nicht wörtlich genommen werden, sondern bedeuten schlicht „gestern“ oder „heute“; der Herausgeber hat sie insoweit abgeändert. Hinweise auf das Ende des Tages, die üblicherweise einen neuen Tag ankündigen würden, müssen hier so gedeutet werden, dass ein Ereignis innerhalb dieses Tages ans Ende gehört. (In der online-Veröffentlichung hat der Herausgeber diese Verschiebung vorgenommen. Die Alternative, einige Ereignisse ganz anderen Tagen zuzuordnen, wird noch untersucht.)
  3. im Original „vor einigen Tagen“, vgl. vorstehende Fußnote
  4. Der im Original hier anschließende Abschnitt „Brückensprengung“ wurde ans Ende des Tages verschoben, der Absatz „Freitag“ hinter den Gegenstoß, denn da war Freitag noch dabei.
  5. im Original „damals“, vgl. Fußnote oben
  6. Der im Original hier anschließende Abschnitt „Spähtrupp“ wurde ans Ende des Tages verschoben.
  7. so in einer Weisung Schörners an die Armeen am 12.11.1944 (KTB HGr N S. 149)
  8. Im Original ist der Wortteil „Kompanietrupp“ ausradiert, sicher weil Freitag am Gegenstoß weiter unten noch teilnimmt. Dieser Feldwebel war also nicht Freitag – dann müsste der Absatz auch nicht verschoben werden –, oder die Erfrierung war lediglich später am Tag. Noch weiter unten gibt es dann einen alternativen Namen.
  9. Der im Original hier anschließende Abschnitt „Verpflegungsschlitten“ wurde am Tagesende gespeichert.
  10. Tornisterfunkgerät d2 „Dora“, Feldfunksprecher FeldFu d oder Kleinfunksprecher d „Dorette“?
  11. für die im Soldbuch (Vordruck II gegenüber S.23) bestätigten drei Nahkampftage am 24., 25. und 26.01.1045