23. August 1941

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Editorial 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 Epilog Anhang

Inhaltsverzeichnis

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Eine Art Bilanz Gedankensplitter und Betrachtungen Personen Orte Abkürzungen Stichwort-Index Organigramme Literatur Galerie:Fotos,Karten,Dokumente

Chronik

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31.

Erfahrungen i.d.Gefangenschaft Bemerkungen z.russ.Mentalität Träume i.d.Gefangenschaft

Personen-Index Namen,Anschriften Personal I.R.477 1940–44 Übersichtskarte (Orte,Wege) Orts-Index Vormarsch-Weg Codenamen der Operationen im Sommer 1942 Mil.Rangordnung 257.Inf.Div. MG-Komp.eines Inf.Batl. Kgf.-Lagerorganisation Kriegstagebücher Allgemeines Zu einzelnen Zeitabschnitten Linkliste Rotkreuzkarte Originalmanuskript Briefe von Kompanie-Angehörigen

English
GEO INFO
Nowo Georgiewsk Karte — map
OKW-Lagekarte 1941/September Karte — map

Jetzt[1] werden wir nach Nowo Georgiewsk[2] verlegt, wo die ganze Führerreserve sammelt. Das Städtchen liegt etwas nördlich des eben verlassenen Dorfes, immer noch gegenüber Krementschuk, aber etwas nördlicher. Es liegt auf der Westseite des Dnjepr-Tales an einem Seitenarm dieses gewaltigen Stromes. Nowo Georgiewsk ist eine typische russische Kleinstadt. Die Hauptstraße hat Katzenkopf-Pflaster, alle übrigen Straßen sind ungepflastert, haben meist auf beiden Straßenseiten eine Baumreihe und einen Fußweg. Die Häuser sind fast durchweg aus Holz gebaut und bestehen meist aus Erdgeschoss und erstem Stock. Aber auch dreistöckige Häuser sind nicht selten. Viele haben noch einen Vorgarten, mit Zaun, andere stehen direkt am „Bürgersteig“. Hinter den Häusern befinden sich meist noch Gärten. Aus dieser Masse der Holzhäuser ragen nur vereinzelt Steinbauten auf, aus rotem Backstein oder mit grauem Verputz. Es handelt sich fast immer um öffentliche Gebäude, Partei- oder Kulturhaus, Schule oder Fabrik. Die zweistöckigen Holzhäuser haben oft eine Außentreppe, die zu dem oberen Stockwerk führt.

••• S. 41 •••Wir liegen mit sechs Mann in dem kleinen Holzhäuschen, das ein russisches Ehepaar bewohnt. Das ist sehr hart für die beiden. Nicht nur wegen der Enge des Raumes, sondern auch, weil wir uns als zusätzliche Verpflegung Tomaten und Kartoffeln einfach aus ihrem Garten holen. Sie haben ja selbst nicht allzu viel zu essen, aber das haben wir uns wohl nicht so recht klar gemacht.

Die Bevölkerung in den Dörfern und Städten, die an den Vormarschstraßen liegen, ist immer besonders hart betroffen, denn hier folgt eine Truppe der anderen, und wo sie durchziehen oder sich niederlassen, sind sie wie Heuschreckenschwärme, die alles kahl fressen.

Der Besitzer unseres Quartiers arbeitet für die deutsche Zivilverwaltung und muss in ihrem Auftrag weite Wege zu Fuß zurücklegen, weil er über Land muss. Er zeigt uns jammernd seine abgelatschten Schuhe und beklagt sich, dass man ihm keine neuen gibt. Wir baden in dem Dnjepr-Nebenarm, der in der Nähe vorbeifließt. Sein Ufer ist mit Gras und Weidengebüsch bestanden. Außer uns baden noch einige Kinder und ein alter Mann.

Ich gehe abends die Straße entlang und höre plötzlich leise Musik. Es ist eine sehr einschmeichelnde Melodie, und ich bleibe stehen, um die Herkunft der Töne festzustellen. Da sehe ich in einem Torweg einen schweren schwarzen Pkw stehen. Ich trete näher und erkenne, dass er einen Generalsstander führt. Die Musik kommt aus dem Wageninnern. Ich stecke den Kopf durch das offene Seitenfenster und lausche dem Lied, das aus dem Radiogerät ertönt: „Vor der Kaserne, vor dem großen Tor...“[3] Ich höre diese rührend-zärtliche, unvergessliche Melodie zum ersten Mal und bin ihr verfallen wie Millionen deutsche Landser auch.

Einer von unseren sechs Stubenkameraden hat das Glück, dass seine Einheit in der Nähe liegt. Dort ist er dann oft zu Gast und bringt immer Zucker mit. Damit haben wir die wichtigste Zutat für die Kartoffelpuffer, die wir uns öfter backen.

Eines Morgens spüre ich einen Juckreiz in den Schamhaaren, der gar nicht aufhören will. Ich gehe auf die Gartenterrasse, um einmal nachzusehen. Da finde ich mehrere Läuse! Meine ersten Kleiderläuse. Die werde ich nun bis Kriegsende nicht mehr los.

14 Tage liegen wir in Nowo Georgiewsk. Diese Zeit brauchte die Heeresleitung für die taktischen Vorbereitungen zum Dnjepr-Übergang. Offiziell hieß das „taktische Vormarschpause“. Die sowjetischen Truppen hatten sich bei ihren Absetzbewegungen bis hinter den Dnjepr zurückgezogen. Nun liegen sie auf der anderen Seite des breiten Stromes in ausgebauten Verteidigungsstellungen. Die wichtige Großstadt Krementschuk liegt auf dem Ostufer, ist also in russischer Hand. Die große Brücke, die über den Strom zur Stadt hinüberführt, ist gesprengt.


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  1. In der Nacht 23./24. zog I.R. 466 durch Rewowka (KTB 257. I.D., NARA T-315 Roll 1803 Frame 000639); da der Autor dort keine Truppenbewegungen erlebt hat (vgl. 21.8.41), war er am 23. schon in Nowo Georgiewsk.
  2. Am Südosteingang Nowo Georgiewsk befand sich seit 22. der Divisionsgefechtsstand (KTB 257. I.D. Frame 000635); heute ist der Ort überflutet, vgl. Karte.
  3. Der Autor hat den Text des Liedes aufgeschrieben; heute ist er im Internet zu finden.