28. Oktober 1940

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Editorial 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 Epilog Anhang

Chronik 40–45

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Eine Art Bilanz Gedankensplitter und Betrachtungen Personen Orte Abkürzungen Stichwort-Index Organigramme Literatur Galerie:Fotos,Karten,Dokumente

Chronik 45–49

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Erfahrungen i.d.Gefangenschaft Bemerkungen z.russ.Mentalität Träume i.d.Gefangenschaft

Personen-Index Namen,Anschriften Personal I.R.477 1940–44 Übersichtskarte (Orte,Wege) Orts-Index Vormarsch-Weg Codenamen der Operationen im Sommer 1942 Mil.Rangordnung 257.Inf.Div. MG-Komp.eines Inf.Batl. Kgf.-Lagerorganisation Kriegstagebücher Allgemeines Zu einzelnen Zeitabschnitten Linkliste Rotkreuzkarte Originalmanuskript Briefe von Kompanie-Angehörigen

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Später, als die Rekruten eingetroffen waren[1], übernehme ich den schweren Granatwerfer[2]-Zug. Die Männer sind in einer von uns neu errichteten Baracke im Stadtzentrum untergebracht.

An den Sonntagen, die immer dienstfrei sind, verlasse ich das Haus erst gegen Mittag, um ins Kasino essen zu gehen. Im Winter muss ich dann mit meinen blitzblanken Stiefeln durch den Schnee, und im Frühjahr steige ich vorsichtig durch die Pfützen und über die schlammige Straße, die hier am Stadt¬rand nicht gepflastert ist.

Von Zeit zu Zeit ist sonntags Kirchgang. Das ist Dienst. Die Kompanie marschiert im Dienstanzug mit Stahlhelm zur Kirche, vorn die Evangelischen, am Schluss die von mir geführten Katholiken. An einer Straßenecke schwenke ich dann mit meinem Zug ab und marschiere zur katholischen Kirche, vor der wir warten, bis der polnische Gottesdienst beendet ist.

Jeden Samstag geht die Kompanie baden. Wir benutzen dazu das ehemalige Judenbad, dass durch eine Brauseanlage für unsere Zwecke hergerichtet ist. Ich gehe immer etwas später und bade dann mit den anderen Feldwebeln zusammen oder auch ganz allein. Als Bademeister ist ein älterer rothaariger Jude tätig.

Die Synagoge von Jasło vor der Zerstörung[3]

Der Weg zum Bad führt an der Ruine der Synagoge vorbei, die als stummer Zeuge unserer Schande und Torheit dasteht. Man brennt keine Kirchen nieder, ganz gleich, welcher Religion sie dienen. Das ist Barbarei und außerdem eine bodenlose politische Dummheit. Wohl haben wir hier auch manche Verbesserungen geschaffen. Wir haben die Hauptstraße mit ihrem Katzenkopfpflaster zu einer erstklassigen Asphaltstraße umgebaut. Auch der Marktplatz, der sich bei Regenwetter regelmäßig in eine Schlammpfütze verwandelte, bekam zunächst eine Kiesdecke und wurde später mit Fliesen belegt. Aber das sind technische Verbesserungen, die zwar zu materiellen Kultur gehören, die aber nicht ausreichen, um einen Hegemonieanspruch zu begründen, wenn nicht eine Kulturarbeit mit geistigen Werten hinzukommt. Wir haben zweifellos solche Werte zu bieten. Sie wirken allerdings langsamer und weniger sichtbar. Vorerst haben wir eine Kirche zerstört und dafür eine Asphaltstraße gebaut. Das ist ein erschreckender Aspekt. Man kann nur hoffen, dass er keine symptomatische Bedeutung hat. Aber die Armee ist nicht verantwortlich für diese Entwicklung.

Ich besuche mit noch zwei Feldwebeln das Gefängnis, in dem die SS oder Gestapo eine Abteilung für gefangene Juden unterhält. Wir klettern auf den Wachturm, um von dort aus die Gymnastikstunde der Gefangenen auf dem Gefängnishof zu beobachten. Vorher inspizieren wir das Gewehr des polnischen Zivilisten, der hier Wache steht. Wir lachen lauthals, als wir feststellen, dass das Gewehr ungeladen und der Lauf völlig verrostet ist. Dann beginnt die Gefangenengymnastik. Der Vorturner ist ebenfalls Jude. Er lässt einige Bodenübungen machen und boxt dann eine kurze Runde gegen einen Mitgefan¬ge¬nen, wobei er diesem einen harten Schlag ins Gesicht versetzt. Zum Schluss muss ein anderer Gefan¬ge¬ner vor dem aufsichtführenden SS- oder Gestapomann stramm stehen und laut ausrufen: „Ich bin ein Jude und ein dreckiges Schwein!“ Dann verschwinden die Gefangenen im Gebäude.

Die galizischen Städte wimmeln von Juden. Der jüdische Anteil an der Stadtbevölkerung liegt dem Ver¬nehmen nach bei 40 bis 60 %. Auch Jasło macht hier keine Ausnahme. Die alten Juden tragen alle einen langen Bart, den knöchellangen Kaftan und das runde Käppi. Auch in der Nähe unserer Schreib¬stube stehen mehrere Häuser, die von Juden bewohnt sind. Hier wohnen übrigens auch die Eltern mei¬nes früheren „Putzers“. Die Häuschen stehen dicht am Bürgersteig. Als ich einmal vorbei ging, saß an einem der niedrigen Fenster ein Mädchen. Im Vorübergehen, eine Sekunde lang, fiel mein Blick auf ihr Gesicht, eigentlich auf ihren Mund. Das Mädchen war bildschön, aber dieser Mund war hinrei¬ßend, von klassisch schöner Form und bezaubernder Anmut. Ich musste unwillkürlich an die Gottes¬mut¬ter denken, und ich kann mir leicht vorstellen, von welch vollendeter Schönheit sie gewesen ist.


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  1. Am 28.10.1940 treffen 3000 Mann Ersatz z. T. aus dem Rheinland ein (KTB 257. I.D., T-315 Roll 1802 Frame 000182).
  2. Granatwerfer (Bilder: 8-cm-Gr.W. 34, 12-cm-Gr.W. 42) werden heute als Mörser bezeichnet.
  3. History of the Jews of Jaslo mit freundlicher Genehmigung