1942/Krassnoarmeisk März–April: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 31. März 2022, 01:26 Uhr

Kapitel‑Finder

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Editorial 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 Epilog Anhang

Chronik 40–45

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Eine Art Bilanz Gedankensplitter und Betrachtungen Personen Orte Abkürzungen Stichwort-Index Organigramme Literatur Galerie:Fotos,Karten,Dokumente

Chronik 45–49

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31.

Erfahrungen i.d.Gefangenschaft Bemerkungen z.russ.Mentalität Träume i.d.Gefangenschaft

Personen-Index Namen,Anschriften Personal I.R.477 1940–44 Übersichtskarte (Orte,Wege) Orts-Index Vormarsch-Weg Codenamen der Operationen im Sommer 1942 Mil.Rangordnung 257.Inf.Div. MG-Komp.eines Inf.Batl. Kgf.-Lagerorganisation Kriegstagebücher Allgemeines Zu einzelnen Zeitabschnitten Linkliste Rotkreuzkarte Originalmanuskript Briefe von Kompanie-Angehörigen

Der im Original-Tagebuch geschilderte Ablauf der Ereignisse vom 11.03. bis 04.04.1942 entspricht nicht dem realen Ablauf, wie er sich aus den Quellen ergibt. Der Grund liegt darin, dass der Autor mehrmals den Einsatzort zwischen Nord-Slawjansk und Krassnoarmeisk wechselte und anschließend nicht mehr alle Ereignisse dem jeweiligen Ort oder Zeitraum zuordnen konnte. Dafür entschuldigt er sich bereits im Vorwort. Die Richtigkeit der einzelnen Ereignisse selbst ist dabei ausdrücklich verbürgt. Für die Tag-für-Tag-Version (von jedem Abschnitt aus verlinkt) hat der Herausgeber den Originaltext zerlegt und gemäß den realen Daten umsortiert. Dies ist sicher nicht ganz zweifelsfrei gelungen, da sich manche Situationen sich wiederholten und eine eindeutige Zuordnung erschwerten. Der nachstehende Text in der Original-Reihenfolge bleibt daher wichtig. Da er erst alle Ereignisse südlich, dann alle nördlich von Slawjansk zusammenfasst, ist er vielleicht sogar ein wenig eindrucksvoller und leichter lesbar. Das mag der Autor auch beabsichtigt haben. (Der Link "nächstes Datum" am Seitenende führt an die richtige Stelle der Tag-für-Tag-Version zurück.)

11.03.1942

GEO & MIL INFO
Andrejewka Karte — map
Krassnoarmeisk Karte — map
Sowchose No. 5/Kolchos 5/Schabelkiwka Karte — map
wieder bei der 8./477, aber kein Zugführer
Batl.-Kdr. II./477: Klaar[1]
Sowjetischer Großangriff (Januar 1942)

••• S. noch 69, Teil A •••Die bolschewistische Winteroffensive hat beachtliche Erfolge erzielt. Schon Ende Januar[2] waren russische Truppen bei Isjum über den Donez gekommen und bis Barwenkowo und darüber hinaus vorgedrungen. Jetzt haben starke sowjetische Verbände diesen Einbruch erweitert. Sie haben die deutsche Front zwischen Charkow und Slawjansk auf einer Breite von 85 Kilometer durchbrochen und sind bereits 100 Kilometer tief in unser Hinterland vorgestoßen. Dabei haben sich die Fronten der Sowjets bis fast bis an den Stadtrand von Slawjansk herangeschoben. Unsere rückwärtigen Verbindungen, schon öfter bedroht, sind bereits mehrmals unterbrochen worden. Gleichzeitig ist es den Roten gelungen, auch unsere Stellungen am Donez an vielen Stellen zu durchbrechen und manche Dörfer einzukreisen. Im Osten ist die Front stellenweise nur zwei Kilometer vom Stadtrand entfernt. Im Norden verläuft sie auf einem Höhenzug, von dem aus man die ganze Stadt übersehen kann.

Slawjansk ist von drei Seiten eingekreist. Sowjetische Batterien schießen schon in die Stadt. Aber Slawjansk ist der südliche Eckpfeiler der deutschen Front, wie Charkow im Norden. Wenn Slawjansk fällt, bricht die Front auf breiter Linie zusammen. Die Stadt muss daher gehalten werden. Sie wird zur Festung erklärt,[3] erhält schwere Artillerie und weitere Truppenverstärkungen. In der Stadt stehen jetzt 21 Batterien aller Kaliber, und ihre Rohre zeigen nach allen Himmelsrichtungen, wie die Stachel eines Igels.

11.03.1942. Auch mein bisher in Rai Gorodok stationiertes Bataillon wird abgelöst und zur Verstärkung nach Slawjansk verlegt.[4] Damit ist auch meine Tätigkeit als Verbindungsoffizier beendet, und ich kehre zum Bataillon zurück. Erst aber gehe ich zum Tross, um meine Ausrüstung zu vervollständigen. Dann verabschiede ich mich von Fritz und begebe mich zur 8./477. Die Kompanie liegt am südwestlichen ••• S. 70 •••Stadtrand in einem kleinen Dörfchen[5], das nur durch einen ca. ein Kilometer breiten Wiesengrund, einen Bachgrund, von der Stadt getrennt ist. Hier warten wir auf einen neuen Einsatz. Die Zivilbevölkerung ist freundlich.

15.03.1942

GEO INFO
Bataillon wieder in Andrejewka Karte — map

••• S. noch 70, Teil B •••Ich höre von einem neuen Skandal. Eines Nachts gab es Alarm bei einem unserer Bataillone. Eine russische Einheit sei durchgebrochen. In aller Eile bezieht eine Kompanie Stellung auf einem Höhenzug. Da stand sie nun mit 100 Mann in Erwartung des Russen. Die kahle Höhe bot keinerlei Schutz gegen den schneidenden Wind, der ihnen die Kälte durch die dünnen Mäntelchen bis in die Knochen blies. Sie trampelten pausenlos mit den Füßen im Schnee herum, um sie vor dem Erfrieren zu bewahren. So stand die Kompanie die ganze Nacht, aber der Russe kam nicht. Und als die Kompanie morgens von der Höhe herunterstieg, waren von den 100 Mann noch 25 einsatzfähig. Die übrigen hatten mehr oder weniger schwere Erfrierungen erlitten.[6] Es ist eine ganze Kompanie ohne einen Schuß kampfunfähig geworden, weil noch keine Winterbekleidung da ist. Hier büßen Soldaten – es ist ja nur ein Beispiel von Hunderten – mit ihrer Gesundheit für den himmelschreienden Dilettantismus unserer politischen Führer. Was wir bisher erhalten haben, waren Pappwesten! Sie bestanden buchstäblich aus vier Pappteilen, die lose und beweglich mit Fäden zusammengenäht waren. Als sie verteilt wurden, bewegten sich die Gefühle der Landser zwischen Hohn und Wut. Aber der brave deutsche Michel tat weiterhin in Zucht und Gehorsam seine Pflicht. Es ist eine schöne und notwendige Tugend, die auch die Größe des Reiches mitbegründet hat. Hier aber wird sie von einer unfähigen Führung überstrapaziert.

11.03.1942 ••• S. noch 70, Teil C •••Jablonski, der Pferdeknecht und derzeitige Chef der 8. Kompanie, ist von meinem Erscheinen gar nicht begeistert. Er hat im Augenblick keine Zugführerstelle frei, und am liebsten wäre er mich sicher ganz losgeworden. Aber ich bin nun mal wieder da, und ich werde länger hierbleiben, als er.

Es geht wieder los. Unser Bataillon macht sich fertig zum Einsatz.

Lage im März 1942: Die Front durchtrennt Krassnoarmeisk (rot gestrichelte Linie)

Etwa drei Kilometer westlich von unserem Dörfchen liegt, durch einen Bachgrund getrennt, das Dorf Krassnoarmeisk. Es ist ein langgezogenes Straßendorf, das von der Front durchschnitten wird wie eine lange Wurst in zwei Teile. Der von uns gehaltene Teil ist im Augenblick noch von einer abgekämpften österreichischen Einheit[7] besetzt, die wir ablösen sollen.

An der Front tobt der Kampf um den Rest des von uns noch gehaltenen Dorfteiles. Krassnoarmeisk ist die letzte Bastion vor Slawjansk, das Einfallstor in die Stadt. Den größten Teil des Dorfes haben die Sowjets schon besetzt. Nur der Ortsteil, der sich wie ein Finger an der Straße nach Slawjansk vorschiebt, ist noch in unserer Hand. Es ist eine etwa ein Kilometer lange Straße, an der auf jeder Seite eine Häuserreihe entlangläuft. Und quer über diese Straße läuft die Front.

In pausenlosen, erbitterten Angriffen versuchen die Sowjets, auch diesen letzten Teil des Dorfes noch in ihre Hand zu bekommen. Sie haben den Vorteil, dass ihre auf den Höhen liegenden B-Stellen das ganze Tal und das Dorf einsehen, jede Bewegung beobachten und direkt beschießen können.

13.03.1942

GEO INFO
Jasnaja Gorka Karte — map

••• S. noch 70, Teil D •••Wir waren kaum in dem kleinen Dörfchen Jasnaja Gorka[8] angekommen, als es in Krassno••• S. 71 •••armeisk schon wieder lostrommelte. In unregelmäßigen Abständen, aber pausenlos donnern die Einschläge der Granaten. Die Explosionen rütteln die Erde und lassen die Luft vibrieren. Wir werden alarmiert und liegen zum Eingreifen bereit. Nach einer Stunde kommen die ersten Österreicher von vorn. Sie sind völlig demoralisiert und kopflos. Verwundete unter Schock und Fliehende können die Lage nicht objektiv beurteilen. Sie übertreiben. Aber das Kampfgetöse im Dorf macht ihre Schreckensberichte doch einigermaßen glaubhaft. Klar ist jedenfalls, dass die Russen einen neuen, wilden Vorstoß unternommen und die Front der schon stark angeschlagenen Österreicher ins Wanken gebracht haben. Sie beginnen, ihre Stellungen zu verlassen und auf der Dorfstraße zurückzulaufen. Das sehen natürlich die roten B-Stellen auf den Höhen, lenken ihr Artilleriefeuer auf die Dorfstraße und schmettern ihre Salven zwischen die Haufen der überhastet zurückflutenden Österreicher und Zivilisten. Wir nehmen uns der Verwundeten an, während die übrigen Österreicher wie die aufgeregten Hühner ziellos hin und her laufen. Dabei sind sie rasend nervös und empfindlich. Als unser Leutnant[9] in seiner schnoddrigen Art einem österreichischen Leutnant vorhielt, dass die Österreicher schlappe Kerle seien, bekam dieser einen hysterischen Wutanfall und wollte unseren Leutnant erschießen. Der aber erklärte kaltschnäuzig, wir würden ihnen mal zeigen, wie man es besser macht.

14.03.1942

••• S. noch 71, Teil D1 •••Jetzt[10] kommt der Einsatzbefehl für unser Bataillon. Wir treten an und rücken kompanieweise der Front entgegen. Nachdem wir hinter dem Dörfchen Jasnaja Gorka einen schmalen Bachgrund mit steilen Hängen durchschritten haben, stehen wir nur noch wenige hundert Meter vor den ersten Häusern von Krassnoarmeisk. Einzelne Gruppen von Dorfbewohnern kommen uns entgegen. Sie tragen ein paar Habseligkeiten auf dem Rücken. Dann folgen völlig aufgelöste Haufen von Österreichern, die hastig und niedergeschlagen an uns vorbei nach rückwärts streben. Sie sprechen kein Wort, und wir stellen ihnen auch keine Fragen. Wir sehen ja selbst, was los ist, und die Nähe der Front und der Gefechtslärm haben unsere Sinne schon auf den kommenden Kampf gelenkt. Der Instinkt beginnt zu arbeiten. Körper und Nerven sind angespannt. Wir horchen auf Abschüsse und Einschläge, schätzen Kaliber und Schussrichtung, suchen nach dem Gegner und ducken uns automatisch, wenn es zischt. Der Geist arbeitet. Das Auge sucht Angriffsziel und -weg, Stellungen für MG und Granatwerfer. Es sind tatsächlich Augenblicke höchster Konzentration aller Kräfte des Körpers, des Geistes, der Seele, der Nerven. Dazu dieser wunderbare, unbegreifliche Instinkt, der nach vorn wittert und tastet und uns oft stärker steuert als wir ahnen. Das habe ich jedenfalls bei mir mehrmals erfahren, wenn ich bei der nachträglichen Rekonstruktion meiner Verhaltensweise feststellte, dass ich unbewusst gehandelt hatte.

Ich muss meine Zähne wohl etwas zusammengebissen haben, denn als ich sie ein wenig öffnete, spüre ich, dass sie leicht vibrieren. Das ist aber keine Angst. Das ist Spannung. Jeder Frontsoldat kennt diese Gefühl, wenn es ins Feuer ging.

Im Augenblick ist eine Kampfpause eingetreten. Die feindliche Artillerie schweigt. Vielleicht müssen ihre Rohre abkühlen, vielleicht glauben sie das Dorf schon im eigenen Besitz. Vielleicht sind sie sich über den Frontverlauf bei der Turbulenz im Dorf nicht klar. Jedenfalls erreichen wir völlig unbehelligt den Dorfrand, obgleich die Straße ins Dorf auf den letzten hundert Metern über offenes, freies Gelände führt.

Wir dringen ins Dorf ein, bevor die letzten noch kämpfenden Österreicher hinausgedrängt werden. Es sieht allerdings niederschmetternd aus. Auf der Straße liegen gefallene Ostmärker. Mitten auf der Straße liegt ein abgerissener Arm. Er steckt noch im Ärmel des Uniformrockes. Wenige Schritte weiter liegt ein einzelnes Bein in Hose und Stiefel. Das ist die Wirkung von Granatsplittern. Viele Häuser sind restlos zerschossen. Aus den Trümmern ragt nur noch der Kamin. Die noch stehenden Häuser sind ausgebrannt oder von Granaten beschädigt. Die russische Artillerie hat ganze Arbeit geleistet.

Die Ostmärker sind an ihren hohen Verlusten selbst mit Schuld. Man kann doch nicht unter den Augen der feindlichen Artilleriebeobachter auf der breiten Dorfstraße ohne Deckung in hellen Haufen zurücklaufen. Wären sie kämpfend, immer dicht bei der feindlichen Infanterie, immer in Deckung, von Haus zu Haus springend, zurückgewichen, hätten sie halb so viele Verluste gehabt. Weil die feindliche Artillerie dann nur sehr vorsichtig ••• S. 72 •••hätte mitwirken können, um die eigene Infanterie nicht zu gefährden. Aber wenn Panik ausbricht, ist der Verstand zum Teufel.

Da mein Chef bei der MG-Kompanie keine Verwendung für mich hat, gehe ich zu Oberleutnant Rasche, dem Chef einer unserer Schützenkompanien. Ich mache den Angriff bei seiner Kompanie mit. Wir sind erst knapp hundert Meter im Dorf vorgegangen, als wir schon auf den ersten Widerstand stoßen. Die ersten Kugeln pfeifen uns entgegen. Sofort entwickelt sich die Kompanie zum Angriff. Gruppenweise gehen die Schützen rechts und links der Straße vor. Ich bin beim Kompanieführer vorn in der ersten Linie. Wir kauern hinter Hausecken und Mauerresten, spähen vorsichtig um die Ecke und springen dann in kurzen Sätzen zum nächsten Haus, während die Gruppenkameraden an der anderen Hausecke Feuerschutz geben. Dann jagen die Vorangesprungenen den in den Ruinen versteckten Iwans einen Geschosshagel aus Maschinenpistolen und Karabinern entgegen, um sie in Deckung zu zwingen. Dann kann die hintere Gruppe nachfolgen. Alte, im Frieden oft geübte Technik. Es geht Sprung um Sprung, Zug um Zug. Feuern, springen, feuern, springen. Dabei bleiben die Gruppen immer durch Zuruf oder mit den Augen in Verbindung. Die Energie und die Schnelligkeit unseres Gegenangriffs hat die schon siegessicheren Russen verwirrt. Sie weichen zurück. Die ersten Gefangenen – drei Mann – kommen mit erhobenen Händen aus den Trümmern eines Hauses. Wir schicken sie nach hinten. Weiter geht’s. Ich springe mit dem Kompanieführer. Kugeln zischen vorbei. Ziu-zing – klatschend schlagen sie in die Mauer. Da faucht es wütend heran. Ich schmeiße mich blitzschnell hinter einen Misthaufen. Bränng – berstend krepiert eine Granate, Splitter surren durch die Luft und Erdbrocken klatschen zu Boden. Eine dünne schwarze Rauchfahne zieht über uns hinweg.

Da schmettert drüben auf der anderen Straßenseite eine Granate zwischen die Häuser. Unsere Männer ducken sich hinter die Mauern. Ihre Stahlhelme schimmern matt herüber. Jetzt springen sie schon wieder, einer, zwei. Schüsse peitschen, aber unaufhaltsam dringen sie vor, unsere tapferen, deutschen Infanteristen. Da ist niemand, der zögert oder kneift. Es ist, als wollten sie immer alle vorn sein. Man sieht förmlich den Angriffswillen, den Vorwärtsdrang, den Furor teutonicus.

Haus um Haus erobern wir zurück. Vor einer Stunde trieb der siegesfrohe Feind die Österreicher vor sich her, jetzt jagen wir ihn zurück ohne Artillerie, nur mit Handfeuerwaffen. Das ist deutsche Infanterie. Waffenstolz? Richtig!

16.03.1942

••• S. noch 72, Teil D2 •••Die Rotarmisten ziehen sich jetzt immer schneller zurück. Der Wucht unseres Angriffs sind sie nicht gewachsen. Bald haben wir sie auf ihre Ausgangsstellung zurückgeworfen. Die alte Lage ist wiederhergestellt.[11]

28.03.1942

GEO & MIL INFO
Krassnoarmeisk Karte — map
Das II./I.R.477[12], in dessen 8.(MG)Komp. der Autor Zugführer ist, löst das I./I.R.229[13] ab, bleibt dem I.R.457 zum Einsatz in Krassnoarmeisk unterstellt; dort verbleiben der mittl.Pakzug 14./I.R.466, ein le.Zug der Pz.Jäg.Abt.257 und eine 8,8-cm-Flak der Heeres-Flak-Abt. 279[14].[15][16]
Stellung der 257. I.D. Anfang April 42[17]
Stellungen der 8./I.R.477 in Krassnoarmeisk (Zeichnung des Autors; Norden liegt rechts!)
Die MG-Stellung vor der Scheunenwand (Zeichnung des Autors)
Stellungen der 8./I.R.477 in Krassnoarmeisk, Stand 23.04.1942[18]
Zeichenerklärung

••• S. noch 72, Teil E •••Wir übernehmen die Stellungen und Bunker, die die Ostmärker verlassen hatten. Der Schützenkompanie des Oberleutnant Rasche, die den Angriff durchgeführt hat, war auch ein schwerer MG-Zug meiner Kompanie unterstellt, und zwar unter dem Befehl von Leutnant NN. Diesem schloss ich mich jetzt an. Ich gehe mit einem MG in eine Stellung, die im Brennpunkt der Front liegt: Wir sichern die Dorfstraße an der Stelle, wo die Front sie durchschneidet. Hier hat man zwei Häuser gesprengt und planiert, so dass in der Reihe der Bauernhauser eine etwa achtzig Meter breite Lücke klafft. Dieser Streifen Niemandsland trennt uns von den russischen Stellungen, die drüben im nächsten Haus liegen. Unsere Stellung ist eine meterhohe Balkenwand, die durch Sandaufschüttungen verstärkt ist. Sie lehnt sich mit dem Rücken an eine massive Scheune, deren Backsteinmauer hier durchbrochen ist, so dass man durch dieses Loch von der Scheune ungesehen in die Stellung und umgekehrt kriechen kann. An der rechten Ecke dieser Scheune steht noch ein leichtes MG als Flankenschutz, auf der anderen Straßenseite eine 8,8-Flak, eine 5-cm-Pak und mehrere leichte MGs.

Inzwischen ist es dämmrig geworden. Ich blicke zum Iwan hinüber. Der Russe hat einen durchgehenden Schützengraben quer über die Straße gezogen. Wir haben auf unserer Seite nur Einzelstellungen. Drüben regt sich nichts. Nur an einer Stelle uns gegenüber steigt feiner, dünner Rauch aus der Erde. Dort liegt also ein Bunker.

Hier vergeht Tag und Nacht, jede Stunde, in spannungsvoller Aufmerksamkeit. Unaufmerksamkeit bedeutet hier Tod. Die Stellungen liegen hier so nah beieinander, dass der Russe bei einem überraschenden Vorstoß mitten unter uns stünde, bevor wir zum Schuss kämen. Das gilt vor allem für mögliche ••• S. 73 •••Stoßtruppunternehmen mit dem Ziel, Gefangene zu machen.

Aber die Front bleibt ruhig. Nur einmal nehmen wir den Bunker, aus dem Rauch aufgestiegen war, unter Werferfeuer. Wir haben auch den Graben getroffen, aber die Wirkung war wohl nicht groß.

11.03.1942 ••• S. noch 73, Teil E0 •••Drüben auf der linken Seite jedoch, auf den Höhen weit hinter der Front, liegt eine Kolchose[19]. Da braut sich etwas zusammen. Schon seit Tagen sieht man dort vereinzelte Gestalten zwischen der Kolchose und dem russisch besetzten Ortsteil hin und her laufen.[20] Kleine dunkle Striche auf dem weißen Schnee. Im Glas sieht man ihre erdbraunen Mäntel flattern und die Ohrenklappen ihrer Pelzmützen auf und ab wippen. Sie gehen einzeln oder zu zweit in großen Zeitabständen. Ab und zu geht auch mal einer zurück. Alles ganz unauffällig. Immer nur wenige Mann. Viele Tage lang. Wenn man sie zählen würde, könnte man feststellen, dass im Laufe der Zeit mehr hineingingen, als aus der Kolchose herauskämen. Und sie wurden gezählt, nämlich von unseren Artilleriebeobachtern. Als ich den Offizier der B-Stelle einmal bat, einen Feuerschlag auf die roten Stellungen an der Dorfstraße zu legen, meinte er, die Kolchose sei gefährlicher. Tatsächlich schießt unsere Artillerie schon seit zwei Tagen Störfeuer auf die Kolchose, und sie wusste, warum.

30.03.1942

GEO & MIL INFO
Kolchose[21] Karte — map
30.–31.: Nahkampftage gem. Soldbuch
Bedrohung von der Kolchose her
(die grünen Strichelchen symbolisieren die Obstplantage)

••• S. noch 73, Teil E1 •••30.3.42. Es geht wieder los! Die Russen greifen aus der Kolchose an![22] Scharen von Russen bewegen sich, weit auseinandergezogen, aus der Flanke auf uns zu. Wie ein riesiges Ameisenheer kommen sie über den verschneiten Hang hinab ins Tal, um das Dorf aus der linken Flanke zu packen. Unsere Artillerie schießt nur kleckernd in diese Massen hinein. Die Wirkung ist trotzdem nur gering, weil sie zu weit auseinandergezogen sind. Die vorderen Reihen der Angreifer haben schon die große Obstplantage erreicht, die hinter den Gärten der Bauernhäuser beginnt. Obgleich es schon zu dämmern beginnt, sind die braunen Gestalten zwischen den kahlen Obstbäumen auf dem weißen Schnee sehr deutlich zu sehen. Jetzt sind sie noch dreihundert Meter entfernt. Da fetzen unsere Maschinengewehre los und schlagen in die vordersten Reihen hinein. Die ersten Getroffenen brechen zusammen und kippen in den Schnee. Die Iwans sind übel dran. Die dünnen Obstbäumchen bieten keinen Schutz, und die Angreifer, die nicht durch die Plantage kommen, sind noch schlimmer dran. Aber auch unsere MG-Garben verpuffen großenteils im Schnee, weil die Lücken zwischen den weit aufgelockerten Haufen der Angreifer zu groß sind. Sie sind keine 200 m mehr entfernt. Jetzt beginnen auch unsere Karabiner- und MPi-Schützen mit gezielten Schüssen einzugreifen. Granatwerfer schmettern dazwischen. Nun wird der Angriff langsamer und kommt ins Stocken. Sie liegen fest. Sie beginnen, sich zurückzuziehen. Plötzlich versuchen sie noch einmal einen Vorstoß, dann aber geben sie auf. Das Knattern des Infanteriefeuers erstirbt. Der weite Hang liegt still in der hereinbrechenden Dunkelheit. Nur die schwarzen Flecken auf dem hellen Schnee sind die stummen Zeugen des gescheiterten Massenangriffs.

Da die Stellung meines MGs an der Straße lag, konnte es an dem ••• S. 74: Bilder, S. 75 •••Abwehrkampf nicht teilnehmen. Ich habe aber alles beobachten können.

Hier hat sich erneut eine russische Kampfesweise gezeigt, die wir schon im Ersten Weltkrieg erfahren hatten: Der Russe hat ein unerschöpfliches Menschenreservoir. Er kann daher seine Menschenmassen ohne Rücksicht auf Verluste in das feindliche Feuer werfen, und das tut er auch mit brutaler Rücksichtslosigkeit. So greift er dann stellenweise mit solchen Massen an, dass unsere Munition gar nicht ausreicht, um sie alle niederzumähen (sie wurden oft buchstäblich niedergemäht); oder wir können gar nicht so viele niederkämpfen, wie angestürmt kommen. Es sind eben zu viele, und so werden unsere Stellungen dann von den letzten Resten der Angreifer überrannt. Auf diese Weise bleiben sie dann trotz unvorstellbar hoher Verluste letzten Endes doch Sieger, manchmal wenigstens. Vielleicht liegt hier auch ein Grund für ihren Endsieg: Sie konnten eben Menschen und Material (mit kräftiger amerikanischer Hilfe!) ersetzen, wir aber nicht. Obgleich ich immer noch glaube, dass wir den Krieg gegen Russland gewonnen hätten, wenn Amerika seine massiven Unterstützung Russlands unterlassen hätte. Amerika hat uns das Genick gebrochen, nicht die Sowjetunion.

31.03.1942

••• S. noch 75, Teil E2 •••Am Morgen nach dem Flankenangriff stellte sich heraus, dass die Russen nicht auf ihre alten Stellungen zurückgegangen waren, sondern sich nur auf die Hochebene zurückgezogen hatten. Da hatten sie sich – fast in unserer Flanke – festgesetzt und bedrohten außerdem unsere dort oben liegenden Bunker. Gestern Nacht haben sie bereits einen dieser Bunker überfallen. Er war mit vier Mann meines ehemaligen Zuges besetzt. Die Besatzungen der Nachbarbunker hörten zwar die Schießerei, konnten aber wegen der Dunkelheit nicht wirksam helfen. Am Morgen fanden sie die vier Mann tot in ihrem Bunker. Ihre Magazine waren leergeschossen. Sie hatten sich also bis zur letzten Patrone verteidigt.

22.03.1942

GEO & MIL INFO
22.03. 12:00 ist II./I.R.477 noch in Kurort[23]
17:45 Verlegung nach Andrejewka[24]
Karte — map
23.03. Kämpfe in Krassnoarmeisk[25] Karte — map
ab 22.03. ist II./I.R. 477 dem I.R. 457 (Kdr Oberst Drabbe) unterstellt[26]
Soldbuch, links: eingeklebter Vordruck II, rechts: S. 23
Teilweise stimmen Datum oder Ort der Nahkampftage nicht mit den amtlichen Kriegstagebüchern überein. Die Eintragungen vor 1945 wurden offenbar nachträglich vorgenommen. Die Gesamtzahl der Nahkampftage kann aber nicht bezweifelt werden.

••• S. noch 75 Teil E3 •••Die Situation ist unmöglich. Der Iwan sitzt fast in unserer Flanke und guckt uns von der Höhe in den Suppentopf. Er muss da oben weg. Schon am nächsten Morgen erfolgt unser Gegenangriff. Die angreifende Schützenkompanie wird von einer schweren Granatwerfergruppe mit Unteroffizier Dickmann unterstützt. Das sowjetische Abwehrfeuer ist anfangs sehr heftig, lässt aber schnell nach, als unsere Soldaten die Höhe erreicht haben. Das Gefecht ist kurz. Die Roten ziehen sich zurück. Die Höhen sind wieder in unserer Hand. Die Ausfälle sind sehr gering. Wir haben nur einen Toten, und selbst dieser hätte nicht zu fallen brauchen, wenn er vorsichtiger gewesen wäre. Er hatte einen Rotarmisten durch Kopfschuss getötet. Beim weiteren Vorgehen kam er an diesem vorbei und ging hin, um sich seinen Erfolg zu betrachten. Wie er so neben dem Toten steht, trifft ihn eine feindliche Kugel. Mit Kopfschuss bricht er tot zusammen.

04.04.1942

GEO & MIL INFO
Majaki Karte — map
als MG-ZugFhr zum I. Batl (BatlFhr: Hptm Degener) versetzt und der 4. Komp (KompFhr: Lt Max Müller) zugeteilt

Zusammenfassung der Namen und Positionen:
RegtKdr I.R.477 Oberst Taeglichsbeck,
RegtFhr: BatlKdr I.Btl Maj Haarhaus,
BatlFhr: KompChef 4.Komp. Hptm Degener,
KompFhr: KompOffz (u. MG-ZgFhr) Lt Müller

13. DivFhr: Oberst Püchler[27],WP

spätestens 23. de Angelis wieder zurück
20. m.d.F.b.[28]: Gen d Inf von Salmuth WP

••• S. noch 75, Teil E4 •••Die Russen geben keine Ruhe und berennen uns mit verbissener Wut. Wenige Tage, nachdem wir sie von der Hochfläche verdrängt haben, setzen sie zu einem Angriff auf das Dorf an. Plötzlich prasselt ein mörderischer Feuerüberfall auf das Dorf und unsere Stellungen. Der Erdboden zittert und bebt. Durch die Luft zischen Granaten mit wütendem Fauchen. Klirrend und krachend schlagen sie ihre glühenden Pranken in die Gebäude. Der Russe schießt mit allen Kalibern. Pak-Granaten schlagen große Löcher in die Backsteinwand unserer Scheune. Artilleriegeschosse zertrümmern von oben das Dach. Rote Blitze flammen auf, wenn die Granaten bersten. Schon brennt die lange Scheune in unserem Rücken. Ich muss meine MG-Stellung aufgeben und ziehe mich mit der Bedienung durch die brennende Scheune in das nächste Haus zurück, wo wir uns einer lauernden Schützengruppe anschließen. Das Strohdach der Scheune brennt lichterloh. Dichter, schwarzgrauer Qualm wälzt sich in quirlenden Schwaden über die Erde, die Scheune zeitweilig verdeckend. Oberleutnant Rasche taucht auf. Wir starren in den wabernden Qualm und erwarten den Angriff der sowjetischen Infanterie. Der Oberleutnant brüllt: „Sie kommen!“. Graue Schatten flitzen durch die Rauchschwaden, tauchen kurz auf, verschwinden wieder und kommen dann in sausendem Lauf auf uns zu. Ich kann gerade noch rechtzeitig schreien: „Es sind Deutsche!“. Es ist die leichte MG-Gruppe, die an der rechten Scheunenecke unsere Flanke sicherte. So warten wir weiter auf den Iwan, aber er kommt nicht. Dafür rast sein Artilleriefeuer mit unverminderter Wut über das sterbende Dorf. Ich blicke mich um. Das ganze Dorf liegt unter Beschuss. Ich unterscheide das harte Bellen der Pak und das fast gleichzeitige reißende Bersten des Einschlages. Dazwischen krachen in der Luft die Zeitzünder der Flak-Granaten und prasseln ihren Splitter••• S. 76 •••hagel herunter. Etwas seltener brummen die schweren Koffer[29] der schweren Artillerie heran, aber ihre Einschläge lassen die Erde erzittern. Hin und her springen die schwarz-roten Fontänen der einschlagenden Granaten. Wie Zackenkronen schießt dunkle Erde empor, wenn der rote Blitz einer krepierenden Granate aus der Erde fährt. Weißer Kalkstaub oder rötliche Staubwolken mischen sich dazwischen, wenn die Granaten in die Trümmer eines Bauernhauses prasseln. Bretter und Balken wirbeln durch die Luft, wenn die Stallgebäude getroffen werden. Eine Granate trifft die obere Kante einer Backsteinmauer, und mit den rasselnden Steinen zuckt eine rote Stichflamme herunter.

Einige Zivilisten sind noch zurückgeblieben. Diese Bauern konnten sich nicht entschließen, ihre Katen und ihr Dorf zu verlassen. Da ihre Häuser zerstört sind, hausen sie in Erdlöchern. Es sind dies mit Brettern und einer dicken Erdschicht überdachte Gruben, in denen sie sonst ihre Vorräte in den heißen Sommermonaten aufzubewahren pflegten. Jetzt kauern sie hier unten und lassen den Beschuss ihrer Volksgenossen über sich ergehen.

In einer kurzen Feuerpause springe ich über die Straße. Gewehrkugeln zischen um mich her. Ich weiß nicht, ob sie mir persönlich gelten. Ist auch egal, ich bin schon drüben. Hier liegen einige Männer meiner Kompanie. Sie liegen flach hinter einer Ruine, von der nur noch die Grundmauern stehen. Unteroffizier Kramm ist bei ihnen. Er hatte zu Beginn des Trommelfeuers keine Zeit mehr gefunden, seinen Stahlhelm aufzusetzen. Jetzt liegt er mit seiner Feldmütze da und macht ein unglückliches Gesicht. Das wundert mich, denn Kramm ist ein guter Soldat. Auf meine Frage antwortet er: „Herr Feldwebel, ohne Stahlhelm komme ich mir vor, als ob ich nackt wäre!“ Brrachch – da kracht schon wieder eine Granate auf die Mauer. Ein Teil wankt und bricht zusammen, während da, wo unsere Landser sich an die Mauer pressen, nur einige Backsteine herunterfallen und den Kriegern ins Kreuz schlagen. Sie kamen mit dem Schrecken davon. Ich hocke zehn Meter entfernt in einem Granattrichter und blieb von dem Steinschlag verschont. Ich hatte mir diese Deckung gewählt eingedenk der alten Regel, dass Granaten selten in denselben Trichter schlagen. Ob das stimmt, weiß ich aber nicht.

Endlich flaut das Trommelfeuer ab. Auf den Infanterieangriff haben wir vergeblich gewartet.[30] Vielleicht hatten sie nach den zwei abgeschlagenen Vorstößen die Nase voll oder konnten mit ihren zusammengeschossenen Kompanien noch keinen neuen Angriff wagen. An den Preußen haben sie sich die Zähne ausgebissen.

Ich verlasse die Schützenkompanie wieder. Übrigens war ich hier zuletzt dem sMG-Zug zugeteilt, der unter Führung von Leutnant NN der Schützenkompanie unterstellt war. Ich habe inzwischen den Granatwerferzug unserer Kompanie wieder übernommen. Da nicht mehr viele Häuser bewohnbar sind, liege ich mit einer Granatwerfergruppe zusammen im Haus unseres Kompaniechefs. Wir bauen eifrig an unseren Werferstellungen[31] und schießen uns auf einige Ziele und Sperrfeuerräume ein. ••• S. -- Dieser Absatz (oder dieser und die nächsten zwei Absätze) würden wegen der gemeinsamen Unterkunft mit dem Kp.-Chef vor den oder zum 26.03. passen, wo genau dies erwähnt wird, aber dazwischen, am 28.3.42, habe ich den Angriff platziert, den er noch beim MG-Zug mitmacht. •••

Einmal muss ich mit einem Auftrag zum Bataillonsgefechtsstand. Ich steige zahlreiche Stufen in den tiefen Erdbunker hinunter. Der Schacht will gar kein Ende nehmen. Der ist bombensicher: Vier Lagen Baumstämme! Jeder Stamm einen halben Meter Durchmesser! Und darüber eine meterdicke Sanddecke!

Seit wir Krassnoarmeisk verteidigen, ist der Iwan noch nicht einen einzigen Schritt vorwärts gekommen. Es waren aber auch die härtesten Kämpfe und das tollste Artilleriefeuer, das ich bisher erlebt habe.

26.03.1942

GEO INFO
Bilbassowka Karte — map
Verleihungsurkunde zum Eisernen Kreuz 2. Klasse, unterzeichnet vom Divisionskommandeur Sachs

••• S. noch 76, Teil F •••26.3.42. Ich werde zum Kompaniechef gerufen. Da wir unter einem Dach wohnen, brauche ich nur ins Nebenzimmer zu gehen. Als ich eintrete, steht Oberleutnant Jablonski da, und neben ihm Fritz Schulz, unser Spieß. Ich melde mich vorschriftsmäßig und wundere mich im Stillen über diese Zusammenkunft. Der Chef und der Spieß lassen mich rufen! Warum? Da überreicht mir der Kompaniechef das Eiserne Kreuz II. Klasse für tapferes Verhalten vor dem Feind in den harten Kämpfen der letzten Tage. Der Chef macht dabei ein säuerliches Gesicht. Vor drei Monaten wollte er mich am liebsten als Offizieranwärter streichen, und jetzt muss er mir das Eiserne Kreuz verleihen. Ihm habe ich es auch bestimmt nicht zu verdanken. Wahrscheinlich hat mich Oberleutnant Rasche für den Angriff zur Wiedereroberung des Dorfes vorgeschlagen. Oder auch der Leutnant, dessen MG-Zug ich in den folgenden Tagen zugeteilt war und der mich von Anfang an gut leiden konnte. Am wahrscheinlichsten ist, dass sie mich beide gemeinsam vorgeschlagen haben. Da es üblich ist, ••• S. 77 •••dass das EK am Tag der Verleihung offen getragen wird, baumelt es nun den ganzen Tag am schwarz-weiß-roten Band sichtbar im Knopfloch meines Waffenrocks. Ein Mann meines Granatwerferzuges ist verwundert über meine Auszeichnung, weil ich während der harten Kampftage beim Zug überhaupt nicht zu sehen war. Er weiß natürlich nicht, dass ich gerade in diesen Tagen bei der Infanterie in vorderster Front gekämpft habe. So entstehen falsche Vorstellungen, weil man die Hintergründe nicht kennt.

••• S. noch 77, Teil G. Dieser Abschnitt gehört in den Zusammenang der Kämpfe in Krassnoarmeisk und könnte dort an einer beliebigen Stelle stehen; die Original-Reihenfolge kann hier einfach beibehalten werden. •••Auf der rechten Seite des Dorfes dehnt sich ein breites Tal, das dann von einem ziemlich steilen Hang begrenzt wird. Oben auf der Hochebene liegt das Dorf Bilbassowka. Wir können es gut sehen, weil seine Häuser bis an den Rand des Steilhanges heranreichen. Das Dorf wird von dem Bewährungsbataillon 500 gehalten. Es ist ein beruhigendes Gefühl, diese Bewährungseinheit neben sich zu haben, denn wo das Bewährungsbataillon 500 steht, kommt kein Russe durch.

20.03.1942

••• S. noch 77, Teil G0 •••Eines Abends hören wir plötzlich drüben hinter der russischen Front das bekannte Aufjaulen der sowjetischen Salvengeschütze, der gefürchteten Stalinorgeln.[32] Wir springen in Deckung und erwarten die ersten Einschläge. Da flammt es in Bilbassowka auf. Erst je ein Einschlag links und rechts, und dann spritzen zwischen diesen beiden weitere 12 oder 16 funkensprühende Feuerfontänen in die dunkle Nacht empor. Und während das Grollen der krächzenden Detonationen die Luft erzittern lässt, fällt der glühende Funkenregen zur Erde zurück. Phosphor! Für Sekunden senkt sich wieder der Schatten der Nacht über das Dorf. Bald aber flackern einzelne Brände auf. Die strohgedeckten Bauernhäuser haben Feuer gefangen. Nun stehen sie wie brennende Riesenfackeln in der Dunkelheit und verlöschen dann allmählich zu dunkelrot glühenden Flecken. Die Russen scheuen sich nicht, ihre eigenen Dörfer und Menschen zu vernichten, wenn sie nur hoffen können, uns dabei zu schaden.

(26.) ••• S. noch 77, Teil G1 •••Über das Bewährungsbataillon erzählt man eines Tages etwas Unerfreuliches. Da waren ein paar Überläufer gekommen. Denen hätten sie die Ohren abgeschnitten und mit der Meldung zu ihren Linien zurückgejagt, so ginge es jedem, der dem Bewährungsbataillon in die Hände fiele. Wenn das stimmt, dann müsste man diesen Idioten auch die Ohren abschneiden, denn das wäre ja die beste Propagandahilfe, die wir den roten Politruks liefern könnten. In Zukunft würde jeder Russe lieber bis zum letzten Atemzug kämpfen, als sich zu ergeben oder überzulaufen. Außerdem sind gerade Überläufer oft Antibolschewisten oder bringen Information mit. Ganz zu schweigen von der unsoldatischen, brutalen Verstümmelung wehrloser Gegner und der Vertrauensenttäuschung.

21.03.1942

••• S. noch 79, Teil G2 •••Am Abend[33] dröhnen die Abschüsse schwerster sowjetischer Artillerie. Ich stehe vor unserem Bunker und höre den tiefen, volltönenden Abschuss wie einen gewaltigen Paukenschlag. Dann ein leises, tiefes Brummen über mir, und nach einiger Zeit den dumpfen Einschlag weit in unserem Hinterland wie ein fernes Echo. Es sind immer drei Schuss. Es klingt schön – wenn man nicht betroffen ist. Diese Batterie ist neu. Sie feuert nur einmal täglich bzw. nachts, und immer nur wenige Schuss. Es ist schwerstes Kaliber und scheint unseren Stäben da hinten schwer im Magen zu liegen, denn

24.03.1942

••• S. noch 77, Teil G3 •••schon nach wenigen Tagen erscheint ein Stuka- (Sturzkampfflugzeug-) Verband. Es sind acht Maschinen, die über uns hinweg genau in die Richtung der Abschussgeräusche[34] fliegen. Wir folgen ihnen mit den Augen. Hinter einer vorspringenden Bergnase formieren sie sich in Reihe, setzen einer nach dem andern zum Sturzflug an, schießen mit aufjaulenden Sirenen[35] fast senkrecht zur Erde. Haushoch quellen die gelben und weißgrauen Explosionswolken in die Luft. Erst einzeln, dann eine ganze Garbe, und schließlich steht eine Wand von Rauchpilzen über der feindlichen Stellung. Ein Stuka nach dem andern hat seine tödliche Last abgeworfen und ist dann mit einer eleganten Kurve wieder in den Himmel gestiegen. Nur einer nicht. Er schoss pfeilgerade hinunter und fiel wie ein Stein zur Erde.••• im Original weiter ohne Zeilenumbruch •••

25.03.1942

GEO & MIL INFO
Andrejewka Karte — map
II./477 bezog in der Nacht seine alte Unterkunft in Andrejewka; 8./477 hat nur noch eine „Feuerstärke“ von 2 Offizieren, 10 Unteroffizieren und 19 Soldaten[36]

••• S. noch 77, Teil G4 •••Das Bombardement scheint keinen großen Erfolg gehabt zu haben, denn schon am nächsten Tag feuerte die Batterie wieder. Wahrscheinlich ist es ein Eisenbahngeschütz.[37]

Immer noch versucht der Russe, über Krassnoarmeisk den Durchbruch nach Slawjansk zu erzwingen. Unter dem Feuer der sowjetischen Batterien sinkt das Dorf in Schutt und Asche. Wir können uns am Tage kaum noch draußen bewegen. Wochenlang haben wir den Ort gegen wütende Angriffe verteidigt. Auch das geballte Artilleriefeuer hat uns nicht zermürbt. Wir sind keinen Schritt zurückgewichen. Nun sollen wir abgelöst werden.

19.03.1942

••• S. noch 77, Teil H •••Wir werden als Divisionsreserve nach Slawjansk verlegt[38] und kommen in die••• S. 78 •••selben Quartiere, die wir im Dezember bewohnt hatten, bevor wir nach Rai Gorodok gingen. Ich wohne nun wieder bei derselben russischen Familie und in demselben Zimmer, das mir schon so vertraut ist, als wäre es mein eigenes.

Die Lage in Slawjansk hat sich nicht gebessert. Die Stadt ist immer noch von drei Seiten eingeschlossen. Die hufeisenförmige Front hat sich sogar noch enger um die Stadt zusammengezogen. Der Süden und Südosten ist noch frei, aber im Norden und Nordosten sitzt der Russe auf den beherrschenden Höhen, von wo aus er die ganze Stadt übersehen kann. Von dort aus ist er auch wiederholt bis an den Stadtrand vorgestoßen. Sein Eindringen hier zu verhindern und Einbrüche in die Vororte „auszubügeln“, wird in nächster Zeit unsere Hauptaufgabe sein.

20.03.1942

GEO & MIL INFO
wieder Zugführer des schweren Granatwerferzuges

••• S. noch 78, Teil H1 •••„Reserven“ sind eigentlich immer Eingreiftruppen. Man könnte sie ebenso gut Feuerwehr nennen. Wir glaubten, zunächst etwas Ruhe zu haben, aber schon in der ersten Nacht ging es los. Um 3 Uhr morgens klopft ein Melder an meine Tür und ruft: „Alarm, die Kompanie macht sich sofort marschfertig!“[39] Eine halbe Stunde später sind wir auf dem Marsch zum nordwestlichen[40] Stadtrand. Noch ist es finster. Wir halten. Die Zugführer werden zur Einsatzbesprechung gerufen. Ich führe wieder den schweren Granatwerfer-Zug. Die Lage wird bekannt gegeben: Ein sowjetischer Verband in Stärke von 800 Mann hat im Dunkel der stürmischen Winternacht unsere dünn besetzte Sicherungslinie durchbrochen und ist in die ersten Häuser am Stadtrand eingedrungen. Er muss wieder hinausgeworfen werden. Eine Schützenkompanie, verstärkt durch einen sMG-Zug, stellt sich zum Gegenangriff bereit. Ein Sturmgeschütz und eine Vierlingsflak auf Selbstfahrlafette sollen den Angriff unterstützen. Sie stehen irgendwo bereit, rechts von uns.

Es dämmert. Die Umrisse der Häuser zeichnen sich allmählich deutlicher ab. Vor uns liegt die Straße. Das übliche Bild einer Stadtrandstraße: Ein breiter Sandweg, der zu beiden Seiten von Holzhäuschen flankiert wird. Die Blockhäuser stehen in ca. dreißig Meter Abstand, haben an der Straße einen Vorgarten mit Holzzaun und hinter dem Haus einen Garten. Ein dörfliches Bild. Die Straße läuft auf freies Feld hinaus.

Inzwischen ist es hell geworden. Ein eiskalter Wintertag bricht an. Noch zeigt sich kein Lebewesen, und die Häuschen liegen verschlafen im frühen Licht des Tages. Aber es ist eine trügerische Ruhe.

Unsere Schützenkompanie setzt sich in Bewegung. Gruppenweise schleichen die Soldaten von Haus zu Haus. Die Gewehre schussbereit in Händen, schlängeln sie sich durch die Gärten und Vorgärten. Jedes Haus wird aufmerksam beobachtet. Da fallen die ersten Schüsse. Das Feuer wird schnell lebhafter. Jetzt erkennen wir, welche Häuser von den Russen besetzt sind. Brumm .. dröhnt plötzlich ein dumpfer Abschuss, und im selben Augenblick bricht die Wand eines der ersten Häuser unter einer Wolke von Staub und Schutt zusammen. Das war unser Sturmgeschütz! Rumms – der zweite Schuss kracht in das Haus. In der Staubwolke der Explosion wirbeln Bretter und ein Menschenleib durch die Luft. Unteroffizier Kramm war mit seinen beiden MGs an einer Hausecke und einem Vorgartenzaun in Stellung gegangen. Jetzt jagt er seine Feuerstöße in die besetzten Häuser. Da prasselt ihm eine Geschoßgarbe um die Ohren und der Lehm spritzt von der Hauswand. Die Iwans setzen sich zur Wehr. Kramm macht Stellungswechsel, und dann knattern seine Garben wieder gegen die besetzten Häuser. Fensterscheiben splittern, und der bröckelnde Lehm an den Hauswänden zeigt die Lage der Garben an. Unsere Schützengruppen stoßen inzwischen weiter vor. Die ersten Russen weichen zurück, verlassen fluchtartig die Häuser, von unserem Kugelregen verfolgt. Jetzt springen sie schon in ganzen Gruppen zurück. In das helle Knattern unserer Karabinerschüsse und das Rattern der MGs hat sich das dunkle, rhythmische Klopfen unserer Vierlingsflak gemischt. Ihre 2-cm-Geschosse durchsieben die Hauswände und zerstieben die Gruppen der fliehenden Russen. Vielen gelingt es nicht einmal mehr die Häuser zu verlassen. Sie hatten sich vor dem vernichtenden Feuer der Flak und des Sturmgeschützes in den Keller geflüchtet, aber bevor sie wieder herauskriechen konnten, war unsere Infanterie schon im Haus und nahm sie gefangen.

Der Wiederstand der Roten ist gebrochen. Einen Teil der von ihnen besetzen Häuser haben wir zurückerobert, aus dem anderen sind sie kampflos geflohen. Jetzt strömen sie in hellen Scharen zurück. Dabei müssen sie nun ••• S. 79 •••den sanft ansteigenden, aber endlos weiten Hang wieder hinauf hasten, von dessen Höhen sie heruntergekommen waren. Der Hang ist eine kahle Schneefläche, von der sich die braunen Gestalten deutlich abheben. Da sind sie unserer Vierlingsflak deckungslos ausgeliefert. Pausenlos hämmert sie ihre Feuerstöße in die Rudel der Flüchtenden. Wupp-bupp-bupp-bupp… jedesmal reißen die kleinen Granaten eine Lücke in ihre lichten Haufen. Diese Vierlingsflak ist eine furchtbare Waffe. Wupp-bupp-bupp-bupp… Mann um Mann sinkt getroffen in den Schnee. Der Tod folgt den fliehenden Sowjets bis weit auf die Hänge hinauf und rafft sie nieder, bis sie hinter der rettenden Kante der Hochfläche verschwinden.

Inzwischen ist die Kolonne der Gefangenen, die wir auf der Straße antreten lassen, immer länger geworden. Es sind viele Verwundete dabei. Ihre weißen Verbände leuchten aus den braunen Reihen hervor. Manche sind noch ohne Verband. Der Frost wird in ihre blutenden Wunden dringen. Stumm und bedrückt stehen sie da. Einige trampeln mit den Füßen, um sich zu erwärmen. Andere beschäftigen sich mit ihrer Verwundung. Hier und da reichen mitleidige Frauen etwas Essbares oder einen Becher Milch aus ihren Häusern heraus. Die bolschewistische Angriffsgruppe ist vollständig zerschmettert. Etwa 200 Tote liegen auf dem Gefechtsfeld, und ebenso viele Gefangene stehen auf der Straße. Diese Kolonne setzt sich nun langsam und schleppend zum Stadtinnern in Bewegung. Das war ein voller Sieg. Von den 800 Angreifern kehrt nur die Hälfte in ihre Stellungen zurück. Wir selbst sitzen mittags wieder in unseren Quartieren. Eigene Verluste: Keine!

21.03.1942

GEO INFO
Kurorty, Kurhaus Karte — map
Karpowka Karte — map
Das Kurhaus von Kurorty während des Krieges

••• S. noch 79, Teil H2 •••Zwei Tage später[41] werde ich schon wieder mitten in der Nacht geweckt: „Sofort fertigmachen!“ Der Iwan ist schon wieder durch unseren Verteidigungsring gebrochen, diesmal an einer anderen Stelle. Diese widerlichen Alarme! Ich springe aus dem warmen Bett, fahre fröstelnd in die Kleider, schnalle um, greife meine Maschinenpistole und taste mich durch das dunkle Wohnzimmer über die Veranda nach draußen. Auf der Straße stehen schon einige Gestalten. Die Gruppen sammeln. Halblaute Fragen, Befehle, Durchsagen. Dann ordnet sich mein Zug, und wir marschieren ab. Es geht nach Kurorty, einem nördlichen Vorort von Slawjansk, dem Kurviertel der Stadt.[42] Wir machen am Kurhaus halt, wo der Einsatz besprochen und vorbereitet wird. Die Lage ist folgende: Zwei Kilometer vor der Stadt liegt das kleine Dorf Karpowka, das wir stark besetzt haben, denn es ist der letzte Riegel vor der Stadt und hat gewissermaßen die Aufgabe eines Forts. Hier war nun der Russe wieder im Schutze der Nacht eingebrochen und hatte einen Teil des Dorfes besetzt. Zum Gegenangriff wird nur ein Teil des Bataillons benötigt. Auch ich werde nicht gebraucht, denn der Einsatz von Granatwerfern bei Nacht und bei dieser Lage ist nicht sehr erfolgversprechend. So sitzen wir diesmal im Kurhaus müde herum, bis die Kameraden zurückkommen. Sie haben die Roten wieder aus dem Dorf vertrieben.

01.04.1942

GEO & MIL INFO
OKW-Lagekarte 1942/Krassnoarmeisk März–April Karte — map
ab 03.04. m.d.F.b.:[43] Gen d Inf Ott WP
Bericht des Oberkommandos der Wehrmacht vom 1. April 1942[44]

••• S. noch 79 Teil H3 •••Die Sowjets versuchen mit aller Gewalt, die Stadt in ihre Hände zu bekommen. Immer wieder berennen sie uns mit hartnäckiger Verbissenheit, mal an dieser, mal an jener Stelle. Immer wieder werden sie zurückgeschlagen und erleiden hohe, blutige Verluste. So geht es acht Tage lang, pausenlos: Nachts Alarm, im Morgengrauen angriff, mittags Rückkehr. Es ist eine harte Zeit, aber sie ist wenigstens erfolgreich. Zum dritten Mal bringt der Rundfunk in der Heimat das Lob unserer Berliner Bärendivision. Nur können Worte nicht deutlich machen, wie viel Blut und Leid und Heldenmut dahinter stehen. Manchmal aber auch schallendes Gelächter über Situationen im Kampf von unsagbarer Komik. Und mit diesen befreienden Lachen schütteln wir alle ausgestandene Angst wieder ab.

Und doch tritt der Tod immer wieder überraschend zwischen uns, so dass wir fassungslos davorstehen. Zuweilen ist das Geschehen umso tragischer, als es so unnötig erscheint. Wir kommen mittags von einem Gegenstoß zurück. Der Panjewagen, auf dem wir unsere Waffen und Geräte mitgeführt haben, steht vor meinem Quartier, und die Männer sind im Begriff, die Sachen abzuladen. Einer der Soldaten packt seine Maschinenpistole, um sie vom Wagen zu nehmen. Da bleibt der Abzugsbügel irgendwo hängen, und der Schuss löst sich. Da die Mündung gegen den Mann gerichtet war, bricht er mit einem Brustschuss tot zusammen. Natürlich ist es eine eiserne Regel, dass die Mündung einer Waffe nie auf den Mann gerichtet sein soll...

April 1942 ••• S. noch 79, Teil I •••Allmählich wird es ruhiger um die Stadt.[45] Von Zeit zu Zeit schießt die rote Artillerie einzelne Schüsse in die Stadt, aber die Versuche einer Eroberung ••• S. 80 •••werden immer seltener und schwächer. Die Sowjets haben ihr wichtigstes taktisches Ziel, die Eroberung von Slawjansk, nicht erreicht. Es ist ihnen nicht einmal gelungen, die Stadt völlig einzukreisen und von den rückwärtigen Verbindungen abzuschneiden. Zwar waren wir zeitweilig abgeschnürt, und unsere Verpflegungsrationen waren empfindlich gekürzt worden, aber wir konnten unsere Nachschubwege immer wieder freikämpf en. Vor allem jetzt, nachdem der russische Großangriff zwischen Charkow und Slawjansk trotz seiner für uns bedrohlichen Anfangserfolge fehlgeschlagen ist und sich zu einer vernichtenden Niederlage entwickelt, lässt auch der Druck auf Slawjansk merklich nach. Jetzt fahren sogar schon die ersten Urlauber nach Hause. Die ersten seit Beginn des Feldzuges.

Unvermindert rührig sind jedoch die Partisanen. Immer wieder werden einzelne oder ganze Gruppen gefasst. Gestern wurde einer geschnappt, der schon seit Tagen mit einer Taschenlampe Blinksignale gibt. Man hatte ihn eine kurze Zeit beobachtet und dann verhaftet. Durch Verhöre und Ermittlungen wurde festgestellt, dass im Raum Slawjansk etwa 700 Partisanen tätig waren, von denen 400 gefasst werden konnten.

Der Winter geht allmählich seinem Ende entgegen, und damit verliert der Russe einen seiner mächtigsten Bundesgenossen: Den General Winter!

Die Russen waren ihn gewöhnt, wir aber hatten ihn noch nicht gekannt und waren nicht auf ihn vorbereitet. Und gerade in diesem Jahr war er besonders hart gewesen. So um die Mitte des Winters herum hatten wir noch Winterbekleidung bekommen.[46] Sie war auch gut, aber sie kam zu spät. Inzwischen waren Tausende von deutschen Soldaten wegen schwerer Erfrierungen zum Krüppel geworden. Nicht ganz zu Unrecht ist die zur Erinnerung an die „Winterschlacht im Osten“ geschaffene Medaille, die viele Soldaten mit berechtigtem Stolz tragen können, in spöttischem Landserjargon „Gefrierfleischorden“ genannt worden.

Wie die harten Winterkämpfe in und um Slawjansk, die ich hier als Zugführer im kleinen Rahmen eines Bataillons oder meiner Kompanie erlebt und geschildert habe, in größerem Zusammenhang gesehen und welche Bedeutung ihnen beigemessen wurden, zeigt der Auszug eines Berichts[47].

Der Winter ist überstanden. Der Schnee beginnt zu schmelzen.

Ich werde zur 4. Kompanie versetzt[48], packe mein Krämchen und melde mich bei dem Führer des I. Bataillons, Hauptmann Degener, in Majaki. Als ich in die niedrige Bauernstube eintrete, sitzt er breit und behäbig im Kreis seiner Kompanieführer. Ich mache Männchen und leiere meine Meldung herunter. Er sieht mich halb ernst, halb misstrauisch an und sagt nur: „Na, woll’n mal sehen, was Du für ein Scheich bist!“ Dann teilt er mich der 4. Kompanie zu, deren Führer zu meiner Überraschung Max Müller ist.[49] Der Leutnant blinzelt mir lächelnd zu. Max Müller habe ich ja in Kombornia kennengelernt, wo wir beide noch OA-Feldwebel waren. Inzwischen ist er Leutnant geworden. Auch Hauptmann Degener war damals noch als Oberleutnant[50] im selben Bataillon. Er war aktiver Zwölfender bei der Reichswehr.

Gebiet nördlich Slawjansk: Majaki, Waldstellung, Försterei, Karpowka. Montage aus KTB 257. I.D. und Heereskarte; Stand der Stellungen: 12./15.05.1942

Am nächsten Morgen gehe ich mit Max Müller die Stellungen ab. Majaki liegt am Rand eines ausgedehnten Waldgebietes, des Christischtscher Waldes. Das Dorf ist in unserer Hand, der Wald aber ist von Russen besetzt. Die letzten Häuser des Dorfes erstrecken sich in einem immer enger werdenden Tal[51] fast wie ein Keil in den Wald hinein. Hier ist der neuralgische Punkt der Front, eine sehr brenzliche Ecke. Deshalb sind die letzten Häuser zu starken MG-Nestern ausgebaut. Von hieraus läuft die Front nach rechts einen kahlen Talhang hinauf und nach links einen bewaldeten Hang hinauf. Diese Front[52] verläuft dann immer parallel zum Waldrand, liegt aber immer ca. dreißig Meter im Wald. Die Stellungen bestehen auch hier, wie fast immer, aus einzelnen Schützenlöchern oder MG-Nestern, die oft in großem Abstand voneinander liegen. Bei den MG-Nestern liegt noch ein Erdbunker als Unterkunft für die vier bis sechs Mann starke Bedienung.



Editorial 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 Epilog Anhang

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Eine Art Bilanz Gedankensplitter und Betrachtungen Personen Orte Abkürzungen Stichwort-Index Organigramme Literatur Galerie:Fotos,Karten,Dokumente

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31.

Erfahrungen i.d.Gefangenschaft Bemerkungen z.russ.Mentalität Träume i.d.Gefangenschaft

Personen-Index Namen,Anschriften Personal I.R.477 1940–44 Übersichtskarte (Orte,Wege) Orts-Index Vormarsch-Weg Codenamen der Operationen im Sommer 1942 Mil.Rangordnung 257.Inf.Div. MG-Komp.eines Inf.Batl. Kgf.-Lagerorganisation Kriegstagebücher Allgemeines Zu einzelnen Zeitabschnitten Linkliste Rotkreuzkarte Originalmanuskript Briefe von Kompanie-Angehörigen

  1. im Mai 1942 gefallen (Benary S. 210), Verband wird als „Bataillon Klaar“ bezeichnet
  2. im Original irrtümlich „vor Weihnachten“, es gab aber vor dem 18.01.1942 keinen Angriff auf Barwenkowo.
  3. vgl. Äußerung GenOb Hoth am 12.04.1942 (KTB 257. I.D., NARA T-315 Roll 1804 Frame 000851)
  4. KTB 257. I.D., NARA T-315 Roll 1805 Frame 000509, Roll 1804 Frame 000817
  5. wohl Andrejewka, wohin das Bataillon in der Nacht 10./11.03. verlegt wurde (Frame 000817/19)
  6. Gemäß Funkspruch des II./I.R. 477 vom 14.03.1942 (KTB 257. I.D., NARA T-315 Roll 1805 Frame 000546) gab es 13 Erfrierungen 3. Grades, 29 Erfrierungen 2. Grades und 19 Erfrierungen 1. Grades.
  7. Gemäß Lagekarte waren es Soldaten der 101. leichten I.D., gemäß Benary (S. 80) deren I.R. 228, seit Januar 1942 der 257. I.D. unterstellt, gem. KTB 257. I.D. möglicherweise die 68. I.D. (Roll 1804 Frame 000821), die aber aus Guben an der Neiße stammt und nichts österreichisches an sich hatte, eher jedoch das vom II./477 abzulösende I./I.R. 229 (Roll 1805 Frame 000512). Die 101. le.I.D. war zwar im Wehrkreis Böhmen und Mähren aufgestellt worden, gehörte aber zum südwestdeutschen Wehrkreis V; einige Österreicher oder Böhmen könnten daher wohl noch dabei gewesen sein. Es gibt ein Foto, das beweisen soll, dass Gebirgsjäger in Slawjansk waren.
  8. hierhin wurde das Bataillon am 13.03. verlegt (KTB 257. I.D., NARA T-315 Roll 1804 Frame 000820); wird im folgenden so eingefügt
  9. MG-Zugführer in der 8. Kompanie, dem sich der Autor angeschlossen hatte, vgl. 14. und 28.03.
  10. KTB 257. I.D., NARA T-315 Roll 1804 Frame 000822
  11. im KTB 257. I.D. (KTB 257. I.D., NARA T-315 Roll 1805 Frame 000556) so für den 16.03. formuliert
  12. „Batl. Klaar“
  13. „Batl. Obermair“, 101.le.Inf.-Div.
  14. Heerestruppe, 17.A. unterstellt
  15. KTB 257. I.D. Frame 000669/89
  16. I.R.457, 466 und 477 waren die Inf.Rgtr. der 257.I.D., deren Teile hier stark durchmischt sind, wie es für intensive Kämpfe typisch war.
  17. Benary S. 91
  18. KTB 257. I.D., NARA T-315 Roll 1805 Frame 000843; der Autor war am 23.04. nicht mehr hier, aber die Lage hatte sich offenbar seit 28.03. nicht verändert
  19. auf der Karte Russland 1:100.000 Blatt M-37 111-112 „Sowchose No. 5“, im KTB 257. I.D. „Kolchos 5“; heute heißt der Ort Schabelkiwka
  20. KTB 257. I.D., NARA T-315 Roll 1805 Frame 000520
  21. auf der Karte Russland 1:100.000 Blatt M-37 111-112 „Sowchose No. 5“, im KTB 257. I.D. „Kolchos 5“; heute heißt der Ort Schabelkiwka
  22. in Tages- und Morgenmeldung (KTB 257. I.D., NARA T-315 Roll 1805 Frame 000693/94), jedoch nichts im KTB (Roll 1804 Frame 000839/40)
  23. KTB 257. I.D., NARA T-315 Roll 1805 Frame 000636
  24. KTB 257. I.D., NARA T-315 Roll 1804 Frame 000830
  25. Ein Nahkampftag an diesem Datum und Ort steht so im Soldbuch, ist aber zweifelhaft, da es keine inhaltliche Übereinstimmung mit dem KTB 257. I.D. gibt, welches von Sturmgeschützen, Panzern und Bombern berichtet. 22.03. in Karpowka würde besser passen. Offenbar wurden die Nahkampftage erst 1945 aus der Erinnerung heraus eingetragen und dabei falsch zugeordnet.
  26. KTB 257. I.D., NARA T-315 Roll 1804 Frame 000830 ff.
  27. Spitzname „Knödelhuber“; Benary S. 96; zuvor Kdr des I.R. 228, das im Januar 1942 der 257. I.D. unterstellt wurde
  28. Dienstantritt 25.04. (Dokumentsammlung IR 466 bei TsAMO)
  29. Soldatensprache für „Granate“
  30. Im April gab es täglich Störungsfeuer ohne infanteristische Kampftätigkeit, am 04.04.1942 einen besonders starken Feuerüberfall (KTB 257. I.D., NARA T-315 Roll 1805 Frame 000731).
  31. Stellungsbau wird am 03.04. besonders erwähnt (KTB 257. I.D., NARA T-315 Roll 1805 Frame 000724)
  32. Am 21.03. – nach den Kämpfen um Karpowka – zwischen 22.00 und 22.30 gab es drei Angriffe einer Raketenbatterie auf den Westteil von Bylbassowka (KTB 257. I.D., NARA T-315 Roll 1805 Frame 000609).
  33. im Original „Eines Nachts“ wegen der anderen Reihenfolge
  34. Feuer schweren Kalibers wird für den 21. (19 Schuss gem. KTB 257. I.D., NARA T-315 Roll 1805 Frame 000609) und eine schwere Batterie am 24.03. (etwa 21 cm gem. KTB 257. I.D. Frame 000655) erwähnt, die an diesem 24. mit Stukas so „erfolgreich“ bekämpft wurde, dass ihr Feuer vorübergehend „merklich geringer“ war (Frame 000654).
  35. im Original irrtümlich Motoren
  36. KTB 257. I.D., NARA T-315 Roll 1805 Frame 000836
  37. ab Mitternacht stärkeres Artl.-Feuer schweren, z. T. sehr schweren Kalibers (Frame 000660/61)
  38. KTB 257. I.D., NARA T-315 Roll 1804 Frame 000826
  39. gem. KTB 257. I.D. erfolgte der Alarm um 6 Uhr (NARA T-315 Roll 1804 Frame 000827)
  40. im Original irrtümlich nordöstlichen
  41. am nächsten Tag, oder zwei Tage nach der Verlegung, gem. KTB 257. I.D., NARA T-315 Roll 1805 Frame 000596, Roll 1804 Frame 000828
  42. Kurort wurde in der Sowjetunion auch Russisch-Kreuznach genannt.
  43. seit zwischen 04. und 07.04. (KTB 257. I.D. Frame 000725/754) bis zwischen 15. und 22.04. (Frame 000795/834)
  44. KTB 257. I.D., NARA T-315 Roll 1805 Frame 000711
    Transkript:
    „In wochenlangen härtesten Abwehrkämpfen haben die oberbayrische 97. leichte Inf.-Div. und die brandenburgische 257. Inf.-Div. zahlreiche von Panzern unterstütze Angriffe überlegener feindlicher Kräfte abgeschlagen und den Sowjets hohe Verluste an Menschen und Material zugefügt.“
  45. KTB 257. I.D., NARA T-315 Roll 1805 Frame 000731; ab Frame 000724 vermerkt KTB meist nur Störfeuer und außer Spähtrupps keine infanteristische Kampftätigkeit
  46. Das Soldbuch S. 6/7 vermerkt leider erst am 14.12.1942 „1 kompl. Wintergarnitur erhalten“.
  47. Aus einem Bericht über die Kämpfe um Slawjansk (Winterschlacht im Osten 1941/42)
    „Seit Mitte Januar toben hier schwere Kämpfe. Das sowjetische Oberkommando versucht mit aller Kraft, in einem Zangenangriff Charkow zu packen. Der Stoß des nördlichen Zangenarms konnte zwar bei Bjelgorod und Woltschansk aufgefangen werden. Aber der südliche Zangenarm, die 57. sowjetische Armee, hatte die deutsche Donezfront beiderseits Isjum in einer Breite von achtzig Kilometern aufgesprengt. Die sowjetischen Divisionen hatten sich bereits einen Brückenkopf von hundert Kilometer Tiefe geschlagen. Die Spitzen des Angriffs bedrohten Djepropetrowsk, das Versorgungsherz der Heeresgruppe Süd.
    Ob sich der sowjetische Einbruch im Raum Isjum um zu einem Dammbruch mit unabsehbaren Folgen entwickeln würde, hing davon ab, ob die beiden Eckpfeiler nördlich und südlich der Einbruchstelle, Balakleja und Slawjansk, gehalten werden konnten. Hier fochten seit Wochen die Bataillone von zwei deutschen Infanteriedivisionen einen beinahe schon legendären Abwehrkampf. Von dem Ausgang hing die ganze Entwicklung an der Südfront ab. Die Berliner 257. Infanteriedivision hielt Slawjansk, die 44. Infanteriedivision aus Wien den Eckpfeiler Balakleja.
    In blutigen Kämpfen verteidigten die Berliner Regimenter unter General Sachs, später unter Oberst Püchler den Südrand des Isjumer Bogens. Die Kampfgruppe Oberst Drabbe, Kommandeur I.R. 457, focht mit einer Wendigkeit, Tapferkeit und Opferbereitschaft um die elenden Dörfer, Kolchosen und Gehöfte, daß selbst die sonst bei der Würdigung deutscher Leistungen sehr zurückhaltenden sowjetischen Kriegsberichte voller Bewunderung sind. Das Dorf Tscherkasskaja wurde zum blutigen Symbol dieses Kampfes. In elf Tagen verlor die Gruppe Drabbe hier von ihren tausend Mann fast die Hälfte. Sechshundert Kämpfer hielten eine Rundumfront von vierzehn Kilometern. Die Sowjets verloren vor diesem Nest 1100 gezählte Tote. Sie nahmen schließlich das Dorf, aber es hatte auch ihre Kraft, die Kraft von fünf Regimentern gefressen.
    Ehe Generaloberst Halder am Nachmittag des 28. März aus seinem Quartier in die ›Wolfsschanze‹ abgefahren war, hatte er sich den Gefechtsbericht der 257. I.D. über die nun bereits siebzig Tage währende Schlacht vorlegen lassen; denn die Division sollte im Wehrmachtsbericht genannt werden: Die Regimenter hatten 180 Feindangriffe abgeschlagen. 12500 gefallene Sowjets waren vor der Front der Division gezählt worden. Drei sowjetische Schützendivisionen, eine Kavalleriedivision waren aufgerieben, vier Schützendivisionen und eine Panzerbrigade hart mitgenommen worden. Allerdings zeigten auch die eigenen Verluste die Härte des Kampfes: 652 Tote, 1663 Verwundete, 1689 Erfrierungen, 296 Vermißte – insgesamt 4300 Mann, die Hälfte der Gesamtverluste, welche die Division in zehn Monaten Rußlandkrieg gehabt hatte: Slawjansk!

    (Auszug aus Carell 1963 S. 387 f.; Unterstreichungen durch den Autor)
  48. frühestens am 4. und lange vor dem 13. April
  49. Degener (am 25.01. noch Oblt.d.R., im Mai Hptm. gem. KTB 257. I.D., NARA T-315 Roll 1805 Frame 001011) war Chef der 4. (MG-) Komp. (Frame 000082), die Leutnant Max Müller stellvertretend führte, während er als dienstältester Offizier des Batl. hier und auch sonst den Kommandeur des I. Batl. (Major Haarhaus) vertrat, bis Glaser das Batl. übernahm (vermutlich, als Haarhaus das Regt. übernahm).
  50. im Original irrtümlich (vgl. Offizierstellenbesetzung des Inf.-Rgt. 477 vom 20.05.1941) „Oberfeldwebel“
  51. gem. Heereskarte Rußland 1:100.000 M-37 111-112 die Wodjanaja-Schlucht
  52. die „Waldstellung“ gem. KTB 257. I.D., NARA T-315 Roll 1805 Frame 000950