Feldpostbriefe und Rotkreuzkarten

Aus Westmärker Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
des Autors an seine Ehefrau Carola und an seine Eltern
Transkribiert und annotiert durch Winfried Schrödter
Feldpostbriefe, Rotkreuzkarten
Rotkreuzkarten, bemalt, zensiert, mit Foto
De.png

Geschichte dieser Dokumente

Am 21. Mai 2022 besuchte ich meinen Halbbruder (der altersmäßig durchaus mein Vater sein könnte), weil er in eine Wohnung in München umzieht und sein 3-stöckigs Haus in Münster aufräumen und entrümpeln musste. Zu meiner großen Überraschung präsentierte er mir einen echten Schatz, dessen Existenz mir unbekannt war. Als mein Vater gestorben war, hatte ich zwar ein paar Dinge aus seinem Haus mitgenommen, aber den Großteil hatte mein Bruder mitgenommen und offensichtlich aufbewahrt. In der Zwischenzeit hatte er all dies vergessen, und erst jetzt tauchte er wieder auf:

Ein Haufen Feldpostbriefe aus der Kriegszeit und aus der Gefangenschaft, Rot-Kreuz-Postkarten von meinem Vater an seine Eltern und seine Frau, meine Mutter, Briefe von bereits entlassenen Kameraden an seine Familie, darunter die erste Nachricht von meinem Vater aus einem Kriegsgefangenenlager. Briefe meiner Mutter an meinen Vater, die ohne die Absicht, sie abzuschicken, geschrieben wurden – nennen wir sie eine Art Tagebuch, in dem wir unter anderem über ihre Gefühle zum frühen Tod meiner Schwester lesen können, die 1945 nur wenige Monate lebte. Briefe von meinem Vater an meine Mutter, wenn sie in getrennten Ferien waren, und meine Briefe an sie aus dem Ausland usw. Zu guter Letzt ein Abschiedsbrief meines Vaters an meine Mutter, geschrieben im Krankenhaus kurz vor seinem Tod, kaum entzifferbar (ein Spezialist wurde um Hilfe gebeten), aber sehr bewegend.

Es fand sich auch ein Bündel neuer Bleistifte, ungespitzt, wie sie damals verkauft wurden, zumindest einer davon mit Sicherheit aus Russland. Das Tagebuch erzählt von ihnen. Bis jetzt hatte ich sie für verloren gehalten.

Wirklich verloren sind seit der Haushaltsauflösung nach seinem Tod, wenn nicht schon vorher, sein Sportabzeichen, eine Handvoll Gewehrkugeln, einige mit Phosphor-Leuchtspureinsätzen (den ich auf keinen Fall berühren sollte), ein Luftwaffenrucksack, ein Brotbeutel (den ich auf Schulausflügen benutzte, wie ein Foto zeigt), seine Feldbluse, seine russische Wattejacke und seine von einem Kameraden in Gefangenschaft genähte Feldmütze, Dinge, die er bei der Gartenarbeit zu tragen pflegte.

Erinnerungs­stücke anderer Art

(russische?) Bleistifte, ein Leben lang unbenutzt
russischer Bleistift
russischer Löffel, schon länger im Besitz des Herausgebers
russischer Löffel (Rückseite)
Gb.png

History Of These Documents

On 21st May 2022 I visited my half brother (who, as far as age is concerned, could well be my father) because he is moving to a flat in Munich and has to tidy up and throw away in his 3-storey house. Completely to my surprise he presented me a real treasure the existence of which had been unknown to me. When my father had died, I had collected a few things from his home but the bulk had been taken and obviously preserved by my brother. In the meantime he had forgotten about the details, and only now emerged:

A heap of wartime Feldpost letters and captivity time Red Cross postcards from my dad to his parents and his wife - my mother, letters from already released comrades to his family, among them the first message from my dad from a POW camp. Letters from my mother to my father written without intention to send them, let’s call them sort of a diary, in which we can read among orher things about her feelings on the early death of my sister who lived in 1945 for a few months only. Letters from my dad to my mom when they were in separate holidays, my letters to them from abroad, etc. Last but not least a farewell letter from my dad to my mom, written in hospital shortly before he died, barely decipherable (a specialist has been asked for assistance) but deeply moving.

A bundle of new unsharpened pencils as they used to be sold back then, at least one of them from Russia for sure. The diary recounts of them. Until now I had given them up for lost.

Really lost since the household clearance after his death, if not before, are his sports badge, a handful of rifle bullets, some with phosphorus tracer insets (which I was told not to touch under any circumstances), a Luftwaffe rucksack, a haversack (which I used on school trips, as a photo shows), his army field blouse, his Russian telogreika[1] and his field cap sewn by a comrade in captivity, items he used to wear for gardening.

Vorbemerkungen

  1. Was sind das für Briefe und Karten?
  2. Folgende Feldpostbriefe und Rotkreuzkarten des Autors liegen vor:
    • an seine Eltern ab 09.12.1944, mit einer größeren Lücke zwischen Februar 1946 und September 1946
    • an seine Ehefrau ab 31.12.1944, mit einer größeren Lücke zwischen November 1945 und Oktober 1946
  3. Hinzufügungen des Herausgebers sind wie stets in diesem Projekt wie dieser Abschnitt kursiv gesetzt.
  4. Antworten, die auf manchen Briefen festgehalten sind, sind grau gesetzt.
  5. Sehr intime Textstellen hat der Herausgeber durch Auslassungspunkte ersetzt.
  6. Personen:
    • Joachim „Achim“, der mehrfach erwähnte Bruder des Autors, wurde gemäß seinen Erinnerungen[2] am 8. Mai 1945 oder kurz darauf gefangen genommen, galt zunächst – gemäß einer Nachricht, die der Autor am 17.4.46 erhielt – als vermisst und war seit Anfang Juli 1948 „nach 3 Jahren und 52 Tagen Gefangenschaft“ wieder zu Hause.
    • Albert war ein Schulkamerad des Autors, Ruth seine Ehefrau.
    • Carola ist die Ehefrau des Autors und Mutter des Herausgebers.
    • Janna ist Carolas Stieftochter.
    • Toddi und Peter sind die Spitznamen von Carolas Söhnen aus erster Ehe.
  1. In den Sammelmappen sind die Umschläge hinter den Briefen eingelegt!
  2. Die Daten müssen Links zu den entspr. Wiki-Artikeln werden, wie auch umgekehrt in der Chronik und den Artikeln Links hierher gesetzt werden müssen.
  3. Einige Briefe/Karten müssen sicher in das Tagebuch eingebaut werden, um seine Anschaulichkeit zu erhöhen und Texte zu verdeutlichen, und zwar nicht nur als Fußnote, sondern vielleicht jeweils in einem etwas breiteren Info-Kasten.
  4. Kurzadresse für Links im Wiki: [[FR#9.12.44|✉ an Eltern]] und in der DOCX: https://vexilli.net/w/FR%239.12.44


Text

Stichworte zur Korrelation mit dem Tagebuch

Unleserliches

Verschlüsselter Aufenthaltsort

Datum Poststempel

Ankunft

beant­wortet]

Feldpostnr.[3]

Briefstempel

A. Aus Kurland

und von der Fahrt dorthin

 

9.12.44
10.12.44 WANDERN NARVIKLAGER über ZIELENZIG

13.12.44

18.12.

66617 D

Liebe Eltern! Nach kurzem Aufenthalt in Meseritz bin ich nach Wandern weitergeleitet, als Kp-Führer. Es lohnt aber nicht, daß Ihr nach hierher schreibt, da wir hier wahrscheinlich weg sind, ehe Eure Post hier eintrifft. Wo es dann hingeht, ist unklar.

Ich schreibe Euch dann wieder. Meine Feldpostnummer ist: 66617 D.

Für heute herzliche Grüße!

Euer Herbert

Innenseite für den Brieftext
Verfärbungen lassen die nassklebenden Ränder erkennen
Außenseite für Anschrift und Absender
mit Linien zum Abschneiden der Kleberänder
Format: 135 × 199 mm
22.12.44
be 28.12.

ohne Umschlag

[Der 22. war kein Sonntag, sondern ein Freitag.]

Liebe Eltern!

Die Sonntage und Festtage sind bekanntlich traditionelle Reisetage bei der Wehrmacht. Und so sind wir also heute auf die Reise gegangen, und zwar denselben Weg, den ich in diesem Jahr schon 2× gegangen habe.

Die Weihnachtsfeiertage werde ich wohl noch in Ruhe verbringen + dann geht’s wieder los.

Die Post wird nun also sicher auch erst einmal eine Weile ausbleiben + dann spärlicher kommen.

Laßt Euch aber die Weihnachtsfeiertage dadurch nicht allzusehr trüben. Ich vertraue dem Herrgott und Er wird mein Schicksal schon so lenken, wie Er es für mich am besten hält. Und wir haben so viele schöne Weihnachtstage im Familienkreis(e) erlebt, daß ich auch mal ein paar weniger feierliche hinnehmen kann. Es freut mich, daß ich Euch wenigstens in Landsberg das Weihnachtsgeschenk noch übergeben konnte. Ich selbst habe noch 1 Weihnachts-Päckchen von Carola, das ich schon seit Landsberg mitschleppe. Außerdem haben wir von der Wehrmacht auch etwas Gebäck bekommen. Sogar die Stadt Berlin hat mir ein hübsches Bilderheftchen geschenkt!

Zum hl. Abend werde ich in Gedanken mit Euch feiern.

Viele herzliche Grüße!

Euer Sohn

Herbert

24.12.44
...44

66617 D

[maschinen­geschrieben]

Liebe Eltern!

Durch unvorhergesehene Hindernisse hat sich unser Weitertransport verzògert, so dass wir noch in D. den hl. Abend feiern kònnen. Ich bin aber trotzdem sehr beschàftigt, denn ich gehe von Zug zu Zug, um ùberall ein Weilchen mitzufeiern und eine kleine Rede zu halten. Um 22 Uhr treffen sich dann noch alle Offz.

Seid also bitte nicht bòse, wenn ich Euch nur ganz kurz ein gesegnetes Fest wünschen kann. Es ist eigentlich mehr Trubel, als Weihnachtsfeier. Aber die Mànner haben eine ganze Menge Gebàck bekommen. Sogar einen Riegel Schokolade!

Nàchstens mehr

Herzliche Grùsse!

Euer Sohn Herbert

26.12.44
28.12.44

3.1.45

be 5.1.45

66617 D

Briefstempel einer Einheit mit Klar­namen, aber nicht lesbar

Liebe Eltern!

Leider reicht die Zeit nur für einen kurzen Gruß! Ich bin soeben in meinem Bestimmungsort gelandet. Bin gesund und munter. Uuch Ihr hoffentlich! Unser endgültiger Bestimmungsort ist natürlich noch nicht bekannt. —

Hl. Abend haben wir noch im Reich (in D.) gefeiert. Die Kompanie hat mir zu Weihnachten 1 Buch und 1 Radierung von Danzig geschenkt. Es ist bereits verpackt + auf dem Weg nach Cammin.

Herzliche Grüße! Herbert

29.12.44
30.12.44

8.1.45

10.1.45

66617 A

Liebe Eltern!

Wir sind bereits wieder im Einsatz nicht weit eines größeren Küstenortes. Wir blicken nach Süden und hören an ruhigen Abenden das Meeresrauschen.

Zum Neuen Jahr wünsche ich Euch noch nachträglich viel Glück + Segen und hoffe, daß wir alle noch einige ruhige Friedensjahre verleben können.

Ich war ja nun fast ein ganzes Jahr zuhause. Es war ein sehr ereignisreiches + sehr glückliches Jahr. Nun wird wohl wieder ein „mageres“ Jahr folgen.

Bedeutende Ereignisse sind nicht zu vermelden.

Herzliche Grüße! Euer Herbert

31.12.44
01.1.45

66617 D

Sylvesterabend 19 Uhr

Mein Liebstes!

Jahreswende! Seit gestern hat es kräftig geschneit. Das Land ist weiß und still, nur in der Ferne rauscht das Meer. Wir liegen nicht weit weg vom Meer + blicken nach Süden. In unserer schneeweißen Winterbekleidung heben wir uns kaum vom Boden ab. Auch inwendig bin ich schneeweiß! So sehe ich ins neue Jahr mit Ruhe und Zuversicht. Allerdings werde ich, sofern der Iwan uns nicht stört, schlafend über die Schwelle des neuen Jahres gleiten. Wir wollen Gott bitten, Liebste, daß uns auch dieses Jahr ein wenig Glück bringen möge. Und ein ganz großes dazu!! Ist der Winzling artig? Und ob 1945 so eine Glückseligkeit bringen wird, wie 1944? Ich wage es nicht zu hoffen.

Ich sitze in einem Gehöft, dessen ein Haus zu einem Bunker ausgebaut ist. Wir sitzen hier warm + trocken.

Nun wünsche ich allen Hausgenossen unserer Sippe + Dir ganz besonders Glück + Gottes Segen für 1945. Dein treuer

Herbert

3.1.45
06.1.45

66617 D

Liebste!

Mir fiel kürzlich noch etwas ein, was mir in Wandern passiert war: Ich mußte dem Batl.-Schreiber einige Personalangaben machen, u.a. die Geburtstage der Kinder. Da ich diese nicht gleich auswendig wußte, mußte ich dem Schreiber sagen, er soll das offen lassen, ich würde sie ihm später sagen! Was der sich so gedacht hat, weiß ich, ohne Gedankenleser zu sein! — Schreib’ mir bitte gelegentlich Lenchens Geburtstag. — Unsere Verpflegung ist hier ziemlich mies. Pferdefleisch – ja klar, das macht fast gar nichts! — Es hat gewaltig getaut, sämtlicher Schnee ist wieder weg. Es regnet viel. Ich aber sitze trocken und warm. Heute habe ich mir ein Bett mit Drahtfeder-Matratze + 1 Strohsack aus dem Haus in den Bunker bringen lassen. Es ist schön weich, aber schmal, nur für 1 Person!! Ich bin sehr brav und denke viel an Dich, mein Liebstes! Immer Dein H.

(4)
5.1.45
07.1.45

66617 D

Liebste! Ich fange mit 4 zu nummerieren an, aber ich glaube, es ist schon Nr. 5.

Die 3. Kurlandschlacht ist beendet. Iwan hat einige 100m Boden gewonnen. Das ist alles. Wir selbst waren aber noch nicht dabei, sondern saßen inzwischen (und sitzen noch) auf einem ruhigen Posten.

Ich habe jetzt 1 Volksempfänger, mit dem ich immer Nachrichten + abends auch etwas Musik höre.

Mein Wehrsold um etliche Mark gestiegen: 90.- Wehrsold, 37.- Bekleidungszulage, 30.- Frontzulage. Davon geht dann allerdings immer etwas für Marketenderwaren, WHW usw. ab. Anfang Februar schicke ich Dir dann 200.- Mk.

Die Tage gehen hier eintönig dahin. Es ist ein Jammer, daß man diese schönen Jahre so vertrödeln muß. Wie froh bin ich, daß das vergangene Jahr uns soviel Freude und Auftrieb gegeben hat! Und das Jahr 1943 auch schon, ab 15. August! Du, mein Alles, ich liebe Dich sehr! Und ich bin immer noch ganz brav! Ob wohl meine Geliebte auch so brav ist??

Viele viele Grüße und zärtliche Küsse! Dein H.

(3)
5.1.44 [sic!]
06.1.45

be 18.1.45

66617 D

Liebe Eltern!

Die 3. Kurlandschlacht ist nun auch beendet. Der Russe hat so gut wie nichts erreicht. Wir selbst waren allerdings noch nicht dabei, sondern saßen inzwischen auf einem ruhigen Posten.

Es ist recht warm geworden, der Schnee ist völlig weggetaut. Zwar ist nun der Boden aufgeweicht, aber uns soll es recht sein, denn dann kann er nicht mit Panzern kommen, zumal hier in unserem günstigen Gebiet.

Ich habe ein Volksempfänger-Radio in unserem Bunker. Dieser Bunker, mein Gefechtsstand, befindet sich in einem Gehöft.

Heute gab es Wehrsold. Ich bekam 90.- Wehrsold, 37.- Bekleidungszulage und 30.- Frontzulage.

Herzliche Grüße! Herbert

(5)
8.1.45
09.1.45

66617 D

Liebste!

So allmählich habe ich mich wieder auf Pferdefleisch umgestellt. Aber ich bin dabei gesund und munter!

Da unser Abschnitt sehr ruhig ist, kommen jetzt dauernd Zivilisten, um ihre s.Z. vergrabenen Sachen abzuholen. Auch Hausrat ist noch viel in den Gehöften, Geschirr u. dgl., das wir teilweise in Gebrauch haben.

Gestern kam erstmalig Post. Sie lief genau 2 Wochen. Für mich war leider noch nichts dabei. Aber nun wird es nicht mehr lange dauern, bis ich Deinen 1. lieben Brief in Händen habe.

Du, wenn der Winzling erst da ist, dann muß ich Dir ja auch das Wirtschaftsgeld erhöhen! Ab 1. Mai also werde ich Dir 250.- Mk. überweisen lassen.

Viele viele heiße Küsse.

Dein Herbert

(6)
11.1.45
13.1.45

66617 D

Meine liebste Lola!

Jetzt weißt Du, wohin ich damals in Landsberg den geheimnisvollen Gang gemacht habe, nicht wahr? Ich habe Dir in der Buchdruckerei den Stempel bestellt. Privatleute bekommen ja solche nicht mehr, es sei denn, daß es ein Firmenstempel oder wenigstens ein Berufsstempel ist. Darum habe ich „Gewerbelehrerin“ hinzugeschrieben. Auch dann aber war es noch fraglich, ob die Druckerei es annahm, aber es hat ja geklappt! Die „Gewerbelehrerin“ kannst Du ja abschneiden.

Es ist spaßig, wie die Gewohnheiten der Vorgesetzten allmählich auf die Untergebenen übergehen. „Wie der Herr, so’s Gescherr!“ Da ich sehr sparsam mit Licht bin, getraut sich mein Kp.-Truppführer (sozusagen meine rechte Hand) nicht mehr, auch nur eine einzige Kerze anzuzünden. Wenn die Leute um Kerzen bitten, wirft er einen kurzen Blick auf mich und schmeißt die Männer raus! Der Spieß hinten traut sich überhaupt kein Licht mehr zu brennen! Auch meine pedantische Ordnung hat schon etwas abgefärbt, wenigstens in meiner Umgebung.

Wir machen hier gewaltigen Krieg, nämlich Papierkrieg! Es ist geradezu lachhaft, was für Blüten der Bürokratismus sogar hier vorn treibt. Wenn wir so weitermachen, können wir keine Brücken mehr bauen, weil das Holz zur Papierherstellung gebraucht wird. Es macht beinahe keinen Spaß mehr, eine Kompanie zu führen. Noch dazu bei unserem Oberbefehlshaber Gen.Oberst Schörner. Ich erzählte Dir sicher schon von ihm. Er bestraft sehr hart. Degradierungen sind an der Tagesordnung, Erschießungen sind auch nicht selten. Man weiß morgens nie, ob man abends noch als Lt. herumläuft.

Anbei 2 Päckchenmarken. Erschrick’ nicht über die 8 Pfund! Du weißt ja, daß es kein Wink mit dem Zaunpfahl ist. Wertvolle oder besonders leckere Sachen sollst Du mir sowieso nicht schicken. Die essen wir lieber gemeinsam im nächsten Urlaub. Augenblicklich ist ja leider noch U.-Sperre.

Ich habe mir gestern mal überlegt, wann es eigentlich mit uns am schönsten war. Aber ich kann es nicht sagen. Es war alles und immer voller Seligkeit, Glück und Lust. Und zwar sehr viel von allem, vor allen Dingen in der Landsberger Zeit, als die Sinne Triumph feierten!!

Ich liebe Dich sehr und bleibe Dir ewig treu! Dein H.

(4)
11.1.45
13.1.45

66617 D

Liebe Eltern!

Ich stehe in einem gewaltigen Krieg, nämlich im Papierkrieg! Der Amtsschimmel wiehert immer lauter! Es kommen dauernd Befehle über Papierersparnis, aber der Papierkrieg wird immer toller. Geradezu lachhaft! Es macht schon beinahe keinen Spaß mehr, Komp.Führer zu sein. Noch dazu, wenn man einen Mann wie Gen.Oberst Schörner zum O.B. hat. Er degradiert + erschießt + bestraft unglaublich hart. Und alle fürchten ihn deshalb.

Doch kann ich nicht klagen. Die Stellung ist ruhig, Verpflegung ausreichend, (ich bekomme augenblicklich Weißbrot).

Seit 3 Tagen kommt wieder Post aus der Heimat. Ich habe aber leider noch nichts dabei. Aber es wird ja nun nicht mehr lange dauern.

Sonst alles in Ordnung!

Herzliche Grüße!

Euer Herbert

(7?)
13.1.45
15.1.45

66617 D

[auf der Schreib­maschine, also beim Tross, ge­schrieben]

Meine liebste Lo!

Gestern las ich in der Zeitung eine Anordnung des O.K.W., wonach alle Wehrmachtsangehòrigen ihre entbehrlichen Zivilkleidung und ùberzàhligen Uniformen abzuliefern haben, und zwar im Rahmen des Volksopfers. Meine Meinung darùber zu àussern, ist zwecklos. Zur Sache nun folgendes: Erst wenn man Dich durch Presse, Rundfunk, persònliches Abholen oder sonstigen Befehl dazu auffordert, kannst Du der Reihenfolge nach abgeben:

  1. alle heereseigenen Sachen, die ich in dem Schubfach unten rechts habe. (Außer den grauen Lederhandschuhen, den gelben Wollstrùmpfen und einer Unterhose, die meine eigenen sind.) Alles andere muss ich abgeben, weil ich diese ùber den mir nach neuester Vorschrift zustehenden Etat hinaus besitze. Also z.B. grauer Pullover, grùne Handschuhe, Hemd usw.
  2. Meinen blauen Anzug
  3. Meinen weinroten Pullover
  4. andere entbehrliche Stùcke nach Deiner Wahl.

So weit gebe ich freiwillig. Wenn Du mehr abgeben musst, ist es nicht zu àndern. Dann kannst Du nach eigenem Gutdùnken aussuchen. Den braunen Anzug will ich aber unbedingt behalten.

Nun zu den Uniformen. Mir stehen zu: 2 Ròcke, 2 lange Hosen, 2 Reithosen, 2 Màntel. Uberzàhlig ist also nur der von Herrn Sùlflow angefertigte Rock. Alles andere steht mit etatsmàssig zu und darf mir nicht genommen werden! Wenn nicht anders, làsst Du Dir aus meiner Hochzeitsuniform ein Kostùm oder Anzùge für die Jungens machen. Aber das wird wohl auch schon strafbar sein, dann lass es lieber.

Was wir damals an alten Sachen auf dem Boden aussortiert haben, kannst Du ja auch noch geben. Im ùbrigen hoffe ich, dass nicht alles so heiss gegessen wird, wie es gekocht ist. Die unter 1 genannten Sachen gib auf alle Fàlle ab. Alles andere nur auf Befehl und nur soviel Du musst. Schliesslich brauchen wir fùr unsere eigenen 3 Kinder auch noch ein paar Sachen.

Nun zu Deinen vielen lieben Briefen, die ich innerhalb von 2 Tagen bekam. Es sind die Nummern 2, 3, 5, 10–16. Ich will sie Dir ganz kurz beantworten, denn ich bin heute mal hinten beim Tross und kann daher wieder einmal die Maschine benutzen.

Ja, wir waren eigentlich fùr eine andere Himmelsrichtung vorgesehen, sind aber in letzter Minute anders dirigiert worden.

Als alter Reiter bekomme ich so schnell keinen Muskelkater vom reiten. Ich kann ganz gut reiten, meinst Du nicht auch? – – – Auch làngere Pausen àndern daran nichts.

Die Jungens haben ja erstaunlich viel vom Christkind bekommen. Sie scheinen ganz besonders brav gewesen zu sein. Aber der Pappi war auch sehr sehr brav.

Koffer und Mantel habe ich durch die Frau eines Soldaten meiner Kompanie, der in Danzig wohnt und nochmal kurz zuhause war und meine Sachen mitnahm, schicken lassen. Hat doch schòn geklappt, nicht wahr?

Wenn ich Dir vieles zurùckschicke, dann tue ich es, weil mir die Sachen entweder für die Front zu schade sind, oder weil ich sie lieber im Urlaub in Ruhe geniessen will. Von der Seife hebe bitte etwas auf, damit ich im Urlaub immer schòn sauber bin! Drops hatte ich damals auch fùr mich noch genug, so dass ich die 5 Rollen entbehren konnte. Auch hier bekommen wir jetzt jeden 2. Tag ein Tütchen.

Sag mal, hatte Anni keine Angst, dass das Baby im Krankenhaus vertauscht wùrde? Ich denke immer, die verwechseln doch mal eins. Du musst bei unserem Winzling dann gut aufpassen! Wenn er so wirbelig ist, wird es sicher ein Màdchen, wie die Mami! Oder ein wilder Junge! Noch 3 Monate! Ich bin sehr gespannt, wie es wird. Meinen Eltern kannst Du es ruhig ankùndigen. Ich glaube auch, dass sie dann schon die Vorfreude mit auskosten kònnen. Und wenn Dir wider Erwarten ein Missgeschick passieren sollte, dann werden wir es in Geduld und Demut ertragen. Mach Dir darùber keine Sorgen, mein Liebstes. Auch wenn es ein Màdchen wird, haben wir keinen Grund zur Klage. Die Namen sind ja nun auch klar: Hans-Joachim oder Barbara. Bei einem 2. Jungen bin ich auch mit Hans-Jùrgen einverstanden. Wenn Du aber statt Barbara Maria lieber einen anderen Namen von den damals ausgesuchten nimmst, ist es mir auch recht.

Gestern abend habe ich unser Sternlein[4] durch mein grosses Fernglas angesehen. Der an sich schon prachtvolle Sternhimmel sah durch das Glas ùberwàltigend schòn aus. Und unser Sehnsuchtsstern war ganz nah! Ob die Erfùllung unserer Sehnsucht auch so nahe ist? Dann setzen wir die Serie der 106 Urlaubstage fort und fùgen noch einige sehr liebesvolle und liebestolle Tage hinzu! Du, ob es Sùnde ist, sich Sinnliches fùr den nàchsten Urlaub auszudenekn? Als ich gestern frùh um 6 Uhr aufwachte, blieb ich noch liegen, und dachte an Dich und unsere nàchste erste Urlaubsnacht. Es waren meine ersten sinnlichen Gedanken, seit ich wieder draussen bin. Ob das am Pferdefleisch liegt? Du, die mànnlichen Pferde sind zu gewissen Zeiten sehr wild und gefàhrlich. Aber ich will in Zukunft doch lieber wieder brav sein und mich auch, wie Du so schòn gesagt hast, um eine hòhere Form des Daseins, um eine hòhere Lebensform bemùhen.Und dann darf ich aber nicht so viel Sinnliches denken. Es ist aber nur gestern gewesen.

Noch einmal zum Pferdefleisch: Ein Fw. schreib seiner Frau, sie solle im nàchsten Urlaub nicht erschrecken, wenn er nachts plòtzlich zu wiehern anfange. Aber so schlimm ist es nicht mit dem Pf.fleisch. Es macht nur 1/3 der Fleischration aus und schmeckt z.B. als Klops sehr gut. Man macht eben seine Glossen darùber.

Wir sollen ùbrigens ein Armelband bekommen, wie z.B. die von Kreta und Afrika. Auf unserem soll draufstehen: „Immer dieselben!“ (nàmlich die, die vorn sind!)

Nun muss ich Schluss machen. Es wird schon dunkel, und ich muss wieder nach vorn. Ich habe hier hinten ùbrigens schòn gebadet und gut gegessen.

Anbei die Unterschriftenprobeblàtter.

Leb wohl, mein liebstes, heissgeliebtes, braves, in mkeinem Herzen für ewige Zeiten eingeschlossenes Màdchen, meine geliebte Frau!

In ewiger Treue

Dein

Herbert

(8)
17.1.45
18.1.45

66617 D

[Post­vermerk:] Verzogen nach Berlin Friedrichs­hagen Müggelsee­damm 122 Kr 12/2 [Die Flucht hatte am 29.01.1945 begonnen.]

Meine Allerliebste!

Gestern habe ich an Strenger, Bauer, Kurt + Anni geschrieben.

Eben habe ich von Dir einen Brief bekommen, aber noch nicht geöffnet. Knirpslein, hat das vergangene Jahr denn auch Schlechtes gebracht? Ich finde, nur Schönes! Selbst Landshut war, von heute betrachtet, schön! Das ganze Jahr war sehr sehr glücklich! Oder etwa nicht??!

Die Geburtsanzeige für unseren Winzling kannst Du selbst machen. Mir ist es schon so recht, wie Du es machen wirst. Aber Sorgen darfst Du Dir nicht machen, nur nicht, weil es dem Winzling vielt. schadet.

Heute habe ich den Eltern geschrieben, daß sie, wenn sie absolut wollen, Dir etwas zu einem Päckchen für mich zusteuern sollen, damit Du das 2 kg-Paket nicht allein füllen mußt!

[Der Rest hat evtl. auf einem verloren gegangenen Einlegeblatt gestanden.]

(9)
20.1.45
22.1.45

66617 D

Geliebte Frau!

Inzwischen ist Dein Brief 17 eingetroffen. Sie laufen im Durchschnitt 10 Tage.

Du schreibst mir immer so liebe Gedanken, und ich schreibe immer so viel Sachliches! Du weißt ja zwar, daß meine Kühle nur äußerlich ist, aber es ist trotzdem nicht richtig von mir, daß ich so wenig Liebes schreibe. Vielleicht sogar unverantwortlich? Wenn sich das Mädchen dann einen anderen zuneigt, der zärtlichere Briefe schreiben kann?? Aber was ich jetzt an Worten fehlen lasse, will ich im nächsten Urlaub an Liebestaten nachholen. Sonderbar, ich bin jetzt weniger eifersüchtig, als zu Hause, dabei hätte ich doch jetzt theoretisch viel mehr Veranlassung dazu. Es ist doch schön, wenn man so ganz vertrauen kann. Ich bin ganz brav, nur meine Gedanken fliegen manchmal zu Dir und gehen dann schlimme Wege. Dann muss ich schnell aufhören, an Dich zu denken. Das will ich jetzt auch tun und schnell erst einmal sachlich werden.

Vom Volksopfer schrieb ich Dir schon, bevor Dein Brief ankam. Ich las es in der Zeitung. Hinzufügen muß ich noch, daß mein Wettermantel ebenfalls zu meinem Etat gehört, und mir also nicht genommen werden darf. Was Du an alten Spinnstoffen, wie Teppiche, Gardinen etc., nicht mehr gebrauchen kannst, kann natürlich abgegeben werden. Denk’ aber daran, daß wir für unsere 3, später wahrscheinlich 5 Kinder auch noch etwas gebrauchen. Wenn es möglich ist, laß Dir die Abgabe der größeren Stücke quittieren. Daß ich durch die große Opfersammlung, die hier durchgeführt wird, und zu der ich 300.- gegeben habe (freiwillig!) nicht in der Lage bin, Dir Deine 200.- schon am nächsten Ersten zurückzuzahlen, schrieb ich Dir schon.

Daß Rommelers unter den veränderten Verhältnissen nun doch Miete zahlen, ist mir recht. Über die Summen seid Ihr Euch ja schon einig.

Hans-Jürgen finde ich sehr schön, und ich bin sogar dafür, daß wir den nächsten Jungen so nennen. Und mit dem 2. Namen vielleicht Helmut oder Wolfgang. Übrigens: Du denkst doch nicht etwa an ein Mädchen?? Knirpslein??!!

Den Eltern habe ich geschrieben, daß sie harken sollen. Wenn sie schlau sind, sind sie schon in Berlin.

Gefällt Dir der Stempel? Ich finde ihn sehr schön und habe mich gefreut, daß ich ihn noch bekommen habe, denn er war ja, außer der Tube [Jute, Tüte?] + der Büchse Kreme, das beste Geschenk. Die Hautkreme, die ich vom Schiff schickte, ist wohl auch sehr ordentlich.

Der Mann, der Dir so sehr am Herzen liegt, ist Komp.-Führer in einem M.G.-Batl.. Und dieses Batl. untersteht einem K. [Armee-Korps], gewissermaßen als Reserve. Aber die Reserve ist nur Theorie.

Es ist jetzt winterlich geworden. Schneetreiben. Manchmal sternklare Nächte. Oft sah ich unser Sternlein in letzter Zeit. Es steht jetzt schon immer recht tief am Himmel. Aber dafür höre ich das Rauschen des Meeres hinter dem Wald und überlasse mich bei dieser Musik ganz den Erinnerungen an die Heimat. Es ist dasselbe Meer, an dem auch Du wohnst. Und wie ich meinen Blick über das Sternlein zu Dir sende, so übergebe ich auch dem Meeresrauschen meine Grüße an Dich, daß es bis an Deine Ohren dringt und Dir von meiner Liebe erzählt. So ewig und unveränderlich, wie das Meer, ist auch meine Liebe zur Dir, meine Geliebte. Wie die Wellen unaufhörlich auf die Küste zulaufen, oder die Brandung die Küste überstürzt, will ich unermüdlich zu Dir stehen, oder im Sturm Dich überfluten!

Ich liebe Dich! Dein treuer Herbert

N.B. Unsere Bunker und Kampfstände haben alle Namen. Weißt Du, wie mein Gefechtsstand heißt? – „Carola“! Ich habe ihn so getauft. Und wie komisch: Unter den Namen ist auch eine „Anni“ + eine „Mia“!

(10)
23.1.45
30.1.45

66617 D

Meine innig geliebte Frau und Knirpsenmami!

Gestern erhielt ich Deine lieben Briefe 18 + 19. Einer ging nur 9 Tage. Wir bekommen sie (die Post) immer abends mit der Verpflegung nach vorn.

Gestern hat uns Iwan erstmalig heftig beschossen und wollte dann angreifen. Er war schon bis auf 300m herangekommen. Aber unsere Artillerie hat ihn zusammengedonnert. Nach Überläuferaussagen hatte er 10 Tote und ca. 40 Verwundete. Dem Überläufer wurde es daraufhin zu bunt, und er kam zu uns. Die Iwans zogen sich dann im Schutz der Dunkelheit zurück. Es hat ihnen genügt! 2 Gefangene hat unser Nachbar auch noch gemacht. Nun ist wieder Ruhe, ein bischen.

Mein liebstes gezähmtes Wirbelchen, Du mußt mich nicht immer so loben, sonst glaube ich selbst noch, ich sei ein guter Mensch und werde dann zum Pharisäer, die Du gerade so kritisiert hast. Aber Deinen Weihnachtswunsch will ich Dir gern erfüllen. Wir wollen uns nach dem Krieg, und natürlich auch schon jetzt + im Urlaub, bemühen, eine wirklich ideale christliche Ehe zu führen, indem wir einander vertrauen, uns zu verstehen suchen, und bei Verfehlungen verzeihen wollen, uns innig lieben und die Kinder zu guten Menschen erziehen wollen. Ach ja, Liebstes, es wird sicher nicht leicht sein, aber umso beglückender, wenn es uns gelingt.

Sag mal, was träumst Du eigentlich immer für böse Dinge?? Du tust Schlimmes ohne mich??! Und schlimmer als Erholung??!! Das ist ja schon verdächtig und eigentlich schon strafbar! Na warte, wenn ich wieder nach Hause komme, dann werde ich Dich von Deiner träumerischen Untreue schnell heilen!! Weißt Du, wie? und womit??Ich dagegen stehe wieder einmal völlig rein da! Dein schwarzer Verdacht, daß meine nachträglichen Weihnachtsgeschenke für Dich von meinen Freundinnen seien, hat sich ja natürlich als völlig falsch erwiesen!! Das weihnachtliche Verpackungsmaterial etc. stammt aus dem Weihnachts-Päckchen, das mir der Bezirk Charlottenburg geschickt hat (u.a. das Malerei-Heftchen). Und im übrigen muß ich es Dir doch gestehen: Leider hat keine meiner diversen Freundinnen zu Weihn. an mich gedacht. Keine einzige!!!!

Nun will ich aber wieder brav sein. Heute geht auch ein ganz kleines Päckchen an Dich ab. Inhalt: 20 Zigaretten und Bindfaden, den ich in mühsamer Knüpfarbeit aus einem Fischernetz gewonnen habe. Der Faden ist gut, aber leider habe ich ihn durch die scharfen Fingernägel stellenweise lädiert.

Meine Gedanken, die um Dich kreisen, sind schon verschieden. Manchmal denke ich in reiner, fast platonischer Liebe an Dich, und dann kommen wieder Tage (meist, wenn ich im Bett liege, ohne zu schlafen), wo ich schrecklich sinnliche Gedanken habe + sehr begehrlich an Deinen Körper denke! Diese Minuten, abends vor dem Einschlafen und morgens nach dem Erwachen, sind die gefährlichsten. Aber dennoch bin ich bisher immer noch sehr brav gewesen, noch nicht ein einziges Mal unartig!!

Du, ich liebe Dich über alles, Dein ganzes Wesen, Deine Seele, Deinen wirbeligen Geist, Deine klugen Gedanken, Dein liebevolles Herz, Deinen Freude spendenden Körper, alles, alles liebe ich an Dir und niemals lasse ich Dich mehr von mir fort.

In unendlicher Liebe

Dein Herbert

27.1.45
30.1.45

66617 D

Absender: Karl Woock

Sehr geehrte Frau Schrödter,

da Ihr Herr Gemahl im Moment keine Zeit und Gelegenheit hat, um ein Lebenszeichen an Sie zu senden, bin ich beauftragt worden, dieses zu erledigen. Herr Leutnant Schrödter ist bei bester Gesundheit u. lässt vielmals grüssen u. wird sofort von sich hören lassen, sobald es geht.

Heil Hitler

Woock Gefreiter

28.1.45
30.1.45

66617 D

Meine Liebste!

Ich habe mir schon große Vorwürfe gemacht, daß ich so lange nicht geschrieben habe. Aber ich hatte wirklich keine Zeit. Wir sind jetzt aus unserem ruhigen Abschnitt in richtigen Einsatz gekommen. Und da war bisher keine Zeit zum Schreiben.

Außerdem hause ich jetzt wieder viel in Erdlöchern usw., wo kaum Platz zum Liegen, geschweige denn zum Schreiben ist. Ich habe daher schon meinen 1. Schreiber, der ja hinten beim Troß sitzt, beauftragt, an Dich zu schreiben, damit Du überhaupt mal hörst, daß ich noch lebe!

Es ist jetzt sehr kalt geworden. Eigentlich müßte ich Dir furchtbar viel erzählen, aber es sind alles kriegerische Dinge, die Dich weniger interessieren bzw. unnötig aufregen. Ich habe übrigens schon wieder eine Anerkennung bekommen. Aber auf solche billigen Worte pfeife ich etwas.

Was macht unser Winzling? Geht es ihm gut, ist er brav? Du kannst mir ja ein Telegramm schicken, wenn es soweit ist. Z.B.: „Hans-Joachim ist da/alles gesund“.

Du mußt Dir nun wirklich keine Sorgen machen, wenn ich längere Zeit nicht schreibe. Du siehst, es ist manchmal einfach keine Zeit. Außerdem habe ich meine Kartentasche, in der sich alles Schreibmaterial befindet, zum Troß nach hinten gegeben, damit ich hier vorn nicht zu viel am Koppel zu hängen habe. Das hindert alles nur die Bewegungsfreiheit in den engen Gräben + kleinen Bunkern. Ich lasse mir dafür jeden 3. Tag Brief-papier + Bleistift mit der Feldküche mitbringen + schreibe dann einen kurzen Gruß.

Mein Allerliebstes, das wird Dir alles gar nicht gefallen. Und Happi ist gar kein Mustergatte. Aber ich mache später alles tausendmal gut.

Entschuldige bitte die schlechte Schrift. Ich schreibe nämlich auf einer Zigarrenkiste.

Nächstens mehr. Für heute tausend liebste Grüße!

Dein

Herbert

Rücke rechtzeitig ab, wenn die Russen kommen!! Warte nicht zu lange!! Ich glaube, Mecklenburg ist noch das sicherste. Hast Du dort keine Verwandten?

28.1.45
30.1.45

12.1. [2.!] 45

..... D

Liebe Eltern!

Seit einigen Tagen sind wir im Einsatz. Ich habe wieder einmal eine „Anerkennung“ mit Händedruck vom Kdr. bekommen. Aber auf solche billigen Worte pfeife ich was.

Das Leben ist jetzt wieder unbequem und wenig schön. Aber es muß ja gehen.

Seid Ihr nun wieder in Berlin? Ich hoffe, Eure „Absetzbewegung“ ist reibungslos vonstatten gegangen!? Hoffentlich habt Ihr noch ein paar Sachen wegbekommen.

Nächstens mehr. Aber macht Euch keine Sorgen, wenn ich jetzt seltener schreibe.

Herzliche Grüße!

Euer Herbert

(12?)
31.1.45
02.2.45

66617 D

Meine liebe Carola!

Jetzt bekommen wir die uns eigenen Aufträge, womit leider immer ein dauerndes hin- und herfahren (d.h. = laufen!) verbunden ist. Heute hier, morgen da, immer dort, wo „was los“ ist. Du darfst Dir also keine Sorgen machen, wenn ich tatsächlich mal 1 Woche lang nicht schreibe. Es geht einfach nicht immer. Denk’ an unseren süßen Winzling und sorge Dich nicht, damit der Winzling nicht schon krank zur Welt kommt. Der Herrgott wird mich schon beschützen. Und wenn es anders kommen sollte, dann bin ich eben schon früher in eine bessere Welt eingegangen, in die Du mir später nachfolgen wirst. Ich war bisher sehr brav + hoffe sicher, daß der liebe Gott mich in sein Reich aufnehmen wird.

Dein Brief 25+26 habe ich erhalten. Ich bin leider mit meiner Nummerierung völlig aus der Reihe gekommen, nachdem ich meine Kartentasche mit Kalender zum Troß gegeben habe.

Ein Bonbon-Päckchen habe ich ebenfalls dankend erhalten.

Die Kniewärmer schickte ich nur, weil ich sie nicht gebrauchen kann.

Meine Befürchtungen, daß ich fast alle Zivilsachen und 1 Uniform abgeben müßte, haben sich, Gott sei dank, als übertrieben erwiesen. Oder hast Du von meinen Anzügen und Uniformen abgeben müssen?

Den wirklich guten Zeitungsausschnitt über die Freude schicke ich Dir zum Aufheben zurück.

Schreibe bitte auch den Eltern, daß ich augenblicklich wirklich mir nur mit Mühe die Zeit für 1 Brief nehmen muß + daß Du ihnen dafür meine Nachricht weitergibst, wenn ich gar zu selten an sie schreibe. Wo mögen die Eltern stecken? Ob sie noch rechtzeitig weggekommen sind? Ich glaube nicht, daß sie noch viel Sachen zurückgeschafft haben.

Die 4. Kurlandschlacht ist im Gange, und wir sind mitten drin. Aber wenn Du diesen Brief bekommst, ist sie vielleicht schon vorüber. Und wenn mein ganzes Denken und Handeln augenblicklich auch auf den Krieg gerichtet ist, so glüht doch im Innersten meines Herzens still und unauslöschlich die Glut meiner Liebe zu Dir, bis sie nach dem Krieg zu heller Lohe emporschlägt.

Viele tausend liebste Grüße + Küsse!

Dein Herbert

Grüß’ die Siggi!

[Beilage: Zeitungsausschnitt „Gibt es noch Freude?“ von Ursula von Kardorff, 22. Dez.]

2.2.45
03.2.45

66617 D

Briefstempel DSt FPNr ..224 [Lazarett?]

Liebste!

Es ging hier in den letzten Tagen sehr hart zu, aber nun bin ich für einige Wochen der Front entzogen. Ich bin nämlich wieder einmal verwundet: Oberschenkel-Durchschuß. Nun ist das hier in Kurland leider so, daß nur schwere Fälle ins Reich kommen. Da meine Verwundung aber keine 8 Wochen zur Heilung benötigt, werde ich hier in einem Lazarett auskuriert. Das ist sehr schade! Ich will alles versuchen, um doch noch nach Hause zu kommen. Es ist aber wenig Aussicht. In Unkenntnis der strengen Bestimmungen glaubte ich, das wäre ein Heimatschuß und habe meinen Hauptfeldwebel beauftragt, meine ganzen Eigensachen nach Cammin zu schicken. Jetzt kommen die Sachen bei Dir an, und ich sitze hier.

Ich bin in dieser schweren Zeit in Gedanken immer bei Dir.

In Treue Dein Herbert

Rücke rechtzeitig ab, bevor die Russen kommen!!

2.2.45
03.2.45

66617 D

Briefstempel DSt FPNr ...24 (Lazarett?)

Liebe Eltern!

Nun bin ich wieder für einige Wochen der Front entzogen, denn ich bin wieder leicht verwundet: Oberschenkel-Durchschuß. Glatter Durchschuß, reine Fleischwunde. Da solche leichten Fälle hier ausgeheilt werden, komme ich leider nicht ins Reich. Ich versuche natürlich trotzdem, nach Hause zu kommen.

Für 6 Wochen habe ich nun wieder Ruhe. Wer weiß, was sich bis dahin alles geändert hat.

Mir geht es gut. Von Euch hoffe ich dasselbe.

Nächstens mehr. Wo ich endgültig bleibe (ich meine im Lazarett) weiß ich noch nicht.

Herzliche Grüße!

Euer Herbert

4.2.45
05.2.45

66617 D

Liebste, süße Knirpsenmami!

Heute nur ein kurzer Brief, da ich im Liegen schreiben muß, was sehr anstrengend ist.

Ich liege hier in 1 Lazarett in der Nähe von Libau [nämlich in Grobin]

Es besteht noch eine leise Hoffnung, daß ich ins Reich verlegt werde. Ich schrieb Dir schon, daß man leichte Fällen gar nicht erst aus Kurland herausläßt, sondern hier ausheilt. Es kommt nun darauf an, wie der Arzt meine Verwundung beurteilt. Die Ärzte sind in dieser Hinsicht auch an ganz strenge Vorschriften gebunden.

Vielleicht schenkt uns der gütige Herrgott noch einmal ein paar Wochen gemeinsamen Ehelebens.

Bleib Treu, Geliebte.

Dein Herbert

4.2.45
[ungestempelt]
Liebe Eltern,

Heute nur eine kurze Nachricht, damit Ihr nicht unruhig werdet.

Ich liege jetzt in einem Lazarett in der Nähe von L.

Es besteht eine leise Hoffnung, daß ich ins Reich verlegt werde. Die Verwundung ist so leicht, daß sie in wenigen Wochen ausgeheilt ist. Solche Fälle läßt man meist gar nicht nach Haus aus Kurland.

An Achim habe ich heute auch geschrieben.

Nächstens mehr.

Herzliche Grüße!

Herbert

5.2.45
08.2.45

66617 D

Meine Allerliebste!

Bisher hat alles geklappt: Mein Abtransport ins Reich ist vorgesehen. Nun warte ich nur noch auf das Lazarettschiff. Leider ist dessen Ankunft sehr unbestimmt.

Außer mir liegt noch ein Offz. hier. Wir beide warten nun mit Ungeduld auf den Rücktransport.

Hoffentlich hast Du nicht schon das große 2kg-Päckchen abgeschickt! Es wäre schade, wenn mich auch dieses wieder nicht erreicht. Ich habe aber so ein Gefühl, als wenn es schon unterwegs ist!!

Ich freue mich schon sehr auf unser Wiedersehen. Vielleicht bin ich schon eher da, als dieser Brief.

Wir hatten eine paar tolle Einsatztage. Mein Oberschenkel-Durchschuß ist ein idealer Heimatschuß.

Auf baldiges, frohes Wiedersehen!

Dein treuer Herbert

5.2.45
08.2.45

66617 D

Liebe Eltern!

Der Arzt hat meiner Verlegung ins Reich zugestimmt. Nun warte ich nur noch auf das Lazarettschiff, das in den nächsten Tagen kommen muß.

Die Verwundung ist ein glatter Durchschuß, wie damals meine erste Verwundung am Arm. D.h. aber Heimatschuß! Leider kam er etwas zu früh, denn ich war zum EKI eingereicht und kam nun aber fort, bevor die Bestätigung zurück war, Wer weiß, wann + ob mich das nun erreicht.

Sonst nichts Neues.

Auf ein baldiges Wiedersehen!

Euer Herbert

9.2.45
10.2.45

39030

Meine geliebte Frau!

Du weißt nun schon, wie es beim Kommiß zugeht: Rein in die Kartoffeln – raus aus den K.! Zwar bin ich inzwischen bis Libau transportiert und soll auch mit dem nächsten Laz.Schiff in die Heimat kommen, aber es ist trotzdem noch ungewiß, denn die letzte Instanz, die Kontrollkommission hier in L., die über die Schwere der Fälle entscheidet, habe ich noch nicht passiert. Mein Fall ist nicht schwer. Ich muß also Glück haben oder einen gutmütigen Arzt. Sollte es also mit diesem Wiedersehen nichts werden, dann müssen wir uns auf eine spätere Zeit vertrösten. Ich will dann dem Herrgott dankbar sein, daß er mich wenigstens für einige Wochen von der Front befreit hat. Es wäre nur deshalb schade, weil ich den Eintritt unseres Winzlings in die Welt nicht miterleben könnte. Dann hätte ich sogar sicher bei Dir sein können.

Mit der Post ist es nun ganz verrückt. Meine Komp. schickt sicher alles an Dich zurück, denn ich habe ihr mitgeteilt, daß ich ins Reich komme, und daß sie alles zu Dir schicken soll.

(Entschuldige die Schrift, ich schreibe im Liegen im Bett.)

Süße Küsse! Dein Happi

(1)
10.2.45
11.2.45

39030 (nur vorüber­gehend!)

Meine innig Geliebte!

Da ich mit der Nummerierung völlig durcheinandergekommen bin, fange ich wieder mit 1 an.

Nun muß ich Dir zunächst leider eine Enttäuschung bereiten: Mit meiner Reise nach Deutschland wird es nichts. Nachdem ich 2 Ärzte überredet habe und bis L. gekommen bin, hat die letzte und höchste Instanz hier in L. abgelehnt. Es kommen nur Fälle ins Reich, die länger als 8 Wochen brauchen. Meine Wunde aber ist in ca 4–6 Wochen ausgeheilt. Ich selbst habe mich mit dieser Tatsache schon wieder abgefunden. Mir tut nur meine arme Knirpsenmami leid, die sich nun auch vergeblich gefreut hat. Soviel Glück, nach fast einjährigem Zusammensein nur nach 3 monatiger Unterbrechung schon wieder zusammen sein zu dürfen haben wir anscheinend noch nicht verdient. Ich habe viel zum Herrgott gebetet, obgleich ich mir klar war, daß man ihn eigentlich mit so lächerlichen persönlichen Wünschen nicht belästigen sollte. Ich will auch mein bzw. unser Schicksal geduldig ertragen. Der Herr hat es bisher immer zu unserem Guten gelenkt. Vielleicht tut er es auch weiterhin. Und selbst wenn uns auf dieser Erde nur noch Kummer und Sorge erwartet, kann es der Herrgott trotzdem noch gut mit uns meinen, indem er uns , wenn wir es demütig tragen, mit der ewigen Seligkeit belohnt. Wir müssen uns von dem Gedanken frei machen, auf dieser Erde noch das Glück zu finden. Diese Erde bleibt ein Tal der Tränen, und das wahre Glück ist nur im Jenseits. Ich denke immer an die Gottesmutter, die trotz aller Reinheit alle Schmerzen ertragen mußte, die man sich auf dieser Welt nur denken kann.

Mit der Post wird es nun in nächster Zeit sehr schlecht werden. Da ich meiner Komp. meine Rückkehr ins Reich mitteilte, schickt sie nun wahrscheinlich alle Sachen + auch die ganze Post an Dich zurück. Wundere Dich also nicht, wenn alles als Unbestellbar zurückkommt.

Sobald ich endgültig 1 Laz. zugewiesem bin, schreibe ich der Komp. die F.P.Nr., und dann kann mir die Kp meine Post dorthin nachschicken. Darüber vergehen aber sicher 14 Tage. Gerade als ich verwundet wurde, war in L. wieder ein ganz großer Schub Post angekommen. Davon habe ich leider nichts mehr abbekommen. Und die geht nun alle wieder zurück!

Nun zu Dir! Knirpslein, Du mußt auf den Schwung aufpassen! Die Russen können eines schönen Tages in C. sein. Ich weiß nicht, ob dort Evakuierungsmaßnahmen getroffen wurden. Rücke nicht zu spät ab! Schlimmstenfalls läßt Du alles stehen + liegen + rettest das nackte Leben. Ich nehme an, daß Du das Allernötigste zum Mitnehmen schon fertig gepackt hast! Schleppe aber nicht zuviel, damit unser Winzling nicht leidet.

Ich will Dir mit diesen Zeilen nicht etwa Angst machen, sondern Du sollst Dich nur in Ruhe auf den Fall des Abmarsches vorbereiten. Sachen, die Du nicht mitnehmen kannst, die aber sehr wertvoll sind (vor allem Kleidung) kannst Du z.B. vergraben. Die Russen haben das immer so gemacht. Aber möglichst so, daß die lieben Nachbarn nichts davon sehen. Wenn möglich, kannst Du sie auch in eine Kellernische einmauern, dazu würde ich Dir unbedingt raten, da Du doch nicht alles mitnehmen kannst.

Hast Du schon überlegt, wohin Du ev. gehen kannst? Zur Not kannst Du Dich vielleicht an Kurt oder Rudi halten. Berlin scheint mir jedoch auch nicht sicher genug, zumal der Weg dorthin dann kaum noch frei sein dürfte. Hast Du nicht in Mecklenburg, Hannover [im nächsten Brief steht stattdessen hier Holstein], Thüringen oder in dieser Gegend Verwandte, wo Du unterkommen könntest?

Es ist zu dumm, daß ausgerechnet jetzt die Postverbindung mit uns beiden nicht klappt. So können wir uns nicht verständigen. Bei aller Sorge aber und aller Aufregung: Bleib ruhig + mach Dir wenigstens meinetwegen keine Sorgen. Das Wichtigste ist, daß der Winzling durch diese ganze Geschichte keinen Schaden leidet. Es ist schon schlimm genug, daß er in eine so unruhige Zeit geboren wird.

Mir selbst geht es gut.

Nächsten mehr.

Viele Grüße an alle Hausgenossen und ganz besonders an Dich!

Immer Dein

Herbert

(Ich fürchte, Du kannst nur die Hälfte lesen!)

10.2.45
11.2.45

an 3.3.45

be 4.3.45

39030 (nur vorüber­gehend!)

Liebe Eltern!

Es geht beim Kommiß immer „rein in die Kartoffeln – raus aus den Kartoffeln!“ Nach dem neuesten + wahrscheinlich endgültigen Befund bleibe ich hier in Kurland. Der Arzt schätzt, daß die Wunde in 4 Wochen geheilt ist. Ins Reich kommen aber nur Fälle, die länger als 8 Wochen dauern. 2 Ärzte haben meinen Vorstellungen nachgegeben + mich für die Heimat bestimmt. Die letzte + höchste Instanz aber, hier in L, will mich nicht durchlassen. Die Bestimmungen sind sehr streng. Na, ich habe mich schon wieder damit abgefunden, daß ich hierbleiben muß.

Mit der Post gibt es nun allerdings ein Durcheinander. Da ich der Komp. mitgeteilt habe, daß ich ins Reich komme, geht wahrscheinlich meine ganze Post an die Absender zurück. Wundert Euch also nicht, wenn Ihr Eure Post zurückbekommt. Sobald ich endgültig einem Laz. zugewiesen bin, kann mir die Kp. die Post dorthin nachschicken. Leider erfahre ich dadurch wahrscheinlich erst in 14 Tagen, wie es Euch ergeht. Mir geht es jedoch alles ganz gut.

Herzliche Grüße!

Euer Herbert

(2)
11.2.45
12.2.45

39030 (nur vorüber­gehend)

Meine Geliebte!

Ich mache mir Vorwürfe, daß ich Dir die ganze Geschichte mit der eventuellen Rückkehr ins Reich überhaupt geschrieben habe. Hätte ich nichts gesagt, dann hätte ich Dir eine große Enttäuschung erspart. Aber wie man’s macht, ist es falsch. Ich werde diesen Fehler nicht noch einmal machen.

Der Arzt will mich trotz der Ablehnung vorerst doch noch hier in L. behalten. Er sagt, dass es vielleicht doch noch durch irgend einen Zufall möglich sei, mich abzutransportieren. Eine vage Hoffnung! Nüchtern gesehen, völlig aussichtslos, und dennoch möchte man gern dran glauben + tut es auch.

Einen wie breiten Raum nimmt doch das Sehnen und Hoffen im menschlichen Leben ein! Und wie kurz und selten sind die Minuten erfüllter Wünsche, Hoffnungen + Sehnsüchte! Und oft wurden die Erwartungen nicht einmal erfüllt. Wir allerdings brauchten die letztere Erfahrung noch nicht zu machen. Im allg. verliert ein langes Glück an Intensität allein schon durch seine Dauer. Wir aber haben jeden Tag neu erlebt, als wäre es der letzte. Und dies fast 1 Jahr lang!

Heute am Sonntag habe ich dich den ganzen Vormittag im Geist begleitet.

Zur Russenfrage will ich meine im gestrigen Brief gemachten Vorschläge wiederholen (falls mal 1 Brief verloren geht)
1.) Rechtzeitig abrücken
2.) Das Nötigste zum Mitnehmen schon fertig gepackt hinstellen
3.) Andere wichtige Sachen im Keller einmauern oder im Kurpark vergraben (möglichst ungesehen!)
4.) Rückzug nach Mecklenburg, Holstein, Thüringen oder ähnliche einigermaßen sichere Gegend. Hast Du dort vielleicht Verwandte? eventuell auch Anschluß an Kurt, Rudi oder Eltern.
5.) Keine Aufregung, wegen Winzlings Gesundheit!!

Bleib brav und tapfer, meine Liebste! Immer dein Happi.

12.2.45
13.2.45

26.2.

39030 (vorüber­gehend!)

Liebe Eltern!

Daß also diesmal mit der Heimkehr ins Reich nichts geworden ist, schrieb ich schon. 2 Ärzte habe ich überreden können, aber die letzte und ausschlaggebende Instanz hier in L. hält meine Verwundung für so leicht, daß ein Transport ins Reich nicht notwendig ist. Sie sagen, in 3 Wochen ist alles gut. Ich bin der Ansicht, daß es 5 Wochen dauern wird. Aber die Sache ist ja nun entschieden.

Der Arzt hier ist sehr nett. Er will mich vorerst noch in L. behalten, falls sich vielleicht zufällig doch noch eine Möglichkeit ergeben sollte, mich abzutransportieren. Eine vage Hoffnung!

Eure Post werde ich, wie gesagt, wohl erst spät bekommen. Einen Teil wird die Kp. schon an die Absender zurückgeschickt haben (in der Annahme, ich sei ins Reich gekommen). Später wird sie mir die Post nachschicken. Das geht aber erst, wenn ich endgültig einem Lazarett zugewiesen bin.

Ansonsten geht es mir gut. Lazarett, Betreuung, Verpflegung gut. Mehr kann man augenblicklich nicht verlangen.

Herzliche Grüße! Euer Herbert

(4)
15.2.45
18.2.45 SCHLAWE (POM)

39030 (vorüber­gehend)

Geliebte Frau!

Noch 2 Monate, und dann kommt unser Winzling zur Welt. Gebe Gott, daß er gesund ist. Hast Du Dir schon überlegt, wer Pate sein soll? Ich hatte ursprünglich an Albert gedacht, aber das läßt sich ja wohl praktisch nicht durchführen, denn der Pate muß doch sicher anwesend sein. Du kannst in dieser Frage tun, wie Du willst, denn zu einem gegenseitigen Gedankenaustausch ist die Zeit wahrscheinlich in der augenblicklichen Lage zu kurz.

Wenn die Lage in Pommern so unsicher bleibt, dann rate ich Dir, für die Zeit der Entbindung an einen ruhigeren Ort zu gehen.

Nun will ich Dir ganz kurz den Vorgang meiner Verwundung erzählen: Ich sollte mit meiner Komp (meiner zusammengeschmolzenen Kp) ein Gehöft im Gegenstoß wiedernehmen. Als ich etwa 300–400 m vom Geh. entfernt bin, sehe ich in dem Gebüsch vorm Haus (ca. 200 m) Mündungsfeuer aufblitzen und fühle im selben Augenblick einen dumpfen Schlag am linken Oberschenkel. Der Schlag tat gar nicht weh. Die Schmerzen kamen erst allmählich, waren aber nicht sehr groß. Ich übergab die Kp einem Fw, der den Angriff weiterführen sollte + ließ mich von 1 Sanitäter zurückbringen.

Der Angriff ist, nachdem ich fort war, nicht einen Schritt mehr vorwärtsgekommen. Der Fw hat ihn einfach abgebrochen.

Ich liege noch in L. Bett, Verpflegung gut. Mir geht es gut.

Der Brief geht wieder mit 1 Kameraden mit, der ins Reich kommt.

Bleib brav, meine Liebste. Ich bin auch ganz artig.

Ewig Dein Herbert

15.2.45
27.2.45 [Ort unleserlich] (Westmark)

1.3.45

39030 (vorüber­gehend)

Liebe Eltern!

Hier ist nichts Neues zu melden. Mir geht es gut. Heute soll ich schon etwas aufstehen.

Übrigens wollte ich Euch nochmals daran erinnern, daß es bei Bombenschaden (natürlich schwerem) und sonstigen Unglücksfällen (sehr schwere Erkrankung nächster Angehöriger etc) Sonderurlaub geben kann. Wir wollen zwar nicht hoffen, daß derartiges eintritt, aber ich wollte nochmal daran erinnern.

Diesen Brief gebe ich einem Kameraden mit, der heute mit dem Schiff ins Reich transportiert wird.

Die nächsten Briefe werden wieder in eher größeren Abständen folgen, da mein Papiervorrat wieder zur Neige geht.

Ich liege noch in L.

Herzliche Grüße!

Euer Sohn

Herbert

(5)
17.2.45
18.2.45

39030 (vorüber­gehend)

Meine geliebte Frau!

Jetzt in der Lazarettzeit kommt man wieder zur Selbstbesinnung. Und da taucht immer wieder die Frage auf, warum wir so lange getrennt sein müssen. Immerhin, wir dürfen uns noch nicht beklagen. Was wir bisher nur einige Monate erdulden, ertragen andere schon seit 6 Jahren. Schmerzlich bleibt es natürlich trotzdem; aber ich will mich nicht passiv der Trauer hingeben, sondern diesem Umstand noch etwas Positives abgewinnen:

Der Wert eines Menschen zeigt sich immer erst bei Belastungsproben, und die härteste ist wohl der Krieg. Darin sehe ich sogar eine positive Seite des Krieges, daß er den wahren Charakter eines Menschen herausschält, ihn prüft. Glück und Genuß formen keine Menschen. Darum nehme ich alle Härten des Krieges auf mich, um mich an ihnen zu stärken + zu formen. Die lange Trennung von Dir macht Dich mir nur umso begehrenswerter und wird mich das Glück unseres späteren Zusammenseins umso bewußter auskosten lassen.

Diese Trennungszeit soll unsere Bewährungsprobe sein, ja, Liebstes? Und sollte sie noch Jahre dauern, wir wollen unerschütterlich aufeinander vertrauen und warten. Wirst Du es können und wollen? Unser Weg soll gerade und sauber bleiben, auch wenn wir ihn noch so lange allein gehen müssen. Dann wird uns der Herrgott auch den Lohn nicht versagen, sei es auch erst im Himmel.

Gestern kamen mir ein paar Gedanken: Alle Dinge + Vorgänge haben ihre Wurzel irgendwie in Gott. Die Natur••• S. 2 •••gesetze sind von Gott geschaffen. Unser Geist ist von Gott. Der Mensch ist nach Gottes Ebenbild geschaffen und unser Körper wird in verklärtem Zustand in den Himmel eingehen. (Auferstehung des Fleisches). Die Ehe ist ein Abglanz der göttlichen Dreieinigkeit, vielmehr die Familie. Warum soll nicht auch die schon auf Erden geheiligte Ehe und Familie in einer idealistischen und verklärten Form im Himmel weiterbestehen. Ich könnte dazu noch mehr sagen, aber dann wird dieser Brief ein Roman, ein schlechter Roman!

Bei meiner sensiblen Natur scheinen sich Verwundungen sehr stark auf den seelischen Zustand auszuwirken. Entsinnst Du Dich, daß ich Dir schon in Schandau mein damaliges Verhalten damit zu erklären versuchte? Diesmal wirkt es sich aber in entgegengesetzter Richtung aus: Meine Gedanken bewegen sich in bedeutend braveren Bahnen. Schandau hat mir aber die große Wunde gebracht. In jeder Beziehung. Aber für den Herrgott ist das Kapitel Schandau schon noch nicht abgeschlossen. Seine Mühlen mahlen langsam. Auch in diesem Sinn trage ich die Last des Krieges als Buße für das Unrecht, das ich begangen habe.

Nun noch etwas anders. Ich wollte Dich noch einmal daran erinnern, daß es bei schwerem Bombenschaden oder lebensgefährlichen Erkrankungen nächster Familienangehöriger Sonderurlaub gibt. Wenn also so ein Fall eintreten sollte, was Gott verhüten möge, dann mußt ••• S. 3 •••Du ein Telegramm schicken (das von der Partei geprüft sein muß).

Ich hatte, da ich ja ursprünglich ins Reich sollte, schon Bonbons für die Jungens aufgespart. nun habe ich sie aber selbst aufgegessen. wenn ich später doch noch einmal kommen sollte, dann werde ich schon neue sammeln. Und Du bekommst dann auch etwas sehr sehr Schönes! Aber nicht eigentlich zum Essen. Und süß ist es eigentlich auch nicht, es übt nur einen süßen Reiz aus und ist auch nur für Erwachsene.

In Landsberg sitzt nun der Russe, nicht wahr?[5] In unserem schönen Zimmer hausen nun die Bolschewisten. So schnell ändert sich die Welt!

Ein Kamerad erzählte mir eben, daß glatte Durchschüsse, wie ich einen habe, bei seiner Truppe gar nicht ins Lazarett geschickt, sondern beim Troß ausgeheilt werden. Da muß ich noch froh sein, ins Lazarett gekommen zu sein.

Gestern morgen erwachte ich plötzlich. Im oberen Stockwerk schrie + tobte ein Verwundeter: „Laßt mich....... Du, Vater, der Du bist im Himmel....“ Rest verstand ich nicht. Der Gottesgedanke ist doch tiefer im Menschen verwurzelt, als sich viele eingestehen wollen.

••• S. 4 •••Du wirst Dich wundern, daß ich so einen langen Brief und mit Tinte schreibe. Ich bin heute nämlich zum 1. Mal aufgestanden. Da habe ich mir gleich von unserer lettischen Krankenschwester einen Füller geliehen und losgeschrieben. Ich liege noch mit einem lettischen Leutnant zusammen. Wir sind die einzigen Stammgäste in dem 4-Bettzimmer. Die anderen bleiben meist nur 1–2 Tage und werden dann aufs Schiff verladen. Zweien hab’ ich schon Post für Dich mitgegeben.

Knirpslein Du schonst Dich, soweit es möglich ist, nicht wahr? Damit unser Winzling gesund bleibt. Wie gern wäre ich jetzt bei Dir, denn manchmal brauchst Du sicher einen „vernünftigen“ Mann an Deiner Seite! Und wie vernünftig ich wäre! Du, ich bin ganz brav! Solange ich fort bin, war ich noch nicht ein einziges Mal unartig. Nur in Gedanken ein ganz klein wenig, wenn ich an Dich dachte. Ich darf aber nicht so viel an Dich denken! Ich werde es auch nicht tun. Aber wenn ich dann wiederkomme, dann wird nicht mehr gedacht, dann wird gehandelt!!!!!!!

Du, ich liebe Dich tief und innig. Aber manchmal auch rasend!

Dein Herbert

(6)
2.45
25.2.45 [Rund­stempel älterer Art, Ort unleserlich]

39030

[kein Tag angegeben; wohl der 18.][6]

Meine innig Geliebte!

Da heute wieder einer ins Reich transportiert wird, gebe ich ihm schnell meinen Brief mit.

Viel Neues ist nicht zu erzählen. Bin immer noch in L. Verpflegung ist recht ordentlich. Außerdem lasse ich mir immer nachgeben. Die eine Schwester meinte es sehr gut mit mir und gab mir immer sehr viel. Ich revanchierte mich dann gelegentlich mit – 1 Bonbons! Früher hätte ich das natürlich anders vergolten!! Übrigens ist sie jetzt böse mit uns. Umso besser. Ich spare meine Bonbons + die zusätzliche Kost besorgt mir der Sanitäter für Zigaretten.

Wundere Dich nicht, wenn ich wichtige Dinge in den Briefen wiederhole, weil ich damit rechne, daß mal 1 Brief verloren geht. So z.B. die Tatsache, daß es für schwere Bombenschäden oder lebensgefährliche Erkrankung nächster Familienangehöriger, sowie Todesfall, Sonderurlaub gibt, wenn Du 1 Telegramm schickst, daß von der Partei geprüft sein muß. Wir wollen aber nicht hoffen, daß so etwas eintritt.

Nach meiner Berechnung könnte morgen Post von der Komp. kommen, denn ich habe vor 8 Tagen dorthin geschrieben. Vielleicht ist dann ein lieber Brief von Dir dabei.

Meine liebe, liebste Frau. Ich habe Dich sehr sehr lieb. Und jeden Tag anders! Manchmal ganz platonisch, am nächsten Tag denke ich wieder fast sinnlich, dann wieder ganz brav und zärtlich an Dich. Einmal liebe ich Dich, weil Du so ein braves, tüchtiges + kluges Mädchen bist, dann wieder sehe ich nur Deinen nackten Körper! Vor allem aber freue ich mich doch, daß wir seelisch so wunderbar harmonieren. Ich bin doch sehr, sehr glücklich, daß ich Dich habe!

Viele liebe allerliebste Grüße und Küsse! Dein Herbert!

(1)
18.2.45
19.2.45

an 3.3.45

be 4.3.45

39030

Liebe Eltern!

Auch heute noch keine besonderen Neuigkeiten. Ich habe der Komp. geschrieben, habe mir aber ausgerechnet, daß frühestens morgen Antwort hier sein kann. Wenn sie schlau sind, schicken sie meine Post mit. Aber ich fürchte, sie haben alles zurückgeschickt.

Da ich mit der Nummerierung durcheinander gekommen war, fange ich nochmal von vorn mit Nr. 1 an.

Ich stehe jetzt vormittags immer auf. Nach dem Mittagessen lege ich mich dann wieder hin. Essen reichlich, lasse mir fast zu jeder Mahlzeit zusätzlich bringen. Außerdem durch Zigarettentausch mit 1 lettischen Offz. einmal 1 Ei, einmal 1 Stück Speck.

Da wir 1 Radioapparat haben, ist für Unterhaltung gesorgt. Auch lese ich sehr viel. Also: Eine richtige Erholungskur.

Herzliche Sonntagsgrüße!

Euer Sohn Herbert

23.2.45
10.3.45 HOMBERG (Bz KASSEL)

an 27.3.

be 27.3.

Brief­stempel: Luftwaffen­lazarett 2/4 (Posen)

Liebe Eltern!

Soeben geht wieder ein Verwundeten-Transport in die Heimat ab. Ich gebe einem Lt. schnell diesen Gruß an Euch mit.

Ein kurzer Brief folgt morgen per Feldpost.

Viele herzliche Grüße!

Euer Sohn

Herbert

Hier weiter nichts Neues.

23.2.45
24.2.45

an 23.III.

39030

Liebe Eltern!

Da, wie ich gestern erfuhr, meine an die Kompanie gerichteten Briefe alle erst ins Reich gegangen sind, verzögert sich die Antwort um mindestens 8 Tage. D.h. daß alle Eure Post, die vor dem 1.3. bei der Kp. eintrifft, noch zurückgeht.

Vor langer Zeit habe ich mit Achim einen Zimmertausch vorgenommen: Da ich schon ein Herrenzimmer habe, bekommt Achim Papas Herrenzimmer + ich das Wohnzimmer. Im Grunde genommen sind das ja jetzt völlig unwichtige Dinge. Ich schreibe es Euch nur der Ordnung wegen.

Sonst nichts Neues. Iwan hat wieder 1 Großangriff gemacht, aber ich bin ja vorläufig nicht dabei.

Vormittags stehe ich immer auf + humple etwas herum. Ich lese viel + höre viel Radio. Den kath. Pfarrer habe ich auch schon besucht.

Ich bin gespannt, was sich zuhause inzwischen ereignet hat, denn ich habe jetzt 4 Wochen keine Nachricht.

Herzliche Grüße!

Euer Herbert

(3)
25.2.45
26.2.45

an 20.3.45

be 27.3.45

39030

Liebe Eltern!

Heute war ich hier in L. zum Gottesdienst + gleichzeitig zur Osterkommunion.

Morgen werde ich in ein anderes Lazarett verlegt, wo ich dann bis zu meiner Ausheilung liegen bleibe.

Da die Transporte (nur allein die, die hierher kommen) jetzt anscheinend doch öfter als bisher gestört werden, schreiben ich wichtige Sachen mindestens 2×.

Den Winter kann man nun wohl im allg. als beendet ansehen. Zwar ist es noch kalt, nachts Frost, aber es hat zeitweilig schon tüchtig getaut. Und bevor ich wieder an die Front komme, ist der Schnee sicher schon weg.

Augenblicklich ist die 5. Kurlandschlacht im Gange. Aber die „Keilerei“ geht „ohne mich“ vonstatten.

Sonst nichts Neues. Ein Tag so öde wie der andere. Schade um diese schönen Jahre. Nur gut, daß ich eine schöne Jugend + bis zum Krieg schöne Jahre verlebt habe!

Herzliche Grüße! Euer Herbert

(4)
27.2.45
[Poststempel unleserlich]

43749 66617 D (aber noch nicht da!)

Briefstempel mit Feldpostnr. 43749

Liebe Eltern!

Gestern bin ich in ein anderes Lazarett verlegt worden. Ob ich nun endgültig hier liegen bleibe, ist nicht sicher. Lange liege ich sowieso nicht mehr. Dann geht es wieder zur Truppe. Immerhin rechne ich noch mit 1–2 Wochen. Natürlich kann ich mich irren. Gerade beim Kommiß gibt es ja immer Überraschungen. Eben treffe ich z.B. 1 Mann meiner Kp. im Laz.. Na, das interessiert Euch ja weniger. —

Ich liege etwas westlich des neuen Ortes. Es lohnt sich auch nicht, daß Ihr hierher schreibt, denn bevor Eure Antwort hier ist, bin ich schon wieder bei der Truppe.

Das Laz. ist in 1 Schloß untergebracht. Die Landschaft ist sehr schön, auch jetzt im Winter. Da ich jetzt noch Zeit und Muße für solche Dinge habe, erinnere ich mich auch meiner Jugendjahre und denke dankbaren Herzens an die sorglose Jugendzeit, die Ihr mir bereitet habt.

Herzliche Grüße!

Euer Herbert

(5)
2.3.45
03.3.45

an 3.4.

be 5.4.

Liebe Eltern!

Wo ich ungefähr liege, wißt Ihr ja wohl? Es dauert schätzungsweise noch 2 Wochen, dann bin ich allmählich reif, als geheilt entlassen zu werden.

Ich habe Carola geraten, Cammin zu verlassen. Wenigstens solange, bis die Bedrohung dort oben beseitigt ist.

Auch Euch rate ich, Euch nach einem anderen Aufenthaltsort umzusehen, wo Ihr noch Ruhe vor den Luftangriffen habt. Es kann ja in der weiteren Umgebung Berlins sein. Daß die Sowjets bis Berlin kommen, glaube ich nicht. Höchstens hineinschießen könnten sie mit weittragenden Geschützen. Carola habe ich noch folgendes geraten:

1.) Das wichtigste Gepäck marschfertig verpacken.

[Rest des Briefbogens ist abgeschnitten]

8.3.45
9.3.45

17.3.45

43749 (nur vorüber­gehend)

Liebe Mama!

Zu Deinem Geburtstag Dir viele herzliche Glückwünsche und hoffe, daß Du diesen Tag in Papas Gesellschaft so fröhlich verlebst, wie der Krieg es gestattet. Vor allem wünsche ich, daß Du noch viele Geburtstage in ruhigen Friedensjahren verleben mögest, damit ich Gelegenheit habe, Dir und auch Papa einen Teil der Mühe und Sorge zu vergelten, die Ihr mit meiner Pflege und Erziehung gehabt habt. Es ist ja leider immer so auf der Welt, daß man all das Glück, was man besaß, immer erst schätzen lernt, wenn man es nicht mehr besitzt. Und für die Dankbarkeit ist es dann oft zu spät.

Ich habe jetzt wieder eine Menge Briefpapier bekommen + kann daher wieder öfter schreiben.

Viele herzliche Grüße! Euer Sohn Herbert

Lücke

Briefe aus der Schlussphase des Krieges sind möglicherweise nicht mehr befördert worden. In der Anfangseit der Gefangenschaft waren Postsendungen offenbar nicht möglich.

B. Aus der Kriegs­gefangenschaft

Die Postverbindung der Kriegsgefangenen mit der Heimat wurde überwiegend mittels der vom Roten Kreuz und Roten Halbmond betreuten sogenannten Rotkreuzkarten abgewickelt. Das Schreiben von Briefen waren nur selten erlaubt.

Rotkreuzkarten: Theorie und Praxis

Die Schwierigkeiten vom Erwerb bis zum Versand dieser Karten hat der Autor an verschieden Stellen des Tagebuchs geschildert:

  • 3.11.45 Der Russe beginnt unter den Offizieren freiwillige Arbeitskräfte zu werben. [...] Wer sich also nicht freiwillig [zur Arbeit] meldet, bekommt keinen Tabak und keinen Wehrsold (den wir sowieso nie bekommen!!). Er bekommt auch keine Rotkreuz-Postkarten.
  • 7.11.45 Wir dürfen unsere 2. Rotkreuz-Karte schreiben.
  • 9.3.46 Heute kam die erste Post aus der Heimat. Für 4 Mann von 400! Nach 10 Monaten!
  • 17.4.46 Nach fast einjähriger Gefangenschaft erhalte ich die erste Post aus der Heimat. [...] Sehr spärliche Nachrichten aus der Heimat, da scharfe Zensur wegen wachsender Ost-West-Spannungen. [...] Die einzigen authentischen Nachrichten kommen mit den Rotkreuz-Karten aus der Heimat, aber auch die werden zensiert.
  • 13.5.46 Frage- und Antwortstunde mit Politkommissar Goldberg. Rotkreuzkarten und Verpflegungssatz stünden uns zwar zu, aber es gäbe keine RK-Karten und keine Verpflegung, weil eben nichts da sei.
  • 12.6.46 Verstöße gegen die Genfer Konvention, die wir selbst erlebt oder von denen wir erfahren haben: [...] beschränkte Wortzahl auf RK-Karten (1 Zeile, 10 Worte), wenn es überhaupt Karten gab.
  • 27.6.46 Seit 5 Monaten keine Rotkreuzkarten bekommen. Viele Gefangene haben bis heute überhaupt noch keine einzige RK-Karte erhalten. 14 Monate nach Kriegsende geben die Sowjets den Kriegsgefangenen keine Gelegenheit, ihre Angehörigen zu benachrichtigen!
  • 6.11.46 Rotkreuz-Karten dürfen nur noch mit 25 Wörtern beschrieben werden. Selbstverständlich wird der Text zensiert. Angaben über den Aufenthaltsort, Gesundheitszustand (sofern er schlecht ist), Gewicht und alles Negative werden gestrichen. Missliebige Post wird einfach weggeworfen. Auch diese Arbeit besorgen die Antifa-Genossen. Post ist nur aus Deutschland und Österreich gestattet. Post aus anderen Ländern wird nicht ausgehändigt. Die Antifa-Genossen können keine Fremdsprachen lesen. Ich habe 11-mal geschrieben. Davon sind 9 Karten zu Hause angekommen. Laufzeit bis zu einem halben Jahr.
  • 6.11.46 Rotkreuzkarten gibt es alle 4 Wochen, ganz nach Vorschrift – aber sie reichen nicht für alle!
  • 27.4.47 Der 1. Mai naht, und es erfolgt die vor allem großen Feiertagen übliche Durchsuchung. Sogar die Rotkreuzkarten werden uns weggenommen! Das ist alles so kindisch und widersinnig, dass es schon beinahe wieder lächerlich ist.
  • 6.11.47 Ein großer Stoß von Rotkreuz-Karten, die wir zu Weihnachten nach Hause geschrieben haben, kommt vom NKWD zurück, weil mehr als 30 Worte drauf standen.
  • 10.12.47 Ich bekomme meine RK-Karte zurück. Dem Antifa-Mitglied Fritz Schäfer gefielen einige meiner Bemerkungen nicht („Bankräuber“ und „Menschenverächter“). Er liest oder zensiert also auch unsere Post.
1 [gem. #6.11.45
10.8.45
erhalten 20.2.46[7]

Abs. Postfach [Lager] 350 [in lat. Schreib­schrift]

Meine liebste Frau!

Wie Du siehst, bin ich wohlauf. Behandlung und Verpflegung sind gut. Ich wäre froh, wen Ihr auch so ausreichend zu essen habt. Mach Dir um mich keine Sorgen. Es geht mir wirklich gut. Wie mag es Euch gehen? Und unserem Winzling?

Wir dürfen 1× im Monat schreiben. Über Rückantwort ist uns nichts bekannt. Wenn ja, dann schreibe nicht an „Oberleutnant“ Schr., sondern ohne Dienstgrad nur den Namen, verstehst Du? Benachrichtige bitte meine Eltern, wenn möglich.

Ich bin sicher, daß wir uns wiedersehen, es fragt sich nur, wann das sein wird. Bleib brav! Was ich Dir sonst noch schreiben möchte, muß Dein Herz fühlen.

Wir haben am 8.5. kapituliert. Ewig Dein Herbert.

31.8.45[8]
an 24.09.1945[9]

Absender [...] [Lager] 277/I

Erste Nachricht an Carola aus Riga nach der Kapitulation[10] in einem behelfsmäßig aus einer Wehrmachtbroschüre[11] hergestelltem Briefumschlag

Frau Carola Schrödter bei Arens

    Warendorf (Westf.)

    Markt 17

bitte folgendes bestellen:

1.) Mir geht es gut. Gruß an meine Familie.

2.) Benachrichtigung meiner Berliner Behörde (Rathaus Charlottenburg., Abt. höhere Schulen), daß mit meiner Rückkehr zu rechnen ist.

3.) Falls nötig, Wiederbeschaffung meiner Papiere (bes. Ernennungsurkunde zum Studienrat)

Oberleutnant Schrödter, Herbert

[2 gem. Text]
6.11.45
erhalten 20.2.46

Abs. ... П/Я No 277/I

Meine Liebste!

Rußlands Wehrmacht behandelt uns nicht so schlimm, wie unsere Propaganda es immer gemalt hat. Ich bin jedenfalls gesund und munter. Geht es euch auch gut? Auch dem Winzling? (Mein Aufenthaltsort muß geheim bleiben).

Bis zu unserer Entlassung wird wohl noch einige Zeit vergehen. Aber daß wir entlassen werden, ist ganz gewiß. Nur Geduld und Gottvertrauen müssen wir haben, mein kl. unruhiger Geist!

Was mein Herz bewegt, möchte ich der offenen Karte nicht anvertrauen. Aber denk’ an mein feierliches Versprechen vom 15. April und an unsere wunderschönen Urlaubstage, dann weißt Du: Es hat sich nichts geändert und wird immer so bleiben!

Nun „Geschäftliches“: Benachrichtige, wenn möglich, 1.) meine Eltern und 2.) das Rathaus Charlottenburg, Abt. Höh. Schul. [Abteilung für Höhere Schulen], daß ich noch lebe und mit meiner Rückkehr früher oder später zu rechnen ist. Gibt es in Warendorf ein Gymnasium? Hast Du meine Beförderungsurkunde zum Studienrat noch? Wie steht es mit unserem Vermögen? Wovon lebst Du?

Rückantwortkarte anbei. Ich habe meine Anschrift dünn vorgeschrieben*). Keinen Dienstgrad, also nicht „Oblt“, sondern nur den Namen schreiben! Dies die 2. Karte. Die nächste geht vielleicht an meine Eltern. Ich gebe Dir Nachricht, so oft es geht. In Treue

Dein Herbert

reste sage, ma cherie! [bleib klug, meine Liebe]

*) wie Absender
Du mußt meine Anschrift russisch schreiben, also einfach meinen Absender nachmalen.

20.11.45
Abs. [...] 277/I

[geschrieben auf einem halbierten Feldpost-Vordruck]

Meine Liebste Carola! In den Nachrichten, die ich Dir bisher auf verschiedenen Wegen zugesandt habe, habe ich fast immer dasselbe geschrieben. Es mag langweilig für Dich sein, wenn Du alle bekommst, aber ich muß es tun, weil Dich wahrscheinlich nur wenige erreichen werden. Auch in dieser Nachricht steht wieder das gleiche.

Unsere Entlassung ist gewiss, aber sie wird sich noch etliche Zeit verzögern. Ich bete zum Herrgott, daß ich Dich + die Kinder wiedersehe. Bleib brav, Carola! Wie glücklich werden wir dann noch werden, trotz aller äußeren Not! Solange ich Deine Liebe und Treue besitze, wird mir alles leicht werden!

Ich bat Dich, meine Eltern zu benachrichtigen. Ebenso das Rathaus Charlottenburg, Abt. höhere Schulen. Wenn möglich, teile dort mit, daß ich über kurz oder lang zurückkehren werde, daß ich Studienrat an der Herderschule + kein Pg. [Parteigenosse der NSDAP] bin! Vielleicht kannst Du mal anfragen, ob ich bei Rückkehr mit meiner Wiederbeschäftigung dort rechnen kann. Im gleichen Sinn kannst Du es mal an Deinem Wohnort versuchen. Hast Du meine Akten noch? (Beförderungs-Urkunde z. Stud.Rat) Hat unser Geld noch Wert?

Unten meine Anschrift. Du kannst sie ja einmal zu schreiben versuchen. Ob die Post ankommt, ist natürlich sehr fraglich. Zulässig ist eigentlich nur die offizielle Rot-Kreuz-Postkarte. Bisher habe ich 2 bekommen + an Dich geschrieben. Aber nur die 2. hatte Rückantwort bei. Aber versuche es ruhig mal mit 1 Brief, normal frankiert.

An Herbert Schrödter           zu deutsch:
C.C.C.Р. МОCКВА             S.S.S.R. Moskau
КРАCНЫ КРЕCТ П/Я No 277/I   Rotes Kreuz P/Schl. (Postschließfach) 277/I

In ewiger Treue

Dein Herbert

20.11.45
an 14.2.46 durch [nachstehenden] Brief von Joedecke
Liebe Eltern!

Rußlands Wehrmacht behandelt uns nicht so schlimm, wie unsere Propaganda es immer geschildert hat. Ich bin jedenfalls gesund und munter. Geht es Euch auch gut? Auch Joachim? (Mein Aufenthaltsort muß geheim bleiben).

Da ich damit rechnen muß, daß viele der an Euch geschriebenen Benachrichtigungen nicht ankommen, schreibe ich in allen dasselbe.

Unsere Entlassung wird sich wohl noch eine ganze Weile hinziehen. Aber einmal werden auch wir nach Hause kommen. Ich bitte den Herrgott, daß er Euch am Leben erhalten möge.

Wir verfolgen mit Spannung die Nachrichten über die Aufbau-Arbeiten in Deutschland und Berlin. Ich bin zwar bei meiner Heimkehr auf alles Schlimme gefaßt, hoffe aber doch wieder, meinen Beruf ausüben zu können. Ich bat Carola, in Charlottenburg anzufragen, ob ich bei meiner Rückkehr mit Wiederbeschäftigung rechnen kann, zumal ich kein Pg. [Parteigenosse der NSDAP] bin.

Wenn Ihr mir einen normalen Brief schreibt, ist das ein Versuch. Ob er glückt, weiß ich nicht. weil eigentlich nur Rot-Kreuz-Postkarten zulässig sind. Aber ruhig versuchen. Meine Anschrift russisch schreiben! Keinen Dienstgrad! Anschrift:

Herbert Schrödter   zu deutsch heißt das:
  C.C.C.Р. МОCКВА   S.S.S.R. Moskau
  КРАCНЫ КРЕCТ     Rotes Kreuz
  П/Я No 277/I       Postschließfach 277/I

Herzliche Grüße!

Euer Herbert

1.2.46
an 14.2.46

Antwort 17.1.46

Werter Herr Schrödter

Nach Durchsicht meiner alten Sachen, mit der ich aus der russ. Kriegsgefangenschaft entlassen worden bin, habe ich diesen Brief für Sie im Futter des Mantels gefunden welchen ich jetzt sofort an Sie sende. Hoffe durch diesen Brief Ihnen eine Freude bereitet zu haben.

verbleibe ich mit den besten Grüßen

Gerhard Joedecke

Antwort am 17.1.46.
Besten Dank!
Bitte um Antwort, ob wir zur näheren Aussprache über Herbert nach Sp., oder Sie zu uns kommen sollen.
Sch.

21.2.46
28.3.
31.3.
an 28.4.46

[Wer schrieb die Daten 28.3. und 31.3., und was bedeuten sie?]

Liebe Eltern! Dies ist die 3. R.K.-Karte, die ich schreibe. Die 1. + 2. habe ich an Carola geschrieben, bisher aber noch keine Antwort erhalten. — Die Entlassung soll ja nun bald in größerem Ausmaß, als bisher, beginnen. Dann werde ich ja auch mal an der Reihe sein. — Mir geht es gut. Schreibt, wenn möglich, an Carola. — Ist Achim schon zuhause? Ist die Wohnung heil? Habe ich noch meine Sachen? Wovon lebt Ihr? Für alle Fälle erteile ich Euch Generalvollmacht über mein Girokonto 15549 (so war doch die Nr?) Zeigt diese Karte als Urkunde vor. — Ist Carola noch in Warendorf? Wenn keine Notwendigkeit besteht, soll sie, meiner Ansicht nach, ruhig in W. bleiben. Aber das müßt Ihr dort entscheiden. — Wenn Ihr schreibt, ist zu beachten: 1.) keinen milit. Dienstgrad, also nicht Oblt, sondern nur den Namen. 2.) meine Anschrift russisch (meinen Absender abschreiben) 3.) Euren Abs. deutsch. — Unser Schicksal liegt in Gottes Hand. Wie Er es fügt, so nehme ich es hin. Ich bin ganz ruhig, aber ich bete, daß ich Euch wiedersehen kann. Herzliche Grüße, Euer Sohn Herbert

Lücke

Aus der Zeit zwischen Ende Februar und Ende September 1946 liegen keine Sendungen vor.

2. R.K.K.; 8. Nachricht
25.9.46
an 15.10.46

Abs. ab jetzt ... M/O 401/2

Liebe Eltern! Seid ohne Sorge wegen seltener Post. Man kann von hier aus nicht so oft schreiben. Ob Achim schon geschrieben hat? Liegt jedenfalls kein Grund zur Besorgnis vor. Eigene bisherige Erfahrungen lassen immer noch große Hoffnung, daß er lebt. Nur Gottvertrauen. — Seid auf Eure Gesundheit bedacht. Kehre ich heim, möchte ich Euch gesund u. fröhlich wiedersehen!

Nun Fragen: Wie ist Verhältnis Rubel–Mark? Ist Spargeld (mein Sparkonto b. d. Berl. Stadtbank am Alex.) verloren oder besteht Aussicht auf Aufhebung der Sperre? Gilt mein Girokonto (Friedrichshagen) noch? — Carola soll ohne zwingenden Grund ihre Zone nicht verlassen. — Ich selbst gehe bei Entlassung zunächst nach Warendorf und komme dann von dort möglichst bald zu Euch. Die Frage des ständigen Wohnsitzes wird dann von Anstellungsmöglichkeit und der sonstigen Lage abhängen.

Bitte Gruß bestellen von Wilhelm an: Seelbrandt, Friedrichshgn, Kluthstr. 52. Grüßt auch unsere sämtl. erreichbaren Bekannten u. Verwandten von mir. Ich selbst bin gesund. Post erhielt ich bisher 1× von Euch (R.K.Karte) u. 2× von Carola (1 R.K.K. + 1 Postk.) Bis zu unserem Wiedersehen grüßt Euch mit vielen herzlichen Grüßen Euer Sohn Herbert.

4. RK.Karte
20.10.46
erhalten 20.12.46
Mein Liebstes! Heutiger Sonntag mal arbeitsfrei. Da gehen meine Gedanken zu Euch. Ein trostreicher Vers zu Barbara’s Tod: „Du kamst, Du gingst mit leiser Spur, ein flücht’ger Gast im Erdenland; Woher? Wohin? Wir wissen nur: Aus Gotteshand in Gotteshand.“ — Ja, Liebes, mit vorzeitigem Tod müssen wir alle rechnen. Wichtig ist nur, daß wir mit reinem Gewissen von dieser Welt abtreten. Ich kann es wohl, glaube ich. Soweit ist es aber noch nicht. Ich hoffe, diesen Winter genau so glimpflich zu überstehen, wie den vergangenen. Bin zwar etwas schlanker (128 ℔, habe schon viel weniger gewogen!), dünneres Haar (wäre sowieso gekommen!), aber jedenfalls alles gesund. Auch sonst derselbe geblieben, nur reicher an Erfahrungen mit den lieben Mitmenschen u. daher noch unzugänglicher, als früher. Magst Du so einen Mann noch? — Ich möchte Die noch so vieles mitteilen, was mich in Gedanken + im Herzen bewegt. Aber es geht auf dieser Spezialkarte nicht. — Diese Karte wird als Weihnachtsgruß ankommen + Dir als einziges Geschenk die Versicherung meiner Liebe + Treue bringen. Mein Weihnachtswunsch ist, daß Du denselben inneren Frieden finden mögest, zu dem ich mich durchgerungen habe + der selbst durch das härteste Schicksal nicht zu erschüttern ist. Und im nächsten Jahr sitze ich hoffentlich mit Euch allen gemeinsam unter dem Christbaum, um auch die äußeren Freuden dieses schönen Festes zu erleben. Wie geht es den Jungens? Haben sie wieder regelmäßigen Unterricht? Grüße sie ganz besonders von mir. Herzliche Grüße auch an alle Verwandten + Deine Quartiersfamilie. — Mein Tagebuch ist wohl verloren. Hast Du noch ein paar Fotos gerettet? Und meine Armbanduhr in der Kassette? — Wie gern möchte ich gerade jetzt zuhause sein, um mit Dir gemeinsam unseren Hausstand neu aufzubauen. Mich beruhigt nur der Gedanke, daß Du ja ein so tüchtiges Mädchen bist + außerdem noch von Bernhard + s. Familie unterstützt wirst. Wie geht es den Verwandten? — Ich wiederhole Inhalt d. letzten Karte. Hauptsorge: Anstellung. Warendorf jetzt besser. Trotzdem auf alle Fälle mit Charlottenburg Fühlung behalten. Endgültiger Wohnsitz nach m. Entlassung wird sich nach der p.p. Lage + Anstellungsmöglichkeiten richten. Ich gehe erst nach W. zur Erholung, von dort Besuch d. Eltern. Gilt Girokonto noch? Ist Sparkonto verloren? Bringt den Rest in Sicherheit. Albert + Achim? Gruß an alle, die mich durch m. Eltern grüßen ließen. — Dir alles Liebe! Dein Herbert.

Du kannst Briefe schreiben!

3.R-K-K. [in Blei, evtl. vom Vater vermerkt]
10.12.46
an 23.12.
Liebe Eltern! Unser Text beschränkt! Ihr könnt Karte vollschreiben. — mich interessiert: Euer Leben, Wohnungszustand, Achim, Bekannte, meine Sachen, Finanzen, Berufsaussichten. — Ich selbst gesund, arbeitsfähig. Bleibt Ihr nur gesund! Auch innerlich Weihnachtsfrieden. Wünsche Euch dasselbe. Bisherige Nachrichten: 1× von Euch, 2× von Carola erhalten.

Euer dankbarer Sohn

Herbert

20.2.47
an 5.4.47 Oster­sonnabend

[Autor hat Blei­stift­text nach­träg­lich mit Kugel­schreiber nach­ge­zogen!]

Liebe Eltern!

Eure R.K.K. vom 4.11.46 erhalten. Gruß an Achim. Soll durchhalten! Albert wahrscheinlich auf meine Seite geholt. — Bitte um Angabe Eurer beiden Geburtsjahre. — Schon Verbindung mit Wierzyks Verwandten? — Mein Bücherschrank mit Inhalt erhalten? Sammelt Fotos von mir, wo Ihr welche findet (bei Verwandten + Bekannten). Radio noch vorhanden? — Gratuliere zu Papas neuer Stellung! — Schreibt Briefe. — Gruß an alle Bekannten! Euer treuer Sohn

Herbert

(2)
1.3.47
erhalten am 15.4.47, gleich beantwortet
Meine liebe Frau!

Sehr erfreut über Deine 2.R.K.K. (Nr. 10 + 11. vom 4.1.47). Maßlos glücklich über unsere völlige Harmonie. Ohne Seelsorge seit wir hier sind. Leib + Seele trotzdem gesund. Es ist genügend warme Winterbekleidung da. Natürlich habe ich auch Rubel verdient. SSonstige Fragen müssen unbeantwortet bleiben. Kannst Du nicht über Berlin Briefe schreiben? —

Hier kommen viel Briefe an. — Nimm allen Bekannten + Verwandten sämtliche erreichbaren Fotos ab, zur Anlage eines neuen Bestandes. Wenn nichts wichtigeres anzuschaffen, dann versuche, meine in Cammin verlorengegangenen Bücher wieder zu kaufen.

Liebste Grüße! Immer Dein

Herbert.

5. R.K.K.
1.4.1947
an 5.5.
Liebe Eltern!

Sehr erfreut über Eure Post vom 28.1.47. Mitte März traf sie als 3. Nachricht ein. Offen gesagt, ist Berlin bester Anstellungsort. Leider bestehen Bedenken meinerseits. Einen Weg, wie Alberts, möchte ich vermeiden. Natürlich erwäge ich diese Frage noch. Sicher ist später alles geordneter. Keine Sachen, Bücher usw. mehr wegwerfen.

Schreibt Briefe! — Winter gut überstanden. Wintersachen schon abgegeben. Frühling beginnt. — Grüßt Achim + sämtl. Bekannte (Bauer, Pylka, Ahlemann, Schmidt, Voß usw.)

Herzliche Grüße

Euer Sohn Herbert

6. R.K.K.
27.4.47
erh. 19.7.47

beantw. 27.7.

401/2 Lager 7401/2

Mein Liebes!

Karte vom 8.1.47 erhalten. — Hier beginnt Frühling. Wintersachen schon abgegeben. — Im hiesigen Lager keine Seelsorge, da kein geistlicher. Diesbezüglich aber bei mir alles in Ordnung. — Gelten Reichskreditkassenscheine noch? — Wir übereinstimmen: Wir leben nicht dem Genuß. Wichtiger ist, daß wir unser Leben anfüllen mit Gutem, daß wir Pflichten + Aufgaben erfüllen + Idealen nachzuleben versuchen. Schreib’ Briefe mit Fotos! — Gruß allen Verwandten + Deinen Quartiersleuten. Besonders liebe Grüße Dir + Kindern!

In Treue Dein Herbert.

7. R.K.K.
10.5.47
401/2 Lager 7401/2
Meine liebe Frau!

Dein Brief (9.3.) beweist völlige Gleichheit unserer Gedanken. Nur bei aller Güte gegen die Mitmenschen die eigenen Belange nicht vernachlässigen!! Auch Toddis Schulwahl entspricht ganz meinen Absichten. Wie schon oft: ohne vorherige Verständigung! — Winter gut überstanden. Jetzt warmer Frühling. — Tageslauf: Eltern fragen. — Entlassung soll Ende 48 abgeschlossen sein. — Wohnung Eisenzahnstr. verloren? Besuche über Zonengrenze gestattet? Hattest Du Geld oder Wertpapiere im Westen? Tonnebuhr im Auge behalten!

In Liebe

Dein Herbert.

6. R.K.K.
10.5.47
16.7.

Be. am 27.7. mit Karte (R.K.K)

Abs. M/O 401/2 Lager 7401/2

Liebe Eltern!

Karte vom 8.4. am 2.5. erhalten. Große Freude über Zustand der Wohnung + sonstigen Sachen. — Achim hätte tausend bessere Möglichkeiten, als Partie Hirtmann! — An Wierzyks polnisch schreiben. — Ungewöhnlich kalten Winter trotz ständiger Außenarbeit gut überstanden. Unser Lager ist großer Steinbau mit Zentralheizung. Wir O[ffiziere] in kleinerem Raum. — 6 Uhr Wecken; zwischen 7 u. 8 Uhr Abmarsch d. einzelnen Arbeitsgruppen. Mittagssuppe wird hinausgebracht. Zw. 5 u. 6 Uhr Rückkehr. Unsere Arbeiten dienen mittelbar oder unmittelbar dem Wiederaufbau zerstörter Gebäude u. Betriebe.

Herzliche Grüße, auch sämtl. erreichbaren Bekannten

Euer Sohn Herbert

Beantwortet am 27.7. mit Karte (R.K.K)
Inhalt: allgemein: (8. Nachricht.)
Ferien, Ausflüge, Bücherverzeichnisse anlegen, Carola, Joachim im Osten keine Nachrichten. Nächster Brief

10.6.47
erh. 18.7.47
Mein Liebstes!

4 Breife (12.3., 8.4., 28.4. mit Fortsetzung) Ende Mai und 1 RKK (17.4.) Anfang Juni erhalten. Handelst ganz in meinem Sinn. Gut sein, wenn man es will, aber nicht, weil man nicht „nein“ sagen kann. Nur nicht an die Wand drücken lassen! — Sehr nett die Verpflegungsbevorratung für meine Heimkehr! — Laß’ mich, wenn möglich, für Warendorf oder Münster vormerken. Aussicht auf Schulleitung? (Nicht-P.G. [kein Parteigenosse der NSDAP], solide Ausbildung). Letztere Anfrage nicht bei Warendorfer Direktor. Fürchtet sonst Konkurrenz! — Gruß an Verwandte u. Vettings.

Liebste Grüße an Dich u. Kinder

Dein Herbert.

7. RKK
1.7.47
an 20.9.47

Antw. 20.9.47

Liebe Eltern!

Brief v. 27.4. am 31.5., RKK v. 15.5. am 15.6. erhalten.– Besteht Aussicht als Schulleiter in Berlin (als Nicht-PG. + solide Ausbildung?) — Gefühlsmäßig zieht’s mich nach Berlin, aber Überlegung entscheidet vorerst für C[arola]’s Seite. — Bisher alles gesund überstanden. Verdanke ich Eurer sorgsamen Pflege meiner Jugendjahre. Werde ich Euch noch vergelten! — Bleibt gesund! — Briefe einlegen zwecklos. — Ich habe Rubel + Zusatzverpflegung. Davon später mehr! — Arbeit wechselt: Kiesgrube, Fabrik usw. — Gruß an Achim und alle, die meiner gedenken. Euer Sohn Herbert

Antwort: Nr. 11 den 20.9.47
Karte lange unterwegs. Viel Arbeit, daher heute erst Antwort.
Bezüglich Leiterstelle: Geh nach Warendorf; dort auch Stellung. Gern hätten wir Dich mit Familie hier. Aus wohlüberlegten Gründen raten wir Dir zur Übersiedlung nach Warendorf. Freuen uns über Deine Dankbarkeit; wir gesund. Mama[?] auch wieder auf Posten. — Junglehrer hospitieren bei mir. Wir teilen Carola den Inhalt Deiner Karte mit.
Herzliche Grüße, Dein Vater und Deine Mutter

9. RKK
7.7.47
Liebe Carola!

Briefe Nr. 5–8 erhalten. — geben mir Gewißheit einer harmonischen Ehe. — Jeder Lebensabschnitt hat seinen Sinn, auch wenn für uns nicht gleich erkennbar. — Jede niedergekämpfte Versuchung macht stärker u. erleichtert den Sieg über folgende. — Deine Grundsätze richtig, aber fraulich. Daher nicht alle auf Jungenerziehung anwenden! — Geld zweckvoll anlegen, oder sparen. Wird gebraucht zum Wiederaufbau des Hausstandes u. der Körperkräfte. — Laß’ mich bei zuständiger Behörde in Münster zur Anstellung (eventuell als Schulleiter?) vormerken. — Über hiesige Arbeit Eltern fragen. — Gruß an alle Verwandten u. Vettings. Immer Dein

Herbert.

10. RKK.
10.8.47
15.11.47 LANGENBERG (Kr. WIEDENBRÜCK)

erh. 17.11.47

Rotkreuzkarte mit Zeichnung eines Kameraden zum Hochzeitstag

Mein Liebstes!

Bin stolz u. glücklich, Dich zu besitzen!

Unsere Aufgabe als Ehegatten: Uns in gegenseitiger Formung zu einem höheren Sein emporzuarbeiten u. uns gegenseitig in den Himmel zu bringen. Das Beste unseres Wesens aber an unsere Kinder weiterzugeben. — Apropos Kinder: Einen Jungen will ich noch haben! — Keine Geldausgaben für Unwichtiges!! — Lass’ mich in Münster oder Warendorf als Stud.Rat (oder Direktor?) vormerken. — [geschwärzt: Briefe...?]

Auf Wiedersehen in spätestens 17 Monaten!

In Treue

Dein Herbert.

11.RKK
15.9.47
4.11.47 [MOSCOU]

erh. 14.11.47

Liebste Frau!

Brief 9, 10, RKK(15) erhalten. — Einverstanden mit Toddis Schultyp + Deinen Gedanken über „Leid“. — Ich glücklich? Nein! gesund? ja! Dich lieben? unsagbar! — Geld nicht verplempern. Nach meiner Heimkehr dringend nötig!!

Für immer Dein

Herbert.

8.RKK
15.9.47
10.10.47

be 16.11.47 Nr. 14

Liebe Eltern!

8. Nachricht heute erhalten. — Im Sommer von der zehrenden Kälte des letzten Winters gut erholt. — Auch jetzt noch günstige Ernährungsbedingungen. Näheres mündlich. Endlich Zähne repariert + kleine Bücherei. Grüßt Bekannte.

Euer dankbarer Sohn

Herbert

9. RKK 9. R.K.K. [oberflächlich zensiert, vom Vater nachgetragen]
26.10.47
29.11.47 MOSCOU

1.12.47

Antw 7.12.47

Liebe Eltern!

Entlassungstermin: spätestens Ende 1948. Müßt Euch wenigstens noch 14 Monate gedulden. Was auch komme: gesund, stark bleiben! Ernährungszustand gut. Grund: gute Kartoffelernte, gutmütige Russen, Glück, [ausradiertes Wort, das sich evtl. auf illegale Handlungen bezog]! Grüßt Joachim u. alle Bekannten.

Euer getreuer Sohn

Herbert

Antwort: Nr. 16 Lieber Herbert! 7.12.47.
R.K.K. 9 erhalten. Ja, wir warten m. Geduld u. Zuversicht [auf] Heimkehr Ende 48! Sind beruhigt über Ernährungszustrand. Schreib, ob Du unsere Post laufend erhältst. — Dezember ereignisreich: 2. (Schw.[?]-Tag), 12.12. Gewerbe-Prüfung, 8.12. meine Heimkehr; heut: Tante Else Geburtstag. — Letzte Weihnacht ohne Euch! Daher hoffnungsfroher, als bisher. Wir gesund! — Adventszeit! Erinnerungen! Denk an Deine schöne Jugend! Heute für Kinder unmöglich. — Wir haben viel Freude vor Weihnachten: Pakete von Carola, Mayer, aus Arn.[?] 1 Paket angekommen. — Peter + Toddi gratulierten mir. Wollen Würstchen senden! Allerliebst. Carola schreibt, daß sie Deine Post erhält. — Wir sollen Carola besuchen! Zu beschwerlich. Später, wenn Du zuhaus bist, besuchen wir Euch! — Jetzt viel Heimkehrer-Transporte, 100000 dieser Tage! Zum Neuen Jahr: glückliche Heimkehr! — Ich schließe: Wer nur den lieben Gott.... Herzliche Grüße [von]: Tante, Pylka, Ahlemann, Skilutzki und Deinen Dich liebenden Eltern!

9.11.47
erh. 2.12.47
Lieber Toddy! Bin hocherfreut über Deine guten Schulleistungen. Wer als Junge viel lernt, hat es als Mann leichter.

Lieber Peter! Sei auch fleißig, damit ich auf meine beiden tüchtigen Jungen stolz sein kann. Seid sicher schon groß u. kräftig geworden!?

Euer Vati.

13.RKK.
15.11.47
erh. 5.12.47
Rotkreuzkarte mit Zeichnung eines Kameraden

Meine Lieben!

Der Heiland ist geboren! Das Licht! unsere Hoffnung!

Am hl. Abend sind all meine sehnsüchtigen Gedanken bei Euch daheim unterm Christbaum.

Gebe Gott, daß wir das nächste Weihnachtsfest endlich gemeinsam feiern!

Euer Vater.

10. RK.
15.12.47
[nach 10.12. abgesandt, da zunächst von der Zensur zurück­gegeben]

9.2.48

Antw. 22.II.

Rotkreuzkarte mit angeheftetem Foto vom 7.12.47; mangels Heftklammern hat man feinen Draht verwendet

RK 14 (17.11.) am 12.12. erhalten. — Briefe seit längerem nicht mehr ausgehändigt. — Grüßt Ruth, Albert. — Bild: Ernst, wie immer auf Fotos. Einzig echt ist volles Gesicht. [Rest der Zeile erst geschwärzt, dann abgeschabt][12]

Karte/Antwort ab am 22.II.: Wiederholung des Textes der langen Karte v.8.2.: H. Bauer hier. — H. Flick hier. — Dein Foto: ernst, nicht mager. — Neues: Kriesel grüßt; Hensel (Schuldiener) auch. — Krüger Gewerbe-Lehrer in Lichtenberg. Carola hat Chaiselongue – wir senden bald Deckbett. Keine Briefe von uns, also auch die Fotos von uns. Tut uns leid. — Seit 3 Tagen Kälte. — Von Joachim seit Hl. Abend keine Nachricht. — Es grüßen: Pylka, Bauer, Tante u. Dein Vater u. Deine Mutter.

14. RK.
5.1.48
31.1.48 MOSCOU
Dez. 47 [Bildunterschrift eines hier angeheftet gewesenen Fotos, evtl. wie auf Karte vom 15.12.47]

Meine liebe Frau!

Anbei eine Gelegenheitsaufnahme. Etwas unnatürlich. Aber der gute Futterzustand ist erkennbar. Näheres darüber auf Karte 10 und 11 an Eltern. — Briefe werden momentan nicht (ausgehändigt)*. — Durch Radio und Zeitungen aus Berlin + d. Ostzone erfahren wir von den Vorgängen in Deutschland. — Wundere Dich nicht über den meist banalen Text meiner Karten. Es geht nicht anders. Was meine Seele bewegt, werde ich Dir erzählen, wenn ich, wieder daheim, Seite an Seite mit Dir zusammensitze. Deine RK. vom 23.11. habe ich am 3.1.48 erhalten. Ja, haben wir nicht herrlich schöne Zeiten erlebt, Liebstes? Cammin! Landsberg! Potsdam! Berlin! selbst Landshut war schön! Und wenn ich heimkehre, werden wir genau so intensiv glücklich leben, wie damals! So, als sei jeder Tag der letzte unseres Lebens. Umso mehr, als ich erkannt habe, daß nichts im Leben selbstverständlich ist, u. ich auch die kleinsten Freuden d. Lebens dankbar genießen werde. — — Nur noch knapp 12 Monate! Nach den Worten namhafter sowjetischer Staatsmänner[13] werde ich ja spätestens Ende 48 entlassen sein.

Dein Herbert

  • ) befördert.
RK 15
20.1.48
Rotkreuzkarte, ursprünglich mit angeheftetem Foto, befindet sich als einziges Beispiel im Tagebuch.
Anschriftseite mit Zensurstempel

Geliebte!

Dieses Bild vom August 47 schon natürlicher [Rest des Satzes geschwärzt] Durch Radio u. Zeitungen (meist Berliner) werden wir über die Vorgänge in Deutschland laufend unterrichtet. – Zu den bemalten RK.: Wir haben im Lager 1 Kunstmaler, der Material + Hilfsmittel aus Moskau mitgebracht bekommt, wenn er sie in unserer Stadt nicht erhält. – Das Foto ist im Lager gemacht [Rest des Satzes geschwärzt] Das Thema Heimkehr wird jetzt häufiger besprochen, als früher. Und immer öfter weilen meine Gedanken bei Dir zuhause, mit Plänen, Wünschen u. Hoffnungen. Nur noch höchstens 11 Monate, dann sind wir wieder vereint! So Gott will, soll uns dann bis an unser Lebensende nichts mehr trennen!! – Deine RK 29 vom 30.11. am 10.1. erhalten. – Zu RK 14: andernfalls Nachfrage beim Genfer R.K. Ewig Dein

Herbert.

RK 12
18.2.48
8.3.48 MOSCOU

an 13.3.48

Antw ab 21.3.

Liebe Eltern!

Außer Briefen erhalte ich Eure Post laufend. Die letzten Karten waren RKK 11 (v. 28.9.), RKK 14 (16.11.), RKK 16 (7.12.) — In 10 Monaten werde ich ja zuhause sein + dann gibt es unendlich viel zu erzählen. Gerade in den letzten Jahren kamen mir oft Erinnerungen an frühere Zeiten. Was für herrlich schöne Zeiten haben wir noch gemeinsam in Landsberg verlebt! Und eine lustige Laune des Schicksals: Für Papas Klöße mit Backpflaumen damals in Thorn konnte ich mich in Landsberg mit 1 Vanille-Milchnudel-Suppe revanchieren! — Sagt mal: Was habt Ihr nun für 1 Eindruck von Carola u. d. Kindern[?] Sie haben doch 45 einige Wochen bei Euch gewohnt. —

Der Winter ist nun schon fast überstanden. Er war diesmal recht milde mit mehreren Tauwetterperioden. Augenblicklich leichter Frost. Seit 14 Tagen bin ich etwas erkältet, Husten + Schnupfen. Bisher die einzige Erkältung in diesem Winter. —

Grüßt Joachim. Da Briefe nicht befördert werden, habe ich Eure Nachrichten über ihn nicht erhalten. Gruß allen Bekannten.

Euch, liebe Eltern, wünsche ich Gesundheit + langes Leben + frohes Wiedersehen! Euer Sohn Herbert

7.3.48
erh. 24.4.48

beantw. 6.5.48 an Lager 7401/12

Liebe Frau!

RKK. 31 u. 32 vom 12.12.47 am 6.1. erhalten. An Briefen habe ich etwa 8 bekommen. Daß Briefe schon seit längerer Zeit nicht mehr befördert werden, schrieb ich Dir bereits.

Ich kann nur noch einmal wiederholen, Liebes, daß ich glücklich u. überrascht bin, aus Deinen Zeilen immer wieder die fast völlige Gleichheit unserer Ansichten u. Gedanken zu lesen. Und wenn nun noch von beiden Seiten liebevolles Verständnis für die Eigenarten des anderen kommt, sowie der Wille zur gemeinsamen Überwindung aller äußeren u. inneren Schwierigkeiten, dann sehe ich in 9 Monaten eine vielleicht schwere, aber glückliche Zeit beginnen. Dann werden wir mit der Durchführung eines großen Wiederaufbau-Programmes beginnen, das ich mir vorgenommen habe. Und der 1. Festtag, den wir nach meiner Heimkehr gemeinsam feiern werden, ist unser Hochzeitstag!*) Und dies ist meine tiefste Überzeugung: Die wichtigste Voraussetzung für eine glückliche Ehe ist die Harmonie der Seelen. Alles andere ist von 2.rangiger Bedeutung.

[1 ½ Zeilen geschwärzt] bis zum Eintreffen d. nächsten RK zu warten. Gruß an alle Verwandten u. Vettings. Immer Dein

Herbert

*) außer Neujahr

RK 13
21.3.48
an 26.4.
Meine lieben Eltern!

Meine neue Lagernummer: 7401/12. Ich bitte Euch, diese Veränderung gleich der Carola mitzuteilen. Neuer Arbeitsbereich: Waldarbeit. Sicher eine angenehmere Arbeit für den Sommer, als die Fabrikarbeit im alten Lager. Kam allerdings auf diese Weise gut über den Winter, da dort oft in geschlossenen Räumen gearbeitet wurde.

Eure Nachrichten über Joachim habe ich nicht erhalten, da keine Briefe ankommen.

Habt Ihr mein Foto erhalten?

Wir liegen etwa 80 km ostwärts einer namhaften Großstadt. Wenn Ihr diese Karte erhaltet, sind es höchstens noch 8 Monate bis zu unserem Wiedersehen. Und Achim kommt bestimmt noch früher nach Hause, als ich. So werdet Ihr also in einem halben Jahr den ersten Sohn wieder in die Arme schließen können! Eine kurze Zeit! Bleibt nur gesund!

Grüßt alle Bekannten! Herzliche Grüße! Euer Sohn

Herbert

RK 14
25.3.48 Mamas Geburtstag
an 2.5.48
Rotkreuzkarte mit selbstgemalter Zeichnung

Liebe Eltern!

In einer ruhigen Stunde fiel mir auf, daß sich in dieser Zeit viele Gedenktage zusammendrängen: Mamas Geburtstag, mein Geburtstag, Muttertag, Ostern, Frühlingsanfang. Da habe ich mich dann hingesetzt und diese Karte gemalt. Leider ist die Schrift unter d. Bild völlig verunglückt.

Ich weiß, daß meine Karten immer sehr nüchtern ausfallen. Oft möchte ich Euch viel Liebes sagen, aber es widerstrebt mir, offen hinzuschreiben, was ich im Herzen fühle. Ihr werdet mich deshalb nicht für undankbar halten.

Nur noch eine kleine Weile, und wir werden uns wiedersehen! Ein gutes halbes Jahr! Wie viele viele andere haben längere Trennungszeiten zu überstehen gehabt! Und Achim kommt sicher noch früher nach Hause, asl ich. Der feiert, so Gott will, schon Papas Geburtstag mit Euch zusammen. Vielleicht gibt es auch eine große Übrerraschung und er steht schon in den nächsten Wochen eines Tages vor Eurer Tür!!

Grüßt alle Bekannten! Immer Euer Sohn Herbert

18.4.48
erh. 31.5.48

[Brief] Nr. 1

••• S. 1) ••• Meine geliebte Frau!

Da wir nach dem neuesten Befehl jetzt vierteiljährlich 1 Brief schreiben können, mache ich gleich davon Gebrauch. Eine Antwort in Briefform ist Dir allerdings verboten.

Durch die letzte Karte der Eltern erfuhr ich, daß Du mein erstes Bild erhalten hast. Die Kameraden hier meinen, ich sähe aus wie ein Bankräuber. Inzwischen hast Du aber sicher schon das zweite, natürlichere Foto bekommen.

Albert hat nun den Anfang gemacht. Achim wird der nächste sein.

Weißt Du noch, wie oft ich mich über Dinge belustigt habe, die Du in Deiner „Gefühlskiste“ hattest? Und wie auch ich an einigen solchen Dingen hänge, habe ich erst jetzt gemerkt. Der Verlust meiner Bücher, Fotos, Tagebücher etc. in Cammin trifft mich schwerer, als der meines ganzen übrigen Vermögens. Denn Hab + Gut kann man sich wieder erarbeiten, diese Sachen aber sind für immer verloren!

Ich habe übrigens vieles gerade an häuslichen und hausfraulichen Angelegenheiten und Arbeiten zu würdigen gelernt, an denen ich bisher gedankenlos vorübergegangen bin. So sonderbar es klingen mag, es ist doch wahr: gerade während meines jetzigen Aufenthaltes habe ich Dich täglich mehr schätzen gelernt. Ich bin dem Herrgott sehr dankbar dafür, daß er Dich mir geschenkt hat. Und unsere augenblicklich so leidvole Trennung wird uns späteres Glück nur vergrößern!

••• S. 2) •••Es gibt aber kein ungetrübtes Glück auf dieser Erde. Auch vor den Preis des Himmels hat Gott den Schweiß des Leides gesetzt. Wer für würdig befunden werden will, muß sich Prüfungen unterziehen. Das Leben bietet oft so unfaßliche Härten, die jeder Erklärung spotten. Die Vernunft ist hier hilflos. Man kann nur Gottes Wege suchen, das ist die letzte Weisheit.

Der Schwache, der ewig mit seinem Schicksal hadert und und sich gegen das Leid aufzulehnen sucht, zerbricht daran. Man muß das Leid ertragen lernen. Wir müssen unseren Willen dazulegen, d.h. wir müssen „das Kreuz auf uns nehmen“. Indem wir das tun, überwinden wir es und beweisen unsere Kraft, denn im Leiden ist das herrlichste Geheimnis der Menschheit verborgen: die Fähigkeit, stärker zu sein, als alles. Und das wollen auch wir sein, meine liebe, tapfere Frau!

Nach diesen schweren Jahren muß es jedem klar geworden sein, daß wir nicht leben, um in Freude und Genuß zu schwelgen, Wer sein Leben nicht als Opferleben führt, führt es als Raub.

••• S. 3) •••Auch der Verzicht auf alle Freuden unserer Ehe ist ja ein Opfer. Und Deine Treue wird auf eine harte Probe gestellt. Nicht nur ich, sondern Gott wird es Dir lohnen!

In diesem Sinn betrachte ich auch die Zeit meines Hierseins keineswegs als völlig verloren. Ich habe sehr sehr viel hinzugelernt. Man könnte zum Menschenverächter werden. Aber wer immer nur den Schmutz sieht, das Negative hervorkehrt, das Unvollkommene und Minderwertige bemerkt, der verdüstert. Ebenso lebensfremd aber wäre es, nur das Gute sehen zu wollen. Der Glaube an das Gute, Edle und Große im Menschen schließt keineswegs aus, daß wir uns das Unedle, das ihn oft beherrscht, deutlich machen. Der reine Idealist geht auf dieser Welt zugrunde. Aus seinem Gold prägt man keine Münzen.

Es gibt Menschen, zu denen jede Beziehung geradezu verhängnisvoll wird. Die hält man sich am besten vom Leib. Man steht dann oft abseits. Aber lieber allein stehen, als von falschen Frenden umgeben sein.

Deine Gedanken und Vorsätze bezüglich unserer Ehegestaltung sind auch die meinen. Gewiß ••• S. 4) •••werden uns noch schwere Jahre bevorstehen. Denn eine Ehe, in der Mangel herrscht, ist nicht glücklich. Wo die Sorge um das tägl. Brot alle Gedanken erfüllt, wo die Erhaltung der Famile alle Kräfte des Mannes verbraucht, wo die Arbeit eine Last wird, weil sie die Kräfte übersteigt und die Menschen müde macht, wo keine Zeit für ein Familienleben bleibt, da ist vielleicht noch Pflichtbewußtsein, Gottergebenheit, ja selbst noch Liebe, aber niemals frohes Glück. Soweit wird es aber bei uns nicht kommen. Ich habe ja zuhause so ein flinkes wirbeliges Knirpslein. Mit der schaffe ich es! Wir haben ein großes Aufbauprogramm vor uns. Mindestens einen „Fünfjahresplan“![14] Aber wir werden uns auch die Zeit nehmen, an uns und unser Glück zu denken. Und ich glaube, wir werden viel viel Zeit ganz allein für uns zwei gebrauchen, Du....

Wenn Du diesen Brief in Händen hast, sind es höchstens noch 7 Monate. Dann bin ich da!!

Grüß bitte alle erreichbaren Verwandten und Vettings. Herzliche Grüße an die Jungens und viele liebste Grüße an Dich!

Dein Herbert

RK 17
28.5.48
beantw. 18.7.48

Lager 7168/16

Mein Herzlieb! K. 36 u. 37 erhalten. — Zu den Bildern: Die Sommeraufnahme kam so zustande, daß ich aus dem Schlaf geweckt u. gleich geknipst wurde. Daher der schläfrige Gesichtsausdruck. Kameradenmeinung zum Winterbild: Aussehe wie „Bankräuber“. Ich selbst habe hier noch 3 Bilder v. Alberts Hochzeit, 1 Postkartenfoto v. Dir, eins von Dir mit Jungens u. Janna, eins von uns beiden (Vorgarten zwischen Haus u. Straße). — Im April ging 1 Brief an Dich ab. — War Albert kein O. [vielleicht gemeint: Offizier]? oder war er krank? — Unter d. Heimkehrern sind leider manchmal Leute, die die Nachrichtenübermittelung zu egoistischen Zwecken auszunutzen vedrsuchen. Daher Vorsicht! — Wenn möglich, lege mir bitte 1 vollst. Garnitur zurecht (Schuhe, Wäsche, Anzug), damit ich mich mit Dir sehen lassen kann. — Wie viele kleine u. große Freuden u. Genüsse sind uns verlorengegangen! Aber es wird alles nachgeholt! Auf die aufgesparten Vorräte freue ich mich schon! Da es übrigens „auf die Lage nicht ankommt“, habe ich mir schon einiges zurecht-„gelegt“ (in Gedanken). Ob man das darf? — Wie wichtig ist doch für eine Ehe die gleiche religiös-weltsanschauliche Basis! Hieraus erklärt sich sicher die Häufigkeit unserer gleichen Gedanken u. Ansichten. Du wunderbares Mädchen! Manchmal glaube ich fast, Du liest oder ahnst meine Gedanken über hunderte von Kilometern. Auch ich halte die Zeit meines Hierseins keineswegs für völlig verloren. Habe viel gelernt. Und vor allem: Alles, was mir hier begegnet, trage ich in dem von Dir beschriebenen Sinn. — mit Deiner Absicht, zu fasten, hast Du wahrscheinlich übertrieben. Auf alle Fälle meine Meinung dazu: Das Gegenteil ist beser. Dünne Frauen sind nicht nach meinem Geschmack. Und Du willst mir doch sicher gefallen, nicht wahr?

Grüß Die Jungens, Fam. Arens u. Vettings u. Rudi Rommelers. Dein Herbert.

RK 15
28.5.48
an am 24.6.
Liebe Eltern!

Eure K 4 vom 21.2. am 15.4. erhalten. — Habe mit C[arola] ja bisher nur Urlaubstage verlebt, bin aber sicher, daß sich unsere Ehe auch im Alltag bewähren wird. Freue mich umso mehr, als auch Ihr dasselbe Gefühl habt. C. ist mit dem Mund manchmal etwas rasch (rheinisches Temperament!), aber im Herzen gut. Sie ist auch anpassungsfähig. Wir haben oft dieselben Gedanken, in wichtigen Fragen dieselbe Ansicht und ergänzen uns gut in unserem Wesen. Das ist entscheidend. Wir waren immer sehr glücklich zusammen u. werden es auch bleiben. — Nochmal Fall Hirtmann. Achim hat nach Rückkehr weit bessere Chancen, als diese Verbindung. Er möge bedenken: 1.) Daß in wichtigsten relig.-weltanschaulichen Fragen wohl keine Übereinstimmung besteht. Kindererziehung! 2.) Daß Eheleute sich gegenseitig formen, bilden + zu einem höheren, wertvollen Menschsein erziehen sollen. 3.) Daß er ein Leben lang in seiner selbstgewählten und auch meiner(!) Verwandtschaft leben muß. Er soll den Einfluß der Verwandtschaft nicht unterschätzen! 4.) auch die materiellen Vorteile sind anderwärts vielleicht größer. — Zeitung meldet täglichen Heimkehrersonderzug Frankfurt/O.–Schles.Bhf. [Berlin, Schlesischer Bahnhof] Ankunft Schles.Bhf. zwischen 6 u. 7 Uhr morgens. Gelingt Fahrtunterbrechung zu Eurem Besuch nicht, dann können wir uns wenigstens auf dem Schles.Bhf. vorerst mal kurz sprechen. Darüber näheres, wenn Heimkehr akut wird. — Carola schreibt, Papa sei unglaublich fleißig. Dazu meine Meinung: Ihr sollt Euch schonen, damit wir ein gesundes Wiedersehen feiern können!!! — Der 1. Mai wurde als großer Feiertag d. Werktätigen festlich begangen: arbeitsfrei und besseres reichliches Essen. Ich außerdem Geburtstagsnachschlag! — Manche Heimkehrer versuchen sicher, bei der Nachrichtenübermittlung irgendwelche persönlichen Vorteile herauszuschlagen. Daher Vorsicht! Gruß an Ruth, Albert, Achim, Hilde Voß u. alle Bekannten

Euer Sohn Herbert

28.6.48
6.7.48 MOSCOU

an am 10.7.48

an Carola Inhalt geschr. am 22.7.48

be mit Karte Nr. 8 am 2.9.48

Abs. Lager 7168/16

Liebe Eltern!

Eure Karten 5 u. 6 vom 1. u. 16. Mai habe ich dankend erhalten.

Die letzte Änderung der Lagernummer ist nur eine Nummern-Änderung.

Das Bild[15] entspricht nicht so ganz meinem wahren Gefühl. Ich mache ja auf Fotos immer ein bärbeißiges Gesicht. In Wirklichkeit sieht man mir wohl an, daß ich älter geworden bin, aber sonst bin ich der alte geblieben, vielleicht reicher an Lebenserfahrung und Menschenkenntnis.

Bei meiner Fachliteratur (Erdkunde) im Schrank stehen Bücher von Griep. Die besten davon fehlen aber, weil ich sie nach Cammin mitgenommen hatte. (die Deutschland-Bände, Oberstufe) Wenn Papa bei gelegentlichen Lehrer-Zusammenkünften eins oder das andere wiederbekäme, vielleicht von Griep, Hollenbach, Haase oder anderen Fachlehrern, wäre das sehr schön. (Vor allem der Bilder wegen). Papa soll sich aber deswegen auf keinen Fall extra Laufereien machen!! So wichtig ist das nun wieder nicht!

Im übrigen kann ich nur immer wiederholen: Schont Eure Kräfte! Wir wollen uns alle gesund wiedersehen.

Im Grunde meines Herzens zieht es mich immer noch nach Berlin. Ich gehe aber erst nach Warendorf. Von dort aus werde ich dann erst mal abwarten, wie sich die Berufsaussichten gestalten. Bei günstiger Veränderung der Lage werde ich aber wahrscheinlich früher oder später nach Berlin kommen. Carola hat allerdings keine Lust dazu.

Ich bin gespannt, ob nach der Währungsreform von unserem Geld noch etwas übrigbleibt. Ich habe jedenfalls alles abgeschrieben, und diesen Verlust sonderbarerweise schneller verschmerzt, als den meiner Fotos!

Von Euch noch keine Bilder eingetroffen.Auch die angekündigte Post von Albert nicht.

Hier geht alles seinen gewohnten Gang. Man arbeitet, ißt, schläft. In der Freizeit unterhält man sich oder läßt sich, z. B. an arbeitsfreien Sonntagen, von der Lager-Kapelle mit Musik im Varieté unterhalten. Tageszeitungen bekommen wir auch.

Grüßt Ruth, Albert, Achim, Hilde Voß, Schmidt, Pylka, Ahlemann u. alle sonstigen Bekannten.

Euch selbst viele herzliche Grüße

Euer Sohn

Herbert

RK 18
4.7.48
beantw. mit Brief Nr. [Nr. leer gelassen]

1. Aug. 1948

Liebstes! Deine K38 v.6.5. am 17.6. erhalten. Scheinst sehr rührig zu sein. Bist Du immer noch so wirbelig, wie früher? — Riesel war übrigens nicht mein Freund. Seine Mitteilungen sind daher mit Zurückhaltung aufzunehmen. A propos Heimk.: Die meisten kennen mich nur oberflächlich. Laß’ Dich von ihnen nicht ausnutzen! — Änderung d. Lager-Nr. tatsächlich nur Nr.-Änderung. Wir sind bei unserer Waldarbeit schön braun gebrannt. Aber ich sehne mich nach meiner Berufsarbeit, weil sie anregender ist. Bin froh, daß Jungens gut lernen. Äußerst wichtig! Noch wichtiger als bloße Kenntnisse ist aber die Fähigkeit, sich u. seine Kenntnisse ins rechte Licht zu setzen. Es gibt Menschen, die trotz umfangreichen Wissens eine untergeordnete Rolle spielen , weil andere mit weit geringeren Kenntnissen es besser verstehen, sich in den Vordergrund zu schieben. — Es kommen übrigens wieder Briefe an. — Heb’ die Tonnebuhr-Urkunden auf, sofern Du sie noch hast!! Wir werden sie noch einmal gebrauchen! — Ich bin froh, daß Du neben den vielen Sorgen d. tägl. Lebens noch Zeit und Kraft für geistige u. geistliche Dinge findest. Ja, es gibt höhere Werte u. höhere Wonnen, als nur die, zu leben. Diese Gewißheit läßt uns alles irdische Leid leichter ertragen. Meine Seelenstimmung ist auch keineswegs als unglücklich zu bezeichnen. Die hast Du wunderbar aus dem 1. Bild erkannt! Wir lachen jetzt sogar häufiger, wenn wir an die Zukunft denken! — Grüß’ die Jungens, die Verwandten u. Vettings!

In Treue Dein Herbert.

2. Brief
18.7.48
erh. 3.9.48
Mein Wirbelchen!

Ich kann mir denken, daß Du gerne etwas Näheres über mein tägl. Leben hören möchtest. Aber ich kann darüber nicht ausführlicher schreiben. Außerdem halte ich es für wichtiger, unsere geistig-seelischen Bande lebendig zu erhalten + zu festigen, soweit das eben auf Postkarten möglich ist. In wirtschaftlichen Dingen kann ich Dir von hier aus keine Ratschläge geben, weil ich 1. die dortigen Verhältnisse nicht genügend kenne, und 2. Du wohl selbständig damit fertig wirst, denn Du hast noch nichts gefragt. Eine meiner hiesigen Erfahrungen will ich Dir aber zum Nutzen der Jungens mitteilen: Man kann nie genug lernen. Und wenn Du den Jungens Gelegenheit geben kannst (ohne sie zu überlasten), dann laß’ sie lernen; gleichgültig, ob 1 Handwerk, 1 Musikinstrument oder sonstiges nebenbei.

Die augenblickliche Lage zwingt uns tatsächlich, irdischer und realistischer als bisher zu denken und zu handeln. Denn bei aller Abneigung gegen eine Anschauung, die die Erfüllung ihres Lebens ausschließlich im Genuß und in der Schaffung persönlicher Vorliebe sieht, heißt es auch für uns zunächst: Geld verdienen! Die materielle Grundlage der Familie muß erst gesichert sein, dann können auch alle anderen Belange zur Geltung kommen. Und das werden sie! Knirpslein!

Wie oft denke ich an Regentagen: Wenn Du jetzt zuhause wärst, dann wärst Du trocken, dann würdest Du Dir mit der Carola einen wunderschönen gemütlichen Nachmittag machen, mit Lesen, Erzählen, ein paar Leckereien und viel viel Zärtlichkeiten..... Wir werden Lebenskünstler werden müssen. Lebenskunst ist aber nicht die Kunst, sich durch Betrug u. geschickte Geschäftsmanöver ein Vermögen zu erraffen, sondern mit dem auszukommen, was man hat. Es ist nicht die Kunst, sich 1 Höchstmaß an Genuß zu verschaffen, sei es auch feinster seelischer Art, sondern alle Körper- und Sedelenkräfte auf einen Punkt harmonisch auszurichten, in dem unser Lebens- und Tätigkeitsdrang seine Befriedigung findet. Für mich ist dieser Punkt, dieses Lebensziel: Gott.

Hast Du eigentlich meine Aufzeichnungen gelesen, die in Cammin geblieben sind? Weißt Du, was ich über Dich geschrieben habe? .... Ich habe 1 Frau gefunden, deren Temperament dem meinen absolut entgegengesetzt ist. ••• S. 2 •••Sie ist eigentlich gar nicht mein „Typ“, denn ich suchte in meiner Vorstellung immer eine sanfte, anschmiegsame, hilfsbedürftige Frau und fand eine sehr kluge, selbständige und eigenwillige, dennoch bin ich heute froh darüber. Gewiß ist es leichter für den Mann, eine nur liebende, hingebende Frau neben sich zu haben, als eine Persönlichkeit. Und doch ist es besser so, weil unsere Kinder sie brauchen für ihre Entwicklung, besonders bei meiner jahrelangen Abwesenheit. Aber auch ich brauche sie zu meiner Entwicklung, denn die Ehe erschöpft sich ja nicht in gegenseitiger Liebe. Die Aufgabe der Ehegatten ist, sich in gegenseitiger Formung und gemeinsamer Arbeit zu 1 höheren Sein emporzuarbeiten, zu immer größerer menschlicher Vollkommenheit zu gelangen und sich gegenseitig in den Himmel zu bringen. Und das Wertvollste ihres Wesens + Charakters an ihre Kinder weiterzugeben mit der Bitte an den Herrgott, daß die Gnade die Natur sie gnädig[16] unterstützen möge...“ Das einzig Unverlierbare, was wir den Kindern mitgeben können, ist ein anständiger Charakter, gute Erziehung + gediegene Bildung. Dazu einen klaren Blick für die rauhe Lebenswirklichkeit und die Energie zu ihrer Meisterung. Das ist sehr wichtig, denn mit dem ersteren kann man meist kein Geld verdienen. Im Gegenteil: Gerade den wertvollen, höheren Menschen wird das Mißverhältnis zwischen ihrer inneren Welt und der äußeren, in der sie leben müssen, zur Tragik, weil ihr reineres Wollen, ihre bessere Einsicht an der Schlechtigkeit + Kurzsichtigkeit dieser Welt scheitert. Der Prototyp eines solchen Menschen ist Christus selbst. Die Die Gestalt + das Leben Jesu ist die größte + erschütterndste Tragödie, die die Menschheit erlebt hat. Es ist die Tragödie des reinsten, göttlichen Menschen, der in diese unvollkommene Welt geworfen wurde.

Du brauchst nicht zu fürchten, daß mich meine Neigung zum Philosophieren lebensfremd macht. Ich habe gerade in den letzten 3 Jahren sehr realistisch denken gelernt! Bei aller Pflege unserer geistigen uns seelischen Bedürfnisse werden wir auch unsere körperlichen Wünsche und Sehnsüchte nicht vergessen!! Bleib’ nur brav und schone Dich! In inniger Liebe

Dein Herbert

Gruß an alle Verwandten + Vettings.

[auf dem Umschlag hat die Empfängerin etwas notiert, das eine Antwort oder ein Text für andere Zwecke sein könnte:] moralische Aufrüstung: Du kannst anders werden, wenn Du dazu bereit bist. Wie? Sei nüchtern und prüfe. Prüfe Dich an 4 Maßstäben: absolute Ehrlichkeit, abs. Reinheit, abs. Selbstlosigkeit, abs. Liebe. Du wirst vieles sehen, was bei Dir anders werden muß. Was fällt Dir auf, wenn Du mit dem Finger auf den anderen zeigst? Zeigen nicht 3 Finger auf Dich selbst? Die wahre Kraft der „inspirierten Demokratie“ liegt in dem sittlichen xxx Frau.
Der Gehorsam vor Gott ist das Herz aller inspirierten Demokratie. Du kannst anders werden. So wie du bist, wird Deutschland sein.
Es geht nicht darum, wer recht hat, sondern was recht ist!
Versuche es zu Hause. Wenn in der Familie niemand etwas verheimlicht und jeder dem anderen hilft, sein Bestes zu geben, wird das Haus ein Heim und die Keimzelle.
Wir müssen kämpfen gegen Furcht, Unehrlichkeit, Verantwortungslosigkeit, Selbstsucht: gegen den Materialismus. Wir brauchen eine Revolution der Herzen. [evtl. Fortsetzung auf dem Umschlag vom 22.8.?]
RK 16
28.7.48
an 30.8.48
Liebe Eltern! Lese soeben in der Zeitung die Zuzugsbestimmungen für Berlin. Demnach habe ich die Möglichkeit, noch ½ Jahr nach meiner Entlassung nach Berlin zurückzukehren, weil ich dort 1.) gewohnt und 2.) noch Angehörige habe. Also habe ich in W. noch ½ Jahr Bedenkzeit.

Eigentlich können wir uns über die diesmalige lange Trennung kaum beklagen. Ich habe doch bis zu meinem 30. Lebensjahr bei euch gelebt + gewohnt. Ich glaube, es sind nicht viele Eltern und Kinder, denen ein so langes Zusammenleben beschieden ist. Wie viele viele hatten nicht dieses Glück!

Maxim Gorki gibt hervorragende Schilderungen der russischen Menschen und der Zustände im früheren Rußland. Wenn es Euch interessieren sollte, lest ’mal „Meine Kindheit“, „Meine Universitäten“, „Unter fremden Menschen“, „Erzählungen“.

In diesem Monat sind 2 große Transporte von hier abgefahren. Es sind auch Berliner dabei. Wie gesagt: Laßt euch von Heimkehrern nicht ausnutzen. Schreibt das bitte auch der Carola.

Ich folge später. Bin noch gesund. [ein Wort abgeschabt]

Grüßt alle Bekannten. Immer Euer Sohn

Herbert.

RK 19
1.8.48
24.8.48 MOSCOU

erh. 6.9.48

Mein Liebstes! Im vergangenen Monat sind 2 große Transporte von hier abgefahren. Ich selbst folge später. Bin noch in gutem Ernährungszustand, aber sehr nervös. Du wirst anfangs viel Geduld mit mir haben müssen. — In meiner Post wiederholen sich manchen Gedanken. Das macht nichts. — Noch einmal Landshut: Dort hat Deine junge Liebe die erste schwere Prüfung bestanden. Du hast Dich ganz allein + aus freien Stücken für mich entschieden. Diesen freien Entschluss, diesen Liebesbeweis wollte ich haben, darum bin ich Dir absichtlich nicht entgegengekommen. Ich entsinne mich der Worte Gudruns, als man ihr Gerüchte über angebliche Untreue ihres Ihres Gatten zuflüsterte: „Und wenn ich es mit meinen eigenen Augen sähe, mein Herz sieht es nicht!“ Welche maßlose Liebe + Treue, welch’ erschütternde Seelengröße! — Knirpslein, unsere augenblickliche Trennung ist zwar sehr bitter, aber die Freude der Wiedervereinigung wird umso größer sein. Und ich muß sagen, mir ist letzten Endes ein erlebnisreiches, bewegtes Leben lieber, als ein seicht dahinfließendes, langweiliges Spießervegetieren. Ein Leben muß Höhen und Tiefen haben, Abwechslungen, Erlebnisse u. Erschüttterungen (sie brauchen nicht immer trauriger Art zu sein). Nur aus einem reichen Leben kann man Weisheiten schöpfen, und die größte Gefahr für ein Eheglück ist die Langeweile. Da wir ja nun unsere materiellen Reichtümer verloren haben, wollen wir uns wenigstens die übrigen erhalten. Alles soll zu seinem Recht kommen: Geist, Seele, Körper. Was ich davon besitze, will ich Dir geben. Du sollst maßlos glücklich + satt werden. Und wenn es auch leider so ist, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen, so wird mein Bäumchen doch rank + schlank in die Höhe streben, um unsere Sehnsucht zu erfüllen. Und jeden Tag des Lebens wollen wir so leben, als sei es der letzte.

In Liebe Dein Herbert.

3. Brief
22.8.48
28.8.48 MOSCOU

erh. 6.9.48 Nr. 3?

Meine liebe liebe Frau!

Vorgestern erhielt ich Deinen Brief vom 20.6.. Ich muß ehrlich sagen, daß Du mich etwas nachdenklich gemacht hast. Aus Deiner bisherigen Post hatte ich im allg. einen günstigen Eindruck von der wirtschaftlichen Lage, denn Du schriebst vor nicht allzu langer Zeit, daß Du beinahe eine Fastenzeit nötig hättest. Heute aber entwirfst Du aber ein recht düsteres Bild. Ich versuche natürlich immer, auf Grund Deiner Nachrichten, mir 1 Bild von der Lage zu machen und zu irgendwelchen Entschlüssen zu kommen. Das kann ich aber bei so unterschiedlichen Meldungen nicht. Vielleicht ist es müßig, jetzt schon Pläne zu machen, weil wir hier sicher ein ganz schiefes Bild von den heimatlichen Verhältnissen haben. Eines aber ist sicher: Größere Möbelanschaffungen machen wir vorerst nicht, selbst wenn wir die Mittel dazu hätten.[17]

Ich habe es bisher vermieden, Dir die Annahme einer Arbeit zu empfehlen. Wenn ich wieder im Beruf bin (Du scheinst nicht sehr damit zu rechnen?). wirst Du es auch nicht tun. Bis ••• S. 2 •••dahin scheint es aber doch angebracht zu sein, wenn Du Dich nach einer Verdienstquelle umsiehst.

Es ist richtig nett von Dir, daß Du Dich in dem Brief so für mich einsetzt, aber es ist auch leider völlig zwecklos. Alberts Entlassungsgeschichte, die keineswegs vereinzelt ist, muß Dir doch schon genug sagen. Du siehst ja auch, daß die in Deinem Brief unterstrichenen Gründe eben nicht angenommen werden. Hier sind Kameraden, die als alte Kommunisten viel aktiver gegen die Nazis gekämpft haben, als ich. Maßgebend ist, daß ich Offz war. Bezüglich dieser ganzen Fragekann ich Dich nur an den Ratschlag erinnern, den ich Dir für das Jahresende gab.

Hier ist richtiger Hochsommer. Flimmernde Hitze liegt über Land und Wald. Wir arbeiten mit freiem Oberkörper, braungebrannt. Ich schwinge die messerscharfe Axt. Man bekäme Bärenkräfte, wenn die Voraussetzungen da wären. Immerhin haben sich die Verhältnisse im Lauf der 3 Jahre in vielen Dingen gebessert. Ich kann ••• S. 3 •••mir zusätzlich Brot besorgen und bin in durchaus befriedigendem Ernährungszustand. Ich wäre froh, wenn ich so nach Hause kommen könnte. Auch Du hättest Deine Freude daran!

Einer meiner Kameraden war früher jahrelang in Landsberg/W. Wir tauschen daher oft Erinnerungen aus, und ich denke dann mit etwas Wehmut an Deine Besuche und die herrlich schönen Tge dort.

Kürzlich ist mir beim Lesen einer Keller-Biographie wieder klar geworden, wie ungeheuer wichtig für die Persönlichkeitsentwicklung der Personenkreis ist, in dem man lebt. Man empfängt Anregungen, tauscht Gedanken, pflegt Geselligkeit und Freundschaft. Also auch alles das, was man unter Milieu-Einflüssen zusammenfaßt. Damit gewinnt die Frge des Wohnortes eine entscheidende Bedeutung. Auch für die Heranbildung der Kinder ist ein Ort mit einer regen, aufgeschlossenen Bevölkerung mit weitem Horizont und einem entsprechenden Bekanntenkreis notwendig. (Das schrieb ich schon mal vor langer Zeit). Der Mensch ist wie eine ••• S. 4 •••Pflanze: Dauerndes Verpflanzen bekommt ihm nicht. Er gedeiht am besten dort, wo er Wurzeln geschlagen hat, in dem Placken Erde, in der Landschaft und in der Gesellschaft, in der er aufgewachsen und mit der er verwachsen ist.

Unter diesen Gesichtspunkten werden wir auch unseren andgültigen Wohnort suchen, sofern uns nicht besondere Gründe zu anderen Maßnahmen zwingen. In diesem Fall müssen wir dann eben mit einem bescheidenen Dasein uns zufrieden geben.

Nun habe ich 4 Seiten vollgeschrieben, aber sicher nicht 1 Wort von dem, was Du gern hören möchtest. Aber etwas ganz Wichtiges muß ich Dir nun doch noch sagen: Ich hab’ Dich unendlich lieb! Bleib’ brav, Liebstes, und sei von Herzuen gegrüßt! Immer Dein

Herbert.

Gruß an Kinder, Arens und Vettings.

[auf dem Umschlag hat die Empfängerin etwas notiert, das wie eine Fortsetzung der Notiz auf dem Umschlag vom 18.7. wirkt:] Wir brauchen eine echte Demokratie, in der Gott auf der Kommandobrücke steht und jeder seine Anweisungen ausführt.

RK 17
24.8.48
28.8.48 MOSCOU

an 2.9.48

Liebe Eltern!

Papa hat mir einmal 1 maschinengeschriebene Aufstellung über sämtl. Versicherungen, Urkunden u.s.w. gemacht, die ich nicht wieder mit nach Hause bringe. Daher noch 1 Frage: Wer hat die unter „Herbert, e, g, h und i aufgeführten Urkunden? (z.B. auch Abitur. Staats- und pädagog. Examen u.s.w.)

Durch die Währungsreform u.a. Erlasse ergeben sich ja Veränderungen in den Spar- u. Girokonto-Angelegenheiten. Seid bitte so gut und unternehmt eventuell notwendig werdende Schritte zur Erhaltung der Konten oder was sonst gerade nötig ist.

Gorki ist ungeheuer modern. Was er schrieb und schilderte, gilt auch heute noch!

Carola schreibt, daß Achim seine Heimkehr angemeldet hat. Ist er inzwischen eingetroffen? Das wäre ja eine Riesenfreude! Eure nächste Post wird mir Gewissheit bringen. Na, allmählich wird ja alles wieder gut! Euer Sohn

Herbert

Gruß an Fam Bauer, Pylka, Ahlemann, Schmidt, Voß, Achim

RK 20
12.9.48
erh. 11.10.48
Meine liebe liebe Frau! K 39 (18.7.) am 23.8., Brief 40 (3.8.) am 30.8., K 41 (20.8.) am 10.9. erhalten. — Inhalt m[eines] letzten Briefes: Mußte lachen über die von Dir geplante Behandlung m. Person bei Heimkehr. In 1 Punkt irrst Du gewaltig. Wo Du „aus!“ schreibst, geht es erst los! An dem Tag wirst Du kaum Gelegenheit finden, 1 Anzug für mich zu besorgen! — Liebes Rennpferdchen, hast Dich doch nicht verändert, Du kleines Wiesel! Soll kein Vorwurf sein. Bin sogar sehr froh, daß Du Dir Deine Vitalität erhalten hast. Ist wichtig und außerdem – sehr schön! — Warst auf Alberts Hochzeit ja etwas abweisend. Daher scheut verbranntes Kind das Feuer + tastet erst vorsichtig vor. Aufnahme freundschaftlicher Beziehungen (von mir sehr erwünscht), muß wohl von Dir ausgehen. Der Herr muß ja warten, bis oder ob die Dame ihm d. Hand reicht. — Soweit ich Toddi kenne, ist er sehr sensibel u. muß zu größerer Selbstsicherheit u. Selbstbewußtsein erzogen werden. Schadet nichts, wenn er etwas d. Ellenbogen gebrauchen lernt. — Bernhards edle Hilfsbereitschaft findet meinen höchsten Dank. — Gruß an Kinder, Verwandte, Vettings. —

Entnehme aus Text D[einer] letzten Post, daß Achim zuhause ist. Gott sein Dank! — Habe in letzten 4 Jahren ungeheuer viel Menschenkenntnis u. Lebenserfahrung gesammelt, die unserem Zusammenleben zugute kommen wird. Unvermeidlicher Alltagsstreit gefährdet unsere Gemeinschaft nicht. Wir sind unzertrennlich! Ewig Dein Herbert.

RK 18
25.9.48
5.11.
Liebe Eltern u. Joachim!

Eure RK 8 am 23.9. eingetroffen. Ist meine RK 15 (v. 28.5.) angek.? Ich freue mich gewaltig, daß der „Kleine“ aus dem Krankenhaus entlassen ist. Die Bestie hat ihn ziemlich schlimm zugerichtet. Was die Verwandten auch reden und schreiben mögen: [geschwärzt; „Krankenhaus“ und „Bestie“ hat der Zensor aber nicht richtig verstanden]!

Von Albert keine Post. auch von Achim. keine Zeile erhalten. Grüßt beide besonders herzlich von mir. Auch ich wollte Achim schon raten, Lehrer zu werden.

Mit m. Heimkehr müßt ihr Euch noch etwas gedulden. Ich bin gesund + gedenke auch so nach Hause zu kommen. Das nervöse Herz hatte ich ja schon früher etwas.

Ich vergaß bei der Aufforderung zum Lesen hinzuzufügen, daß es sich allerdings nicht lohnt, die Bücher zu kaufen. Ihr sollt euch nur ein Bild machen können. Das kann wohl Achim auch besorgen.

Das Leben geht hier s. gewohnten Gang: Wir arbeiten, essen u. schlafen u. haben alles, was wir hier brauchen: Nach Feierabend 1 warme Stube, Radio, Bücher, deutsche Zeitungen (Berliner) u. sonntags Musik u. Varieté.

Herzliche Grüße! Euer Herbert.

RK 19
25.10.48
an 21.11.
Liebe Eltern u. Joachim!

RK 9 v. 12.9. am 1.10. erhalten.

Seht Ihr, ich habe mit meiner Behauptung, daß Achim eher käme, Recht behalten! Nun könnt ihr gemeinsam Papas Geburts-tag feiern. Auch dies sagte ich voraus. Dem lieben Papa zum Geb.-tag Gottes Segen u. noch viele zufriedene Lebensjahre im Kreise d. ganzen Familie! Vielleicht sind wir eher wieder alle beisammen, als wir vermuten. Und wenn nicht, dann sehen wir uns eben sogar mit d. lb. Großeltern, an die ich in letzter Zeit öfter gedacht habe, im Jenseits wieder. — Papa soll nicht so schuften u. Mama muß sich auch schonen, wo es nur immer geht. Carola schreibt mir wieder, daß P[apa] „unerhört arbeitet“ u. Mama durch Einkäufe „entsetzlich belastet“ sei. Sie wird wohl, selbst ihre Neigung zur Übertreibung eingerechnet, Recht haben! – Ihr tauscht doch mit Carola immer d. wesentlichen Inhalt meiner Post aus, nicht wahr? – Das Karnickel habt ihr hoffentlich in ein Empfangsessen für Achim umgewandelt, oder 1 Geburtstagsbraten für Papa. Wartet nicht etwa auf mich! Ich wiege übrigens 137 ℔ ohne Sachen. [geschwärzt, vielleicht Negatives über medizinische, Ernährungs- oder Gesundheitsbedingungen] — Wenn es euch ratsam erscheint, könnt ihr euch ja vielleicht wegen Achims Beschäftigung mal an m. Schwägerin Mia wenden. Oder ist sie als Reg.-Rätin nur für Berufsschulen zuständig? – Herzl. Grüße an Ahlemann, Voß, Schmidt, Pylka, Kossak, bes. an Ruth + Albert und ganz besonders

an euch! Euer Sohn u. Bruder Herbert.

Brief 5
1.11.48
erh. 15.11.48
BfNr. 5
!
Meine über alles Geliebte! K 44 (19.9.) am 15.10., Brief 42 (6.9.) am 17.10. erhalten. Ja, ein Briefinhalt hängt wohl immer sehr von Stimmungen ab. Außerdem sind bei der notwendigen kurzen + knappen Ausdrucksweise Sinnentstellungen möglich. Du liebes Häschen, ich ahnte es schon: „Nicht mein Typ“ hat dich sicher erschreckt, nicht wahr? Und dabei wollte ich, daß Du stolz darauf bist! Du darfst auch stolz darauf sein, mein kleines Fohlen, denn Du hast damals 1 große Schlacht gewonnen. Außerdem ist die ganze Notiz ein einziges Loblied auf Dich!! Laß Dich durch 1 paar schlecht gewählte Ausdrücke nicht beirren. Übrigens will ich dir über alle, auch etwaige zukünftige Mißverständnisse hinweg wiederholen: Ich habe dich maßlos lieb, Du! Weißt Du noch, wie ich damals in Landsberg aus dem Kino lief, um bei dir zu sein? Wie ich in Landshut wirklich unter Schmerzen am Stock in die Stadt gehumpelt kam, um bei Dir zu sein? Wie ich in Potsdam nach dem Bombenangriff einfach aus dem Lehrgang fortlief, weil ich Angst um Dich hatte? Soll ich Dir die vielen Versuchungen nennen, die ich kalt vorübergehen ließ, weil ich Dich liebe? Ach, ich könnte dir 1000 Beispiele aufzählen! — Ich weiß, welche Kraft u. und Überwindung es die Frauen zu Hause kostet, treu zu sein. Sie haben es schwerer, als wir augenblicklich. Auch Du wirst es spüren. Darum will ich Die auch dieses wiederholen: Ich will Dir Deine Treue mit all meiner Liebesfähigkeit vergelten. Den größeren Lohn wirst Du aber im Jenseits erhalten. Wir haben ja erst eine hunderttägige, märchenhaft schöne Flitterwochen-Ehe hinter uns. Und nach meiner Heimkehr folgt eine 2. Flitterwochenperiode, zwar unter erschwerten Umständen, aber nicht minder lang + heftig. Wir haben uns ja so unendlich viel zu sagen u. zu erzählen! Dafür werden dafür werden wir, müssen wir Zeit haben. — Wir wollen unser Seelenleben nicht von dem Weltgetriebe verschlingen lassen. Ich kenne solche Leute, „Betriebsonkel“, die vor lauter Geschäftigkeit nicht zu sich selbst kamen. Männer, hohe Beamte, deren ganzes Sein darin aufgeht, Verfügungen zu treffen und u. zu unterschreiben oder irgend 1 Räderwerk in Gang zu halten; Frauen, deren Zeit nur ausgefüllt ist mit Gedanken an Kochen, Waschen u. Staubwischen. Würde man ihnen das nehmen, so würden sie daran sterben, geradeso wie viele arbeitsame Menschen daran sterben, daß sie sich zur Ruhe setzen. In diesen Fällen hat die Zeit uns verarbeitet, nicht wir sie. Unser Ich ist verzehrt worden von der Summe unserer Pflichten. Wir sind auf diesem Wege furchtbar ehrenwerte Leute, die von Rechtschaffenheit triefen, aber tote Werkzeuge, keine lebendigen Menschen. Arme Tröpfe ••• S. 2 •••trotz aller Ehrungen u. Orden. Nein, wir müssen uns anders abfinden mit der Zeit. Wir müssen uns über die Dinge stellen u. ihnen zurufen: so, jetzt kommt einmal her. Jetzt tue ich dies, jetzt tue ich das, immer gerade, was am nächsten liegt und sich zuerst aufdrängt. Aber mit keinem Ding vermische ich mich. Und wenn ich alles erledigt habe, dann bleibe ich übrig u. bin in alledem stark geworden, denn ich habe das alles überwunden, u. kein einziges hat mich gefangen. Solche Leute gelangen zum ausgereiften Ich, zur Klarheit des Lebens.

So, nun noch etwas anderes: Lohnt es sich, Tabak u. Seife mitzubringen? Hast Du schon Post aus Wilhelmshaven? Wie geht es unserem Hund? ich muß immer an ihn denken, wenn ich die Wachhunde sehe, die unsere russ. Posten immer mithaben. — Sollten am Jahresende Schritte deinerseits notwendig werden, so tue das am besten mit anderen Gleichbetroffenen. Je mehr, desto besser.

Eben RK 46 u. Brief 45 erhalten. Du, das war die liebste und schönste Post, die ich hier von Dir erhalten habe! Ich bin unendlich glücklich. Du wunderbares Mädchen! es ist als ahntest du meine Gedanken: Zur selben Zeit habe ich mich hier mit dem Gedanken der Treue und Wahrhaftigkeit in d. Ehe beschäftigt u. habe sie nur aus Raummangel nicht alle i. d. Briefen unterbringen können. — Seit unserer Hochzeit ist mir nicht ’mal der Gedanke an Untreue gekommen. Treulosigkeit ist das schimpflichste, was ich mir denken kann. Und daß ich dich jemals betrüge, halte ich für fast ausgeschlossen, denn ich habe in allen bisherigen Versuchungen eine absolute Festigkeit bewiesen. Ich will Dir aber, meine Allerliebste, unaufgefordert Rechenschaft geben, wenn es in dieser Hinsicht wirklich einmal notwendig werden sollte; ich will dich weder belügen noch dir etwas verschweigen, was gesagt werden muß. Denn hier fängt die Unaufrichtigkeit schon an: Auch Schweigen kann schon Lüge sein. — Eines habe ich nicht verstanden: Was könnte es für Situationen ge••• S. 3 •••ben, zu deren Klärung Du nicht mich, sondern d. Beichtvater heranziehen mußt? — Ach Du, ich möchte Dich ja so himmelhoch loben aber ich werde es nicht tun, denn wenn ich Dich auf Eigenschaften aufmerksam mache, die ich so sehr an Dir liebe, dann verlierst Du Deine Unbefangenheit. Und das will ich nicht. Du liebe, süße Frau! — Und nun zur Frage weiterer „Winzlinge“. Du hast Dir ja beinahe noch mehr vorgenommen, als ich! Jetzt weiß ich auch, warum Du damals d. kl. Barbara bekommen hast, und keinen Hans-Joachim. Du sehnst Dich ja nach 1 Mädchen! Na, warte! Aber mach’ dir keine Sorgen. Eine Tochter wird mir genauso lieb sein, wie 1 Sohn. Wenn ich wieder zuhause bin, wollen wir uns aneinander verschwenden u. diese Frage, Sohn oder Tochter, dem Schicksal überlassen. Im übrigen meine ich dazu: Die Natur trifft nicht immer gleich mit dem ersten Wurf ins Ziel. Sie sucht u. tastet u. schafft vielfältige Formen, von denen sich die lebensfähigsten erhalten. Darum ist es Sünde gegen die Natur, die Kinderzahl willkürlich zu beschränken, weil man der Natur den Spielraum nimmt, den sie braucht, um sich fortzuentwickeln und höhere Arten zu schaffen. Ganz abgesehen von metaphysischen Erwägungen. Welche Verantwortung trägt doch der Mensch gegen Gott und Natur! Wie gut, daß jeder einmal Rechenschaft über sein Leben ablegen muß! Wir wollen so leben, daß wir diese Abrechnung nicht zu fürchten brauchen. — Vor Jahren las ich mal irgendwo: „Wer den Tod fürchtet, ist noch nicht reif.“ Das ist sehr wahr. Warum sollten wir den Tod fürchten, da unsere Seele heimkehrt zu dem, der uns am meisten liebt? Der Tod wartet ja gierig auf seine Erbschaft. Wir aber wollen ihn überlisten und vorher unser Bestes an Gott u. Menschen verschwenden, damit er nur noch die Hülle findet. Nun wieder zum Leben: Du magst recht haben, wenn du meinst, daß ich wohl von der langen Reise etwas ermüdet ankomme, aber 1. komme ich wahrscheinlich über Munsterlager, also nicht direkt, und 2. habe ich das Gefühl, daß wohl in diesem Fall die Natur mit uns durchgeht, allen nüchternen Überlegungen + aller Ermüdung zum Trotz! Aber vielleicht ist es wirklich besser, wenn wir am 1. Tag uns zurückhalten. Was ich schon für Gedanken ••• S. 4 •••habe, dabei bin ich noch längst nicht zuhause! —

Ein zweiter Anzug kann übrigens nicht schaden. Wenn du ihn allerdings unter demütigenden Bedingungen besorgen müßtest, dann verzichte darauf. —

Zu Deiner eventuellen Lehrtätigkeit: wenn du glaubst, sie nicht annehmen zu können, weil du die Kinder u. andere dringende Angelegenheiten vernachlässigen müsstest, dann verstehe ich das. Aber unzureichende Lehrmittel oder gar Angst gibt es nicht, verstehst Du, Du Knirpslein?! Außerdem glaube ich nicht, daß du Angst hast. Das ist höchstens eine momentane Befangenheit, die ein so selbstbewußtes Mädchen wie Du mit Deinem lebhaften Naturell bald überwunden hätte. Vor- und Nachteile abwägen. Verdienst sicher höher, als woanders? Weiter Anfahrtsweg? Gibt es überhaupt andere Beschäftigungs-Möglichkeit? Fällt dann Wohlfahrt- u.a. Unterstützung weg? Wenn keine schwerwiegenden Hinderungsgründe und keine günstigeren Beschäftigungsmöglichkeiten, dann würde ich annehmen. Sind ja, hoffentlich, nur wenige Monate oder Wochen!

Was ist das alles wieder für ungereimtes u. unzusammenhängendes Zeug! Ich wollte dir nach dem lieben Brief 45 eine liebe u. vernünftige Antwort schreiben. Aber es hieß heute Abend, daß morgen früh die Post abgegeben sein muß. Und da habe ich nun in aller Eile einen Brief zusammengeschustert. Zieh’ daraus bitte keine Rückschlüsse auf meinen Gesamt-Geisteszustand. Ich bin sonst ganz normal! Das Licht (elektrisch) ist übrigens zwischendurch auch 2× ausgegangen. Jetzt ist es Mitternacht. Die Nachtschicht wird gerade geweckt. Ich gehe schlafen, leider ohne Dich!

Auf Wiedersehen, Geliebte! In Treue Dein Herbert.
RK 21
12.1.49
25.
Mein lieber Bruder! Du hast dir nun auch 1 Gefährtin gesucht, von der Du glaubst, daß sie Dir 1 treue Helferin bei der verantwortungsvollen Aufgabe d. Ehelebens wird, Deine Kinder in Deiner Weltanschauung erzieht u. besonders in Krisenzeiten 1 treue Hüterin unseres Familiengeistes wird, der in herzlicher Liebe, Fleiß, Aufwärtsstreben und tiefer Religiosität bestand. Die Frau hat 1 wesentlichen Einfluß auf die Gestaltung des Familienlebens, des äußeren wie auch des geistig-weltanschaulichen. Sie kann es heben und herabziehen. Sie bringt die Gedankenwelt, Anschauungen u. Lebensgewohnheiten mit, in denen sie aufgezogen wurde u. überträgt sie auf die neue junge Familie. Darum ist das Wesen der Frau + das Milieu, in dem sie groß geworden ist, von entscheidender Bedeutung. — Die Ehe ist kein Vergnügen, sondern 1 schwere Verpflichtung. Die Augabe der Eheleute ist, sich gegenseitig in den Himmel zu bringen + ihre Kinder denselben Weg zu führen. Das ist der ganze Sinn der Ehe + darüber werden wir einmal dem ewigen Richter Rechenschaft ablegen müssen. Ich hoffe, daß Deine zukünftige Frau die Voraussetzungen mitbringt, um diesen schweren Aufgaben gerecht zu werden. Mein lieber Bruder, ich möchte gern, daß Du glücklich wirst. Aus dieser Sorge entspringt meine dringende Mahnung: Überleg’ Dir die Heirat genau! Entscheidend ist, daß Du an deinem Lebensende sagen kannst: Ich habe meine Familienpflichten gegen Gott u. Kinder erfüllt + 1 gute Ehe geführt. – Neben Gott sind wir (u. gerade du als Volksbildner!) auch d. Volk verpflichtet, d. h. Deine Familie muß, als zur kulturtragenden Schicht gehörig, auch Kultur pflegen. Um das zu können, muß man in kultivierten Verhältnissen großgeworden sein. – Leider kenne ich Deine Verlobte fast gar nicht, um urteilen zu können. Lieber Bruder, es geht um das Glück eines langen Lebens und die Verantwortung vor Gott. daß du beides gewinnst ist m. Verlobungswunsch für Dich.

D[ein] treuer Bruder

Brief 7
vor 10.2.49
10.2.49 MOSCOU

Nr. 7

erh. 17.2.49

Meine liebe Frau! Briefe 50, 51, 52, 53 erhalten. Schickt nicht soviel Sachen hin und her. Ich fürchte, dass dabei dabei mal unersetzliche Dinge verloren gehen. — Achims Verlobung ist mir inzwischen aus Fr[iedrichshagen] gemeldet. Ich habe seine Verlobte nur 1× kurz gesehen + kenne ihre Herkunft nur aus Achims Erzählungen. Ich bin von dieser Verbindung ganz und gar nicht erbaut. Habe auch, da ich schon so etwas ahnte, schon bei Achims Heimkehr im Sommer aus meiner Meinung über diesen Fall kein Hehl gemacht. Aber jeder schmiedet sich sein Schicksal selbst, und jeden trifft das Los, dass er sich durch sein Verhalten selbst verdient. Das gilt für den Einzelnen wie für ganze Völker. Wir wollen aber aus dieser Geschichte lernen: Wir wollen unsere Kinder in 1 Bekanntenkreis bringen, in dem wir selbst verkehren und in dem sich gleichaltrige junge Mädchen finden. Mit diesen wachsen sie zusammen auf, gewöhnen sich aneinander u. heiraten vielleicht einmal. Dadurch steuern wir die Wahl unserer Kinder unmerklich, ohne sie direkt zu bestimmen. Ist das nicht möglich, dann wollen wir die Kinder wenigstens daran gewöhnen, ihre Bekanntschaften ruhig ins Haus zu bringen. Dann sehen wir, mit wem sie umgehen u. können sie notfalls rechtzeitig beraten. Die ganze Sache ist eine Frage des Vertrauens d.K. [der Kinder] zu uns. Und die menschliche Eitelkeit wird sie bewegen, uns möglichst nette Mädchen zu präsentieren. Bei uns Schrödters lag die Schwierigkeit darin, dass wir nur 1 kleinen Verwandten- u. Bekanntenkreis haben, in dem sich fast keine gleichaltrigen Mädchen befanden, so daß meinen Eltern hier keine Vernachlässigung vorgeworfen werden kann. — Da wir gerade bei d. Kindern sind: Laßt Euch jedes Jahr mal fotografieren. Wichtig für Familienchronik. Außerdem kommt Toddi allmählich in entscheidende Entwicklungsjahre. Gib ihm, wenn möglich, konzentrierte, kräftige Nahrung, Präparate: Biomalz, Traubenzucker, Lebertran (wenn vorhanden) und etwas aufpassen! Wir wollen übrigens 1 ausgeprägten Familiengeist pflegen, ••• S. 2 •••dessen Merkmale sein sollen: Liebe + engster Zusammenhalt unter d. Familienmitgliedern, hohes Bildungs- u. Kulturniveau, Fleiß u. Aufwärtsstreben, tiefe Religiosität. — Ja, großen Männern nachstreben. (Denselben Gedanken entwickelten wir mit Albert mal auf einer Reise; an der Ostsee: Anschluß suchen an große Geister). Und dazu die unerschöpfliche Weisheit unserer Weltanschauung, die ich gerade in den letzten Jahren immer mehr erlebe, in unserer Lebensführung verwirklichen. Und davon eine der wichtigsten, weil sie vielleicht einmal notwendig wird: Eine letzte Gleichgültigkeit gegen die Dinge dieser Welt. — In diesem Zusammenhang bitte ich Dich nochmals: Unterdrücke alle irdische Trauer, werde gefühllos dagegen. Für Dich besonders schwer, nicht wahr? Bleibe heiter trotz meines Fernseins. Kummer macht alt. Du aber sollst jung und frisch bleiben für unser (so Gott will) zukünftiges gemeinsames Leben, in dem wir in gegenseitiger Liebe viel Kraft verströmen werden. — Geliebte, ich bin überaus glücklich über das Geständnis Deiner vielgestaltigen Liebe! Welche Seligkeit erwartet mich in Deinen Armen! Ach Du, ich will sie auskosten, und wenn ich Dich und mich dabei verzehre! — Nun will ich dir noch von unseren Weihnachtsfeiertagen erzählen. Es ist doch im Laufe der Jahre schon vieles besser geworden. Am hl. Abend haben wir noch normal, bis 5 Uhr, gearbeitet, aber am 1. Feiertag war völlig arbeitsfrei, da wir dafür am 4. Adventssonntag gearbeitet hatten. Die Verpflegung war ausgezeichnet, da wir vorher etwas eingespart hatten. Außerdem haben sich viele Kameraden zusätzlich 1 ganzes Brot gekauft. Wer emhr Geld hatte, sogar Bonbon, Pfefferkuchen und sogar Bier. Alles Dinge, die es vor d. Fest in den Magazinen zu kaufen gab. Abends sahen wir im Lager 1 russischen Märchenfilm. In der Stadt ist übrigens auch in einer ehem[aligen] Kirche ein großes Kino. Und im Lager haben wir jetzt 1 Wanduhr! es ist eine Schwarzwälderuhr. — Meine Frage nach unserem Hund war nur die Einleitung zu der Mitteilung im nächsten Satz. Und daß Dir Sepp keineswegs „unabsichtlich“ alle Hoffnung genommen hatte, ist dir wohl nun auch klar. Du beurteilst alle diese Dinge anscheinend sehr harmlos?[18] — Die Reisen an Onkel Ernst’s u. Tante Lottes Geburtstag sind ja sehr interessant. — Nun noch einige Lehren aus den letzten Jahren: 1.) Sei wahr u. echt und habe den Mut, immer Du selbst zu sein. 2.) Sei gut, wenn du willst. 3.) Achte auch das geringste Krümchen Brot 4.) Lerne zu schweigen. Die Schwatzhaftigkeit ist 1 d. Erbübel. 5.) Nutze d.d.d. [?] angeborenen Respekt. 6.) Freundlich gegen jedermann, bestimmt + sicher auftreten. Nicht wählen lassen, bestimmen! 7.) Keine Gefühlsduselei bei Geschäften. Großzügig sein, aber nicht übervorteilen lassen. 8.) Codex. Manches habe ich auch schon d. Eltern geschrieben. — Wenn Papa übrigens Fragen an Dich richtet, dann sage ihm, dass das alles Bluff ist. — Ja, Knirpslein, daß Du inzwischen älter geworden bist, mache ich mir auch vernunftgemäß klar. Aber in meiner Erinnerung lebst Du immer noch so, wie ich Dich auf dem Postkartenfoto hier bei mir habe, und wie ich Dich aus unserer seligen 100tägigen Ehe kenne. Auch ich bin gerade in den letzten Monaten rapide alt geworden. Das Haar wird immer lichter und unter den Augen habe ich oft richtige Säcke. Allerdings sehe ich nur, daß ich älter werde, fühlen tue ich es noch nicht. Und außerdem: Was tut das, wenn wir uns lieben! — Eben stelle ich fest, dass ich mich mit Toddi etwas verrechnet habe. Wir haben also noch etwas Zeit. —

Lieber Toddi, lieber Peter!

Vielen Dank für den Brief! Ihr macht mir immer eine große Freude, wenn Ihr von guten Zeugnissen berichten könnt. Ich kann Euch nur eines wiederholen: Je fleißiger ihr jetzt in jungen Jahren lernt, desto leichter und besser habt ihr es später als Erwachsene. Euer Ziel muß sein: Immer unter den Besten in der Klasse, und später im Berufsleben höher steigen und mehr verdienen als der Vater. Ja, wir werden oft zusammenarbeiten, wenn ich wieder zu Hause bin. Aber wir werden auch viel miteinander spielen. Ich hoffe, daß meine Spielsachen in Friedrichshagen noch erhalten sind: Ein kleiner Kinoapparat, 1 Dampfmaschine, 1 Handwerkskasten und noch viele andere schöne Sachen. außerdem habe ich noch 1 Menge spannender Bücher und Erzählungen in Berlin. Das lasse ich mir alles schicken, und je besser Eure Leistungen in der Schule sind, desto mehr bekommt Ihr davon. — Zu Weihnachten hatten wir auch 1 hübsches Bäumchen, den uns 1 Kamerad vom Waldkommando mitgebracht hatte. Den Baumschmuck machten wir uns selbst. 1 Kamerad schnitt mit 1 Rasierklinge aus 1 von mir gestifteten Bogen Silberpapier Lametta. Ein anderer schnitt mit 1 alten Schere aus dem Blech von Konservendosen Sterne, Glocken usw. Ferner aus Pappe Engel u.a. Figuren, die bunt bemalt wurden. Außerdem brachte ich Sägemehl aus d. Tischlerei mit, das wir mit den Händen zu kl. Kugeln formten und in 1 Schlemmkreidelösung tauchten und dann trocknen ließen. Die Bällchen waren leicht + fest. Wir bemalten sie bunt, wickelten sie in Silberpapier oder ließen sie weiß. Kerzenhalter aus Aluminiumdraht gewickelt. Kerzen gekauft u. z.T. selbst gegossen. So hatten wir am hl. Abend 1 strahlendes kleines Bäumchen mit 1 glitzernden bronzebemalten Spitzenstern aus Sperrholz. Und wir dachten an die Botschaft: „Friede den Menschen...“ Vielleicht schenkt man ihn auch mal den Kriegsgefangenen im 5. Jahr des Friedens. — Gruß an alle Verwandten. Viele herzliche Grüße Euer Vati.
RK 23
15.2.49
erh. 17.4. oder Anfang April? [sic!]

Lager 7401/20

Meine liebste Lale! Briefe 47–56 außer 49 angekommen. Wäre sehr schade, wenn wir aus d. Herrlichkeit herausmüßten. Für diesen Fall: Nimm Wohnsitz dort, wo Du am besten leben kannst. Muß nicht unbedingt Warendorf sein. Suche Dir auf alle Fälle 1 regelmäßigen gelderwerb. Wir können nicht ewig auf d. guten Bernhards Tasche liegen, u. Du kannst nicht ewig so auf meine Rückkehr warten. Für mich sind nach m. Heimkehr zunächst 2 Punkte wichtig: 1.) aufpäppeln 2.) Anstellung. — Toddis Grübelneigung zum Lernen u. Lesen ausnutzen. Selbstbewußtsein stärken: Unter Gleichaltrige schicken, wo er sich durchsetzen muß. Sportliche Ertüchtigung. Kleien Entscheidungen selbst treffen lassen. Jede Äußerung eines Kraftgefühls unterstützen. Für harmlose Jugendstreiche nicht strafen. Erziehung zum „braven, artigen Kind“ nicht übertreiben. Seine Empfindlichkeit wohl durch Pubertät noch gesteigert. Übrigens hatten wir wieder 1× ähnliche Gedanken zu gleicher Zeit: Ich schrieb schon im Dezemberbrief darüber, gleichzeitig mit Deinem Brief 56. — Lager-Nr. gewechselt, aber Standort derselbe geblieben. — Du behältst hoffentlich das Unreine bzw. Konzept der an mich geschriebenen Briefe u. RK., damit Du weißt, was Du geschrieben hast, wenn ich erst viel später darauf antworte. Du hast mich früher mal deswegen verlacht, heute wäre es sehr wichtig. — Etwas habe ich noch gelernt: Vorausdenken. Es nützt nicht immer, man kann nicht prophezeien, aber es hilft oft, richtige Entscheidungen zu treffen. — Noch einmal: In diesen schweren Zeiten müssen wir mit unseren Kräften sparsam + rationell umgehen. Vergeude Deine kostbaren Körper- und Gesisteskräfte nicht mit unnützen Arbeiten. All unsere Kräfte müssen in 1. Linie der Familie Gewin bringen, und zwar zunächst materiellen in Form von Geld u. guten Beziehungen. die uns oder d. Kindern später 1× helfen können. Vor allem aber brauchst Du Deine Kräfte auch nach meiner Rückkehr. In Liebe Dein Herbert.
Brief 2
15.3.49
14.5.

be am 16.5.49

Liebe Eltern!

Daß ich Euren Brief 10 v. 17.10. erhalten habe, schrieb ich schon vor längerer Zeit. In meiner RK 20 bat ich euch, gelegentlich mal 1 kurze Charakteristik der Großeltern abzufassen. Vor allem: starke u. schwache Char. Eigenschaften, Eigenheiten, Ursachen besonderer Erfolge oder Mißerfolge im Leben. Eigenschaften sind auf Kinder bzw Enkel übergegangen? Ich will Familienchronik schreiben. — Dem Achim habe ich Erfolg für seine Lehrerlaufbahn gewünscht und an Papas Grundsatz erinnert: Der Sohn muß mehr werden als der Vater! — Schickt auch das Leistungsbuch meiner Sportprüfungen an Carola. (Es steht bei der Fachliteratur f. Leibesübungen im Bücherschrank). An Fach- u. Unterhaltungsliteratur schickt erst solche, die man nicht mehr zu kaufen bekommt. — An Ruth u. Albert habe ich bisher wegen der geringen Zahl der verfügbaren RKK. nicht extra geschrieben. Ich freue mich aber schon gewaltig auf 1 Wiedersehen u. hoffe, sie oft in meinem engsten Freundeskreis zu sehen. Die konzentrierten Erlebnisse der vergangenen Jahre werden uns reichlich Stoff zu fruchtbarem Gedankenaustausch wie in alten Zeiten geben. — Nach dem neuen Plan der Sowjetregierung sollen alle Offz. u. Mannsch. [Offiziere und Mannschaften] bis November 1949 entlassen sein. — Nein, so ganz verloren waren die letzten Jahre nicht. Ich habe ungeheuer viel Erkenntnisse u. Lebenserfahrungen gewonnen. An Fachwissen allerdings viel verloren, vergessen. — Für später will ich mir merken: 1.) Man soll niemand zu seinem Glück zwingen 2.) Wenn man den Leuten Vorteile bieten kann, hat man immer dienstbereite Geister. 3.) Mehr Verständnis und Aufmerksamkeit gegenüber der Hausfrau und ihrer Arbeit. 4.) Erfahrung: Not kennt keinen Gebot. 5.) Man muß mit Bärenhunger zu Tisch kommen, dann schmeckt alles. 6.) Die Kinder sollen höflich + taktvoll sein, aber selbstbewußt + energisch für ihre Rechte eintreten. Kameradschaftlich, aber nicht ausnutzen lassen. Hammer, nicht Amboß! Im Beruf: Könner, vor allem ihr Können auch ins rechte Licht zu setzen verstehen. — Unser Lager hat die Nr. gewechselt. — Braucht Papa Bleistifte? Ich kann mitbringen, wenn es mal soweit sein sollte. — Sonst nicht viel Neues: Es ist noch mal kurz Winter geworden. Wir haben unsere Stube frisch weißen und dekorieren lassen, außerdem neue Pritschen gebaut. Nun kann es Frühling werden. Ich bin gesund. — Grüßt alle Bekannten, besonders Ruth + Albert, Hilde Voß. — In der Hoffnung auf ein Wiedersehen bis spätestens November bleibe ich

Euer Sohn

Herbert

NB: Achims Antwort, K 13 v.3.II., erhalten.

RK 24
26.3.49
erh. 7.5.49

beantw. 12./13.5.49

Mein Liebstes! Brief 57, 58, 60 angekommen. — Gut, daß Du berufstätig wirst. Ich riet Dir schom mehrfach, zuletz in RK 23, dazu. — Verbindung mit Hanne, der holl. Bundesdame, Christas schw. „Brotgebern“ u. W.haven ausbauen. Vielleicht kommt das uns oder den Kindern mal zugute. — Papa soll Dir zunächst die Fach- oder Unterhaltungsliteratur schicken, die man nicht mehr zu kaufen bekommt. Daß mir nichts mehr verloren geht! Ich habe schon genug Unersetzliches verloren! — Zu unserem Hochzeitstag sende ich Dir all meine lieben Gedanken u. bitte um Seinen Segen für unsere zukünftige Ehe. Habe übrigens unseren Verlobungstag 48 durch 1 zusätzliches Essen von 3 Eiern u. 1 Kilo Kartoffeln festlich begangen. Das schrieb ich Dir in RK 21. Gleichzeitig riet ich zu 1 vernünftigen sportlichen Ertüchtigung der Jungens. Ich habe erfahren, wie wichtig es ist, einen an Härten und Entbehrungen gewöhnten Körper zu besitzen. — Du, wir sind ja völlig eins in uns[eren] Gedanken, Gefühlen u. Vorsätzen! Wir sind in diesen harten Prüfungsjahren reifer geworden u. haben erst jetztwesentliche Voraussetzungen für 1 harmonische Ehe gewonnen. Ohne diese Zeit wäre unser Eheleben nicht so reibungslos, nicht so intensiv, bewußt und verständnisvoll geworden, wie es jetzt zu werden verspricht. Diese Zeit mußte erst kommen. Und wenn wir uns fragen, ob diese Leidenszeit 1 Sinn hatte, dann können wir sagen: Sie wurde zum Segen für unser zukünftiges Zusammenleben. Andere Ehen hat sie zerstört, unsere hat sie geläutert. — Du lobst mich zu sehr. Meine Gedanken + guten Vorsätze sind auch nur Ideale, denen nachzuleben mir keineswegs immer gelingt. — Noch 1 Mahnung: Wenn Du Dich so von der Zeit hetzen läßt, wirst Du vorzeitig verbraucht sein. Du sollst Dich schonen! Bessere Einteilung! Unwichtiges fallen lassen! (Lies meinen Brief 5 noch einmal!) Wie oft muß ich diese M. noch wiederholen??! — Herzlichst D. Herbert

(Soeben trifft Brief 59 ein!)

RK 25
19.4.49
erh. 7.5.49

beantw. 13.5.49

Meine liebe liebe Frau! Wenn ich meine „Lehren“ in Befehlsform schrieb, so nur aus stilistischen Gründen. Brauchst es nicht auf Dich persönlich zu beziehen. Und dies muss ich Dir auch noch sagen: Ich liebe Dich ja viel viel mehr, als ich es geäußert habe. Ich bin ja so nüchtern u. zurückhaltend. Wie oft hättest Du ein liebes, lobendes oder bewunderndes Wort verdient. Ich habe es meist nur gedacht, selten ausgesprochen. Auch das soll besser werden. — Du schriebst mehrfach, daß Du täglich u. stündlich auf m. Heimkehr wartest, und ich wußte, daß Du vergeblich wartest. Das war für mich ein furchtbarer Zustand. Ich bin dafür, daß man den Tatsachen klar u. nüchtern in d. Augen sieht. Lieber Gewißheit auch über Unangenehmes, als ewiges Hoffen u. Harren. Deshalb habe ich Dich mal gründlich aufgeklärt u. glaubte, Dir damit die ewige Ungewißheit zu nehmen. Aber jeder Mensch reagiert eben anders. — Vielleicht findet sich ein Weg, die „abendlichen Eierkuchen, Kartoffelpuffer u. Milchsuppen“ auch dann noch dort zu essen, wenn wir nicht mehr in d. Herrlichkeit wohnen. Ich werde es jedenfalls sehr nötig haben. — Sämtliche materiellen Vergünstigungen, die sich bieten, wahrnehmen! — Gedanken, die ich nicht vergessen möchte: 1) Berufsauslese, Ausschaltung d. Charakterlosen. 2) angeborener Vorgesetzten-Respekt a.D. 3) Verhalten starker u. schwacher Charaktere gegenüber gefährl. Menschen 4) Schlimmster Feind: Egoismus (Selbstsucht, Geltungsbedürfnis, Eitelkeit, Neid) 5.) Eheproblem: Liebe (sich verlieren) – Persönlichkeit (Selbsterhaltung). 6) Ungeschickte Behandlung Fremder. — Eben kommen Briefe 61, 62, 63: Endgültiger Wohnort abhängig von Anstellung u.a. Verhältnissen. Bleiben in Warendorf sowieso nicht länger als nötig. (Gründe siehe m. Brief 3 u. frühere Post). Daher: Keine größeren Anschaffungen, vor allem keine Möbel. Unter Stimmungen leide ich kaum, weil ich mir bisher noch keine Hoffnungen gemacht habe u. daher auch nicht enttäuscht werden konnte. Kühl bis ins Herz, wenigstens äußerlich. — Nochmals: 1. Kräfte schonen 2. Geld verdienen. — Ewig Dein Herbert.
Brief 3
29.4.49
an 5.7.49

be mit Brief 17 am 29.7.49

an Lager 7168/5

Liebe Eltern!

Da die Post morgen schon abgeht, kann ich meinen Geburtstag nicht mehr abwarten. Ich wollte euch gleich seinen Verlauf schildern.

Ich muß zu meiner Schande gestehen daß ich diesmal nicht rechtzeitig an Mamas Geburtstag gedacht habe. Daß ich aber die liebe Mama nicht vergessen habe, sondern ständig an sie denke, werde ich euch bei meiner Heimkehr beweisen!

Die Postzustellung wird sich wohl etwas verzögern, da wir mehrmals anderen Lagerverwaltungen zugeteilt wurden, ohne jedoch den Standort zu wechseln.

Ihr lest sicher oft in den Zeitungen über das Leben in unseren Lagern, hört Berichte aus Frankfurt/O usw.. Näheres könnt Ihr bei C. erfragen.

Carola klagt öfter daß sie mit ihrer Tagesarbeit nicht fertig wird. Sagt ihr mal folgendes: Sie soll ihre Tageseinteilung machen, wie sie will (ich habe ihr schon Tipps gegeben*)), aber ich stelle eine Bedingung: Ich will sie frisch und munter wiedersehen und nicht als abgehetzte, müde, alte Frau.

In meinem letzten Brief an C. meinte ich: eine letzte Gleichgültigkeit nicht nur gegen die „Dinge“, sondern gegen die Härten und Erschütterungen des Lebens, selbst gegen den Tod. Es ist die abgeklärte Haltung des Christen, der souverän über den Dingen und Ereignissen dieser irdischen Welt steht. Das Wissen um die Nichtigkeit dieses Lebens läßt d. Chr. dieses Erdendasein leichter ertragen. Deshalb braucht man die Notwendigkeiten des Alltags, Berufsarbeit und Lebensbedürfnisse keineswegs zu vernachlässigen. Daß man die Widerwärtigkeiten d. Lebens mit Gleichmut erträgt, schließt ja nicht aus, daß man auch die angenehmen Seiten d. L. freudig genießt.

Die folgenden Gedanken muß ich als Aphorismen bringen, da ich sie aus Zeitmangel nicht zusammenhängend entwickeln kann. 1.) Lerne entbehren! Die meisten Menschen versagen in dem Augenblick, wo ein Opfer, ein Verzicht oder Selbstbeherrschung von ihnen verlangt wird. Was dringend not tut: Selbstzucht! 2.) Das schlimmste ist nicht der Haß der Mitmenschen, sondern die Verachtung. 3.) Womit wir sündigen, damit werden wir bestraft. 4.) Der äußere Eindruck, den 1 Mensch (bei flüchtiger Bekanntschaft) hinterläßt, entspricht nicht immer seinem wahren Charakter. 5.) Die Schwächen d. Menschen (Menschenfurcht, Bequemlichkeit, Egoismus, Neid, mangelnde Selbstzucht, Vorgesetztenrespekt) im Berufsleben bzw in Geschäft und bei Erziehung beachten! 6.) Wie lese ich ein Buch?

Heimkehr? Vielleicht im Mai, vielleicht im November.

Für die Zukunft habe ich noch 1 Wunsch: a) Das nachholen zu können, was ich früher Euch gutes zu tun versäumt habe, und b) mit der Carola eine harmonische Ehe zu führen, wofür alle Anzeichen und Voraussetzungen vorhanden sind.

Zum Schluß wiederhole ich meine Mahnung: Schont euch und macht euch meinetwegen keine Sorgen, denn wir wollen in diesem Jahr 1 frohes Wiedersehen feiern.

Grüßt alle Bekannte, Bauer, Pylka, Ahlemann, Schmidt, Fender, Voß; alle, die an mich denken + besonders Achim und Braut.

Euer Sohn Herbert

*) Sie kann z.B. ein paar Vorträge auslassen und dafür schlafen gehen.

RK 1
10.5.49
an 2.6.49
Liebe Eltern! Ich nummeriere die Post [neu] bis Ihr mir die Nummer der letzten Post geschrieben habt. Eure [...] ist am 13.4. angekommen. — Zu m. Geburtstag bekam ich 1 doppeltes Mittagessen und von den Stubenkameraden 1 Einladung zu 1 Kartoffelstampf-Festessen! Außerdem feierten wir d. 1. Mai als Feiertag aller Werktätigen, für Freundschaft d. Völker, Völkerversöhnung u. mit Prämien für Bestarbeiter in Form von Essen. – Am 4 Mai war Geldauszahlung für Jan.–März. Es dauerte diesmal mal etwas länger, weil d. Stempel für d. Anweisung noch fehlte. – Herzliche Grüße an Pr. Fiedler! Ich werde ihn später auch mal besuchen u. wäre glücklich, wenn er noch einige Schulbücher, die ich in seinem Unterricht benutzt habe, (die in Cammin verlorengingen), für mich hätte. – Was mich hier am stärksten bedrückt, ist der Gedanke, daß ihr euch meinetwegen Kummer macht. Ich bin guter Dinge. Wir haben alle den Humor noch nicht verloren. Also: Nicht weich werden! Ich halte spielend durch, wenn Ihr es nur aushaltet! – Wichtige methodische + pädagog. Schriften soll Achim auch für mich aufheben. – d.h. gute, fachmännische, keine konjunkturbedingten Bücher od. Abhandl. –. Zu m. Charakteristik: Von Natur aus verschlossen, reserviert, zuweilen Hemmungen. Gewinnt nur schwer freundschaftl. Verhältnis zu and. Menschen. Neigt stark zu Skepsis + Opp.. Sieht zuerst d. Negative. Empfindlich (sensibel), leicht verletzt, geht tief + bleibt lange haften. Stark ausgeprägt: Gerechtigkeitsgefühl, Einfühlungsvermögen. Hoher Grad von Selbstbeherrschung, Taktgehfühl + rücksichtsvoll. Fleißig, gewissenhaft, genügsam. Verlangt dasselbe auch von andern. Großes Beharrungsvermögen. Ko[Wortmitte verwischt]r, nachtrag., starrköpfig. Gruß! Herbert.

kleine Lücke

RK 3[Durchlochung hat weitere Ziffer verdorben]
3.8.49
Liebe Eltern! Eure RK 16 (20.6.) am 10.7. erhalten.

Papa ist nun Dozent an derselben Uni, an der ich studiert habe! Ich glaubte, Papa überflügelt zu haben, und nun ist er noch höher gestiegen! Ich nehme das als Verpflichtung, nach Heimkehr noch mehr zu arbeiten. Vor allem freut es mich, daß Papa jetzt die Anerkennung für seine Leistungen bekommt, die die Nazis ihm verweigert haben. – Aber das war diese engbrüstige Eifersucht, dieser Zwergenneid, der nichts über sich dulden will, der nicht einmal die Tugend in 1 Menschen verkörpert sehen will, weil er instinktiv fühlt, daß hier etwas über ihn hinauswächst. – Sie predigten die „bürgerl. Ordnung“ und waren Weltbrandstifter. Das Volk sollte Romantiker bleiben + wurde Klassenkämpfer. – Immer wieder gehen m. Gedanken in m. schöne Jugendzeit zurück. Trotz aller harten Jahre können wir uns glücklich preisen, solange zusammen gelebt zu haben, wie wohl selten Eltern + Kinder: 30 lange, glückliche Jahre! Selbst wenn mich das Glück jetzt für immer verließe, würde ich sagen: für mich war es genug Glück in diesem Leben. – Mit Bekleidung sind wir versehen: ordentliche Schuhe, Wäsche Decken Anzüge usw. – Unser Brot wird in Formen gebacken, die vorher mit Öl ausgeschmiert werden. — Charakteristiken d. Fam.Mitglieder zuhause behalten! Gruß Euch + Achim! Herbert

RK 2
23.8.49
erh. 8.9.49
Mein liebes Lalekind! Post 70–78, außer 73 + 75, erhalten. Besonders herzlichen Dank für Brief 72. — Verliere Dich nur nicht noch in letzter Minute. — Leider zwingt uns unsere augenblickliche Trennung zu ausschließlich platonischen Betrachtungen über Ehe + Liebe. Ist auch wichtig + nötig. Wenn ich aber wiedr zuhause bin, wird Aphrodite mit ihrem Söhnchen Eros bei uns Pate stehen! — Kennst Du übrigens die wunderschöne Melodie aus d. Film „Liebesträume“: Immer und ewig trag ich im Herzen heimlich Dein schönes Bild...“ Wir hören es oft im Radio, und dann wünsche ich, Du hörtest es mit und ich sänge es für Dich! — Schmerzen im Knöchel habe ich nicht. — Ja, zu der Forderung: Kein Luxus, solange andere noch hungern, muß man ernsthaft Stellung nehmen. — Pakete will ich keine geschickt haben. Schreib das auch den Eltern. (Ich ahbe ihren Brief 17 erhalten). — Das muß ja ein großes Unglück gewesen sein. 15 Tote auf dem Weg von der Grube zum Krankenhaus? Und kein Wasser! — Kürzlich las ich: Das Pendel d. Deutschbewußtseins schwankt immer zwischen Selbstverachtung und Selbstüberheblichkeit.“ Richtig! — Papa soll die von mir erbetenen Charakteristiken nur aufschreiben, aber nicht hierher schicken! Was soll ich denn hier damit?! Ihr seid doch ahnungslose Engel! — Es wird jetzt wieder viel von der Heimkehr geredet. Vielleicht wird es mal endlich wahr. In Liebe + Treue immer Dein Herbert.
14 X 49 1 53 [Uhr]
No 003407 Telegramm Deutsche Post aus 2307 FRANKFURTODER 0171 10 13 200
EINTREFFE FREITAG FRUEH FRIEDRICHSHAGEN HERBERT

Entzifferungs­hinweise für die Kurrent­schrift des Autors

  • h mit leichtem Bogen oben nach rechts ist ein g
  • langes z wird ein p sein
  • T und I kaum zu unterscheiden. Z und J ähnlich, mit längeren Bogen nach unten
  • dunkler verwaschener Fleck kann immer ein k sein



  1. a jacket padded with cotton wool
  2. unveröffentlichtes Manuskript im Besitz des Herausgebers
  3. Feldpostnummern waren die Postleitzahlen der Wehrmacht. Bataillone, Lazarette, Dienststellen usw. erhielten zufällige Nummern; nachgestellte Buchstaben bedeuteten:
     A: Stab
     B: 1. Kompanie
     C: 2. Kompanie
     D: 3. Kompanie
  4. gem. Tagebuch die Wega im Sternbild der Leier
  5. ja, seit dem 29.01.1945
  6. da der Autor in diesem wie auch im nachstehenden Brief vom 18. an die Eltern erwähnt, dass „morgen Post von der Komp. kommen“ könnte
  7. Das Deutsche Reich verweigerte bis Kriegsende die Annahme von Kriegsgefangenenpost aus der Sowjetunion. Erst 1946 kam durch Vermittlung des Internationalen Roten Kreuzes eine Verbindung mit den Angehörigen zustande. (Museum Berlin-Karlshorst)
  8. Das Datum ist im Tagebuch vermerkt.
  9. Das Datum ist im Tagebuch vermerkt.
  10. nicht die erste abgesandte, aber die erste in der Heimat eingetroffene Nachricht
  11. Folgender gedruckter Text ist noch lesbar: Herausgegeben vom Oberkommando der Wehrmacht AWA/J/W[...] [Allgemeines Wehrmachtamt, Abt. Inland, W evtl. = Wehrgeistige Führung?] im Einvernehmen mit dem Reichserziehungsministerium und der Reichsstudentenführung; nur für den Gebrauch innerhalb der Wehrmacht
  12. Dem Antifa-Mitglied Fritz Schäfer gefielen einige meiner Bemerkungen nicht („Bankräuber“ und „Menschenverächter“) (Tagebuch)
  13. noch zu ermitteln
  14. Tatsächlich: 1949 wurde er entlassen, nach 5 Jahren stand 1954 sein Eigenheim!
  15. Dieses Bild ist leider verschollen.
  16. Zusatz und entsprechende Streichung in Blei durch die Empfängerin
  17. In der Tat haben sie sogar noch 1954 ihr erstes eigenes Haus mit vielen geliehenen Möbeln (z.B. Schreibtisch) und Haushaltsgeräten (z.B. Nähmaschine) ausgestattet.
  18. Sepp Adamietz, ein schon im Oktober 1948 heimgekehrter Kamerad, hat Carolas Hoffnung auf Herberts Heimkehr Ende 1948 brieflich mit recht objektiven Erwägungen relativiert; Herbert befürchtete wohl, dass er sich damit an sie heranmachen wollte.