1941/August/6/en: Unterschied zwischen den Versionen

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The following morning (6 Aug 41) we return to the front in a curve, but into the neighbouring section. Here the Soviets had been able to occupy a village and the surrounding heights in the rearguard action. We have to throw them back again. After a short regrouping and deployment, we once again step up to the attack on the heights. To support our attack, a battery of [http://www.lexikon-der-wehrmacht.de/Waffen/haubitzen.htm 10-cm field howitzers] had taken up position last night and were now taking the heights under fire. And while our shells explode up among the Russian positions (we would have wished for bigger fireworks), the attacking companies slowly advance on a broad front, cross a field and dive into a cornfield. Then, about thirty metres in front of me, an Ivan jumps up, shoots down the German soldier standing closest to him from five metres away, throws his rifle away and raises his hands. We are seized by a furious rage. We would have loved to shoot this beast. But no one dared, because it would have been against international law.<ref>The [[w:Abkommen_über_die_Behandlung_der_Kriegsgefangenen|The Geneva Convention on the Treatment of Prisoners of War of 1929]], however, had [https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/188857/genfer-abkommen-von-1929-27-07-2014 not actually been signed by the Soviet Union themselves], so that they probably could not have insisted on its application.</ref> So he is lead off as a prisoner. The German is dead.
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The following morning (6 Aug 41) we return to the front in a curve, but into the neighbouring section. Here the Soviets had been able to occupy a village and the surrounding heights in the rearguard action. We have to throw them back again. After a short regrouping and deployment, we once again step up to the attack on the heights. To support our attack, a battery of [http://www.lexikon-der-wehrmacht.de/Waffen/haubitzen.htm 10-cm field howitzers]<ref>most likely [[w:en:10.5_cm_leFH_18 10-cm|leFH 18]]</ref> had taken up position last night and were now taking the heights under fire. And while our shells explode up among the Russian positions (we would have wished for bigger fireworks), the attacking companies slowly advance on a broad front, cross a field and dive into a cornfield. Then, about thirty metres in front of me, an Ivan jumps up, shoots down the German soldier standing closest to him from five metres away, throws his rifle away and raises his hands. We are seized by a furious rage. We would have loved to shoot this beast. But no one dared, because it would have been against international law.<ref>The [[w:Abkommen_über_die_Behandlung_der_Kriegsgefangenen|The Geneva Convention on the Treatment of Prisoners of War of 1929]], however, had [https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/188857/genfer-abkommen-von-1929-27-07-2014 not actually been signed by the Soviet Union themselves], so that they probably could not have insisted on its application.</ref> So he is lead off as a prisoner. The German is dead.
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The attack continues. Four hundred metres wide and in several deeply echeloned waves, the battalion goes up the slope. The left wing is just crossing a cornfield. There, several 2-cm self-propelled anti-aircraft guns<ref>presumably [[w:en:Sd.Kfz._10#Sd.Kfz._10/4_and_10/5|Sd.Kfz. 10/4]] with [[w:en:2_cm_Flak_30,_Flak_38_and_Flakvierling_38|2-cm Flak 30]] of the 1st Battery/[http://www.lexikon-der-wehrmacht.de/Gliederungen/FlaBataillone/FlaBtl48.htm Fla-Bataillon 48], which was assigned to [http://www.lexikon-der-wehrmacht.de/Gliederungen/Korps/LIIKorps.htm#15.%20Juli%201941 LII. Armeekorps]</ref> accompany the attack. Between the dispersed groups of infantrymen, they look like fat bugs crawling along in a swarm of ants. We on the right wing trudge across a field of turnips. And while on the high ground the shells are still bursting and dark masses of earth are flinging into the air like jagged crowns, our waves of attack run up the flat slope. From now on we are without cover. The slope is covered only with grass. Tseeou... Tseeou... sssst... fffft... infantry shells whiz past us. But the Soviet defensive fire is weak. Only when the hissing becomes too threatening or a machine gun burst hisses past do we briefly throw ourselves to the ground. The attack rolls off like a drill on the parade ground.
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I am between two of my heavy machine gun groups, which are advancing in [[w:en:Bounding overwatch|bounding overwatch maneuver]]. While one of them is firing short bursts at the enemy positions, the other operating squad makes a few jumps forward, gets into position and starts firing. At this moment the one behind jumps past the one firing and moves into position again.
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Die Batterie hat das Feuer eingestellt. Wir sind noch über hundert Meter von den feindlichen Stellungen entfernt, aber schon laufen die ersten Iwans zurück. Nur einer macht eine Ausnahme. Er kommt wie ein Sprinter den Abhang herunter gerast, denn er muss befürchten, dass seine Kameraden hinter ihm her schießen. Von Zeit zu Zeit hebt er im Laufen beide Arme. Atemlos, aber lachend erreicht er uns und geht nach hinten.
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Fast mühelos erreichen wir die Höhe. Die Iwans haben die Flucht ergriffen. Einige tote Rotarmisten liegen herum. Einer ist ein Politkommissar. Wir suchen die Stellungen ab. Hin und wieder springt ein Landser, Warnrufe ausstoßend, zur Seite, als hätte er auf eine Schlange getreten. Sie haben dann Iwans entdeckt, die noch in ihren schultertiefen, kreisrunden Schützenlöchern stehen. Man weiß nie, ob sie sich in ihr Schicksal ergeben haben und die Gefangenschaft erwarten, oder ob sie noch aus dem Hinterhalt schießen. Manche wehren sich bis zum letzten Atemzug und werden in ihren Löchern getötet.
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Wir besetzen die Höhe, die eigentlich nur eine hohe Bodenwelle ist, denn sie läuft auf der anderen Seite, feindwärts, wieder in eine flache Senke aus. Diese Senke ist ein einziges, riesiges, abgemähtes Kornfeld, dessen Hocken (anderswo heißen sie Garben) sich in endlos langen Reihen bis zu einem Waldrand hinziehen, der in etwa einem Kilometer Entfernung das Kornfeld wie eine dunkle Wand abschließt. In diese Wälder hat sich der Iwan zurückgezogen. Sie sind sein letzter Unterschlupf. Rechts unten am Fuß des Han{{S|30}}ges steht ein einzelnes Haus, das scheinbar verlassen ist. Unsere Stellung ist günstig. Man kann das weite Gelände bis hinten zum Waldrand gut übersehen.
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Wir graben uns ein, denn die Höhe ist kahl und bietet sonst keine Deckung. In langer Linie stehen oder knien schaufelnde Soldaten. Es entstehen Schützenlöcher und provisorische MG-Stände. Einige Landser sind schon in die Senke hinunter gestiegen, um sich einige Getreidegarben heraufzuholen und ihre Löcher damit abzudecken und auszupolstern. Auch ich habe mit meinem Loch dasselbe getan. Aber zum Ausruhen ist noch keine Zeit.
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Während die Männer sich nach des Tages Last zur wohlverdienten Ruhe niederlegen, läuft der Zugführer noch herum und sieht nach dem Rechten. Sind die Männer vernünftig eingegraben? Sind die MG-Stände getarnt? Sind die MG-Stände so gewählt, dass sie nicht im Schussfeld eines anderen liegen? Sind Seiten- und Tiefenbegrenzung richtig eingestellt? (Das ist für die Nacht wichtig.) Haben die MGs Zielpunkte festgelegt? Ist genügend Munition vorhanden? Und noch manches andere. Haben die Männer irgendwelche Wünsche oder Vorschläge? Oft wird der Zugführer dann noch zu einer Besprechung gerufen. Man kann natürlich vieles den Halbzugführern überlassen, aber wer die Trägheit und Unvollkommenheit der menschlichen Natur kennt, weiß, dass Aufsicht nötig ist. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.<ref>Lenin zugeschriebener Ausspruch, vgl. [[w:Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!|Wikipedia]]</ref> Denn wenn etwas schief geht, bleibt es doch am Zugführer hängen. Und so rennt der (gewissenhafte) Zugführer noch herum, wenn seine Männer schon schnarchen.
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Als die Dunkelheit schon herein bricht, gibt es noch eine kleine Aufregung. Die in unserer Linie stehenden 2-cm-Selbstfahrlafetten fangen plötzlich an, mit Leuchtspur zu schießen. Auch unsere Granatwerfer bullern einige Schüsse in die Stille des sinkenden Tages. Die Landser fahren hoch, aber da kommt schon die Durchsage, dass sich beide nur für die Nacht einschießen. Beruhigt kriecht alles wieder in die Löcher.
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Inzwischen sind die Trossfahrzeuge herangekommen und stehen einige hundert Meter hinter der Front im Sichtschutz des Hügels. Unsere Essenholer machen sich fertig. Ich hatte noch bei Tageslicht in aller Eile eine Postkarte an meine Eltern geschrieben und gebe sie jetzt dem Essenholer mit. Als sie zurückkommen, erzählen sie, dass der Alte wieder getobt hätte, weil ich die leeren Munitionskästen nicht zurückgeschickt hätte, damit die Trossfahrer die leeren Gurte wieder füllen konnten. Da haben wir’s! Weder die Munitionsschützen, noch der Gewehrführer, noch der Halbzugführer haben daran gedacht, aber am Zugführer bleibt es hängen!
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Nun ist es völlig dunkel geworden. Der heiße Tag ist einer kühlen Nacht gewichen. Ich fröstele in meinem Loch. Die am Tage durchgeschwitzte Wäsche ist nun kalt und unangenehm. Lautlose Stille ringsum. Die mondlose Nacht ist so finster, dass man die Hand vor Augen nicht sieht. Ich versuche einzuschlafen. Die Gefahr beunruhigt mich nicht. Man ist schon daran gewöhnt und das Gefühl, dem Gegner überlegen zu sein, gibt Ruhe und Sicherheit. Wir haben zwar nur eine Linie, aber sie ist recht gut besetzt und bewaffnet. Was hinter uns noch steht, weiß ich nicht. Außerdem sitzt an der ganzen Front entlang neben jedem schlafenden Soldaten ein zweiter, der aufmerksam in das Niemandsland hinein horcht, wenn er gewissenhaft ist. Posten vor dem Feind. Nur selten steigt eine Leuchtkugel hoch, erhellt für kurze Zeit die Umgebung und erlischt wieder, lautlos, als wolle sie die Ruhe der Schlafenden nicht stören.
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Da zerreißt plötzlich ein gellendes „Urräää – Urrräääh“<ref>übliche Wiedergabe des russischen [[w:Schlachtruf|Schlachtrufs]] im Zweiten Weltkrieg, entspricht unserem „Hurra“. Die moderne Form lautet [[w:ru:Ура!|„Ura“]].</ref> die Stille der Nacht, breitet sich über das ganze Feld vor uns aus und erfüllt die Luft mit grellem Getöse. Das müssen Tausende sein, die da angestürmt kommen! Abertausende, seit vielen Tagen Eingekesselte, mit dem Mut der Verzweiflung angreifende Menschenmassen! Und unsere Front besteht nur aus einer einzigen Linie von Schützenlöchern! Hinter uns sind nur noch die Granatwerfer!
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Ich bin sofort hellwach und brülle automatisch: „Alarm!“. Es ist völlig überflüssig. Rechts und links wird es lebendig. Zu sehen ist nichts bei dieser Finsternis, aber ich höre Rufe und die metallischen Geräusche unserer Geräte. Die ersten Schüsse fallen. Dann rattert das MG neben mir los. Ein zweites folgt, und bald übertönt das rasende Hämmern unserer Maschinengewehre das Urrääh der Angreifer. Glühenden Perlenketten gleich jagen unsere Leuchtspurgarben in die Finsternis hinein. Jetzt greifen auch un{{S|31}}sere Granatwerfer ein. Blupp – blupp – blupblupp.. Ihre dumpfen Abschüsse mischen sich in das helle Knattern der MGs. Wenn man bloß mehr sehen könnte! Niemand nimmt sich die Zeit, Leuchtkugeln zu schießen. Alles feuert aufs Geratewohl in die Finsternis hinein. Jetzt macht es sich bezahlt, wenn Schussfelder und Zielpunkte schon bei Tage festgelegt wurden. Diese rasselnde, ratternde, knatternde, dröhnende, massierte Feuerkraft, die da Tod und Verderben speiend dem Feind entgegenrast, gibt ein ungemein beruhigendes Gefühl der Sicherheit, selbst wenn es trügerisch sein mag. Ich bin nicht besorgt, nur gespannt. Durch dieses Feuer kommt kein Mensch!
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Der Gefechtslärm flaut ab. Einzelne MGs, deren Läufe heißgeschossen sind, nehmen Laufwechsel vor, andere geben nur noch vereinzelte Feuerstöße ab. Vom Iwan im Vorfeld ist nichts mehr zu hören. Es wird wieder ruhig, und bald legt sich von neuem die Stille der Nacht über das dunkle Land. Der sowjetische Ausbruchsversuch vor unserer Linie ist zusammengebrochen.
  
 
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Version vom 30. Juli 2021, 12:47 Uhr

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Editorial 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 Epilog Anhang

Chronik 40–45

January February March April May June July August September October November December Eine Art Bilanz Gedankensplitter und Betrachtungen Personen Orte Abkürzungen Stichwort-Index Organigramme Literatur Galerie:Fotos,Karten,Dokumente

Chronik 45–49

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31.

Erfahrungen i.d.Gefangenschaft Bemerkungen z.russ.Mentalität Träume i.d.Gefangenschaft

Personen-Index Namen,Anschriften Personal I.R.477 1940–44 Übersichtskarte (Orte,Wege) Orts-Index Vormarsch-Weg Codenamen der Operationen im Sommer 1942 Mil.Rangordnung 257.Inf.Div. MG-Komp.eines Inf.Batl. Kgf.-Lagerorganisation Kriegstagebücher Allgemeines Zu einzelnen Zeitabschnitten Linkliste Rotkreuzkarte Originalmanuskript Briefe von Kompanie-Angehörigen

Deutsch
GEO & MIL INFO
Podwissokoje Karte — map
Close combat day

The following morning (6 Aug 41) we return to the front in a curve, but into the neighbouring section. Here the Soviets had been able to occupy a village and the surrounding heights in the rearguard action. We have to throw them back again. After a short regrouping and deployment, we once again step up to the attack on the heights. To support our attack, a battery of 10-cm field howitzers[1] had taken up position last night and were now taking the heights under fire. And while our shells explode up among the Russian positions (we would have wished for bigger fireworks), the attacking companies slowly advance on a broad front, cross a field and dive into a cornfield. Then, about thirty metres in front of me, an Ivan jumps up, shoots down the German soldier standing closest to him from five metres away, throws his rifle away and raises his hands. We are seized by a furious rage. We would have loved to shoot this beast. But no one dared, because it would have been against international law.[2] So he is lead off as a prisoner. The German is dead.

The attack continues. Four hundred metres wide and in several deeply echeloned waves, the battalion goes up the slope. The left wing is just crossing a cornfield. There, several 2-cm self-propelled anti-aircraft guns[3] accompany the attack. Between the dispersed groups of infantrymen, they look like fat bugs crawling along in a swarm of ants. We on the right wing trudge across a field of turnips. And while on the high ground the shells are still bursting and dark masses of earth are flinging into the air like jagged crowns, our waves of attack run up the flat slope. From now on we are without cover. The slope is covered only with grass. Tseeou... Tseeou... sssst... fffft... infantry shells whiz past us. But the Soviet defensive fire is weak. Only when the hissing becomes too threatening or a machine gun burst hisses past do we briefly throw ourselves to the ground. The attack rolls off like a drill on the parade ground.

I am between two of my heavy machine gun groups, which are advancing in bounding overwatch maneuver. While one of them is firing short bursts at the enemy positions, the other operating squad makes a few jumps forward, gets into position and starts firing. At this moment the one behind jumps past the one firing and moves into position again.


Die Batterie hat das Feuer eingestellt. Wir sind noch über hundert Meter von den feindlichen Stellungen entfernt, aber schon laufen die ersten Iwans zurück. Nur einer macht eine Ausnahme. Er kommt wie ein Sprinter den Abhang herunter gerast, denn er muss befürchten, dass seine Kameraden hinter ihm her schießen. Von Zeit zu Zeit hebt er im Laufen beide Arme. Atemlos, aber lachend erreicht er uns und geht nach hinten.

Fast mühelos erreichen wir die Höhe. Die Iwans haben die Flucht ergriffen. Einige tote Rotarmisten liegen herum. Einer ist ein Politkommissar. Wir suchen die Stellungen ab. Hin und wieder springt ein Landser, Warnrufe ausstoßend, zur Seite, als hätte er auf eine Schlange getreten. Sie haben dann Iwans entdeckt, die noch in ihren schultertiefen, kreisrunden Schützenlöchern stehen. Man weiß nie, ob sie sich in ihr Schicksal ergeben haben und die Gefangenschaft erwarten, oder ob sie noch aus dem Hinterhalt schießen. Manche wehren sich bis zum letzten Atemzug und werden in ihren Löchern getötet.

Wir besetzen die Höhe, die eigentlich nur eine hohe Bodenwelle ist, denn sie läuft auf der anderen Seite, feindwärts, wieder in eine flache Senke aus. Diese Senke ist ein einziges, riesiges, abgemähtes Kornfeld, dessen Hocken (anderswo heißen sie Garben) sich in endlos langen Reihen bis zu einem Waldrand hinziehen, der in etwa einem Kilometer Entfernung das Kornfeld wie eine dunkle Wand abschließt. In diese Wälder hat sich der Iwan zurückgezogen. Sie sind sein letzter Unterschlupf. Rechts unten am Fuß des Han••• S. 30 •••ges steht ein einzelnes Haus, das scheinbar verlassen ist. Unsere Stellung ist günstig. Man kann das weite Gelände bis hinten zum Waldrand gut übersehen.

Wir graben uns ein, denn die Höhe ist kahl und bietet sonst keine Deckung. In langer Linie stehen oder knien schaufelnde Soldaten. Es entstehen Schützenlöcher und provisorische MG-Stände. Einige Landser sind schon in die Senke hinunter gestiegen, um sich einige Getreidegarben heraufzuholen und ihre Löcher damit abzudecken und auszupolstern. Auch ich habe mit meinem Loch dasselbe getan. Aber zum Ausruhen ist noch keine Zeit.

Während die Männer sich nach des Tages Last zur wohlverdienten Ruhe niederlegen, läuft der Zugführer noch herum und sieht nach dem Rechten. Sind die Männer vernünftig eingegraben? Sind die MG-Stände getarnt? Sind die MG-Stände so gewählt, dass sie nicht im Schussfeld eines anderen liegen? Sind Seiten- und Tiefenbegrenzung richtig eingestellt? (Das ist für die Nacht wichtig.) Haben die MGs Zielpunkte festgelegt? Ist genügend Munition vorhanden? Und noch manches andere. Haben die Männer irgendwelche Wünsche oder Vorschläge? Oft wird der Zugführer dann noch zu einer Besprechung gerufen. Man kann natürlich vieles den Halbzugführern überlassen, aber wer die Trägheit und Unvollkommenheit der menschlichen Natur kennt, weiß, dass Aufsicht nötig ist. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.[4] Denn wenn etwas schief geht, bleibt es doch am Zugführer hängen. Und so rennt der (gewissenhafte) Zugführer noch herum, wenn seine Männer schon schnarchen.

Als die Dunkelheit schon herein bricht, gibt es noch eine kleine Aufregung. Die in unserer Linie stehenden 2-cm-Selbstfahrlafetten fangen plötzlich an, mit Leuchtspur zu schießen. Auch unsere Granatwerfer bullern einige Schüsse in die Stille des sinkenden Tages. Die Landser fahren hoch, aber da kommt schon die Durchsage, dass sich beide nur für die Nacht einschießen. Beruhigt kriecht alles wieder in die Löcher.

Inzwischen sind die Trossfahrzeuge herangekommen und stehen einige hundert Meter hinter der Front im Sichtschutz des Hügels. Unsere Essenholer machen sich fertig. Ich hatte noch bei Tageslicht in aller Eile eine Postkarte an meine Eltern geschrieben und gebe sie jetzt dem Essenholer mit. Als sie zurückkommen, erzählen sie, dass der Alte wieder getobt hätte, weil ich die leeren Munitionskästen nicht zurückgeschickt hätte, damit die Trossfahrer die leeren Gurte wieder füllen konnten. Da haben wir’s! Weder die Munitionsschützen, noch der Gewehrführer, noch der Halbzugführer haben daran gedacht, aber am Zugführer bleibt es hängen!

Nun ist es völlig dunkel geworden. Der heiße Tag ist einer kühlen Nacht gewichen. Ich fröstele in meinem Loch. Die am Tage durchgeschwitzte Wäsche ist nun kalt und unangenehm. Lautlose Stille ringsum. Die mondlose Nacht ist so finster, dass man die Hand vor Augen nicht sieht. Ich versuche einzuschlafen. Die Gefahr beunruhigt mich nicht. Man ist schon daran gewöhnt und das Gefühl, dem Gegner überlegen zu sein, gibt Ruhe und Sicherheit. Wir haben zwar nur eine Linie, aber sie ist recht gut besetzt und bewaffnet. Was hinter uns noch steht, weiß ich nicht. Außerdem sitzt an der ganzen Front entlang neben jedem schlafenden Soldaten ein zweiter, der aufmerksam in das Niemandsland hinein horcht, wenn er gewissenhaft ist. Posten vor dem Feind. Nur selten steigt eine Leuchtkugel hoch, erhellt für kurze Zeit die Umgebung und erlischt wieder, lautlos, als wolle sie die Ruhe der Schlafenden nicht stören.

Da zerreißt plötzlich ein gellendes „Urräää – Urrräääh“[5] die Stille der Nacht, breitet sich über das ganze Feld vor uns aus und erfüllt die Luft mit grellem Getöse. Das müssen Tausende sein, die da angestürmt kommen! Abertausende, seit vielen Tagen Eingekesselte, mit dem Mut der Verzweiflung angreifende Menschenmassen! Und unsere Front besteht nur aus einer einzigen Linie von Schützenlöchern! Hinter uns sind nur noch die Granatwerfer!

Ich bin sofort hellwach und brülle automatisch: „Alarm!“. Es ist völlig überflüssig. Rechts und links wird es lebendig. Zu sehen ist nichts bei dieser Finsternis, aber ich höre Rufe und die metallischen Geräusche unserer Geräte. Die ersten Schüsse fallen. Dann rattert das MG neben mir los. Ein zweites folgt, und bald übertönt das rasende Hämmern unserer Maschinengewehre das Urrääh der Angreifer. Glühenden Perlenketten gleich jagen unsere Leuchtspurgarben in die Finsternis hinein. Jetzt greifen auch un••• S. 31 •••sere Granatwerfer ein. Blupp – blupp – blupblupp.. Ihre dumpfen Abschüsse mischen sich in das helle Knattern der MGs. Wenn man bloß mehr sehen könnte! Niemand nimmt sich die Zeit, Leuchtkugeln zu schießen. Alles feuert aufs Geratewohl in die Finsternis hinein. Jetzt macht es sich bezahlt, wenn Schussfelder und Zielpunkte schon bei Tage festgelegt wurden. Diese rasselnde, ratternde, knatternde, dröhnende, massierte Feuerkraft, die da Tod und Verderben speiend dem Feind entgegenrast, gibt ein ungemein beruhigendes Gefühl der Sicherheit, selbst wenn es trügerisch sein mag. Ich bin nicht besorgt, nur gespannt. Durch dieses Feuer kommt kein Mensch!

Der Gefechtslärm flaut ab. Einzelne MGs, deren Läufe heißgeschossen sind, nehmen Laufwechsel vor, andere geben nur noch vereinzelte Feuerstöße ab. Vom Iwan im Vorfeld ist nichts mehr zu hören. Es wird wieder ruhig, und bald legt sich von neuem die Stille der Nacht über das dunkle Land. Der sowjetische Ausbruchsversuch vor unserer Linie ist zusammengebrochen.


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Editorial 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 Epilog Anhang

January February March April May June July August September October November December Eine Art Bilanz Gedankensplitter und Betrachtungen Personen Orte Abkürzungen Stichwort-Index Organigramme Literatur Galerie:Fotos,Karten,Dokumente

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31.

Erfahrungen i.d.Gefangenschaft Bemerkungen z.russ.Mentalität Träume i.d.Gefangenschaft

Personen-Index Namen,Anschriften Personal I.R.477 1940–44 Übersichtskarte (Orte,Wege) Orts-Index Vormarsch-Weg Codenamen der Operationen im Sommer 1942 Mil.Rangordnung 257.Inf.Div. MG-Komp.eines Inf.Batl. Kgf.-Lagerorganisation Kriegstagebücher Allgemeines Zu einzelnen Zeitabschnitten Linkliste Rotkreuzkarte Originalmanuskript Briefe von Kompanie-Angehörigen

  1. most likely leFH 18
  2. The The Geneva Convention on the Treatment of Prisoners of War of 1929, however, had not actually been signed by the Soviet Union themselves, so that they probably could not have insisted on its application.
  3. presumably Sd.Kfz. 10/4 with 2-cm Flak 30 of the 1st Battery/Fla-Bataillon 48, which was assigned to LII. Armeekorps
  4. Lenin zugeschriebener Ausspruch, vgl. Wikipedia
  5. übliche Wiedergabe des russischen Schlachtrufs im Zweiten Weltkrieg, entspricht unserem „Hurra“. Die moderne Form lautet „Ura“.