6. Dezember 1943

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Editorial 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 Epilog Anhang

Inhaltsverzeichnis

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Eine Art Bilanz Gedankensplitter und Betrachtungen Personen Orte Abkürzungen Stichwort-Index Organigramme Literatur Galerie:Fotos,Karten,Dokumente

Chronik

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31.

Erfahrungen i.d.Gefangenschaft Bemerkungen z.russ.Mentalität Träume i.d.Gefangenschaft

Personen-Index Namen,Anschriften Personal I.R.477 1940–44 Übersichtskarte (Orte,Wege) Orts-Index Vormarsch-Weg Codenamen der Operationen im Sommer 1942 Mil.Rangordnung 257.Inf.Div. MG-Komp.eines Inf.Batl. Kgf.-Lagerorganisation Kriegstagebücher Allgemeines Zu einzelnen Zeitabschnitten Linkliste Rotkreuzkarte Originalmanuskript Briefe von Kompanie-Angehörigen

English
GEO INFO
Frunse Karte — map
Frunse (Фрунзе) jetzt ein scheinbar unbenannter Ortsteil von uk:Вільне (Дніпровський район)

In den letzten Tagen war ich ständig unterwegs, um meine Männer kennenzulernen und mir einen Überblick über den Stellungsverlauf zu verschaffen. Es liegen hier zwei Dörfer dicht beieinander. Das größere, in dem wir liegen, ist Michailowka. Das kleinere[1] schließt sich im Nordosten als Reihendorf an. Die Front verläuft am Nord- und Nordostrand beider Dörfer entlang und verliert sich dann, schräg nach rückwärts in westlicher Richtung vom Dorf weglaufend, in der endlosen, verschneiten Ebene. Auch auf der Ostseite biegt die Front allmählich schräg nach hinten ab. Die beiden von uns gehaltenen Dörfer liegen also in der äußersten Spitze eines Keiles, der in die russische Front hineinragt. Hier ist Hauptmann Gust gerade am rechten Platz. Er ist ein eiserner Soldat, der so leicht keinen Boden preisgibt. Wegen ihrer gefährdeten Lage bilden die beiden Dörfer den Schwerpunkt unserer Bataillonsfront. Deshalb ist hier auch die Masse meiner schweren Waffen konzentriert. Die Stellungen meiner sMGs liegen am nordöstlichen Dorfrand, und die dortigen Häuser sind gleichzeitig die Quartiere für die Bedienungen.

Als ich die dortigen Stellungen besuche, lerne ich den Führer der hier eingesetzten Schützenkompanie kennen. Es ist Leutnant von Arnim. Während wir uns noch unterhalten, krachen plötzlich Granatwerferexplosionen um das Haus. Ein Feuerüberfall. Klirrend und splitternd zerspringen Fensterscheiben, und der Qualm der krepierten Granaten zieht in dünnen Schwaden durch das zertrümmerte Fenster. Ein Landser schreit auf. Er quiekt wie ein Schwein. Wir wenden uns zu ihm. Er hat eine harmlose Kratzwunde am Ohr. Sein Gesicht ist noch blass. Der Schreck war größer als der Schmerz. Nach dem Überfall verabschiede ich mich von Leutnant Arnim mit dem Bemerken, dass es mir bei ihm zu ungemütlich ist. Beim Weggehen bemerke ich, dass das Gelände hier ziemlich gut einzusehen ist. Möglicherweise hat der Iwan mich kommen sehen und ein paar Lagen herübergepfeffert. So versuche ich also, möglichst ungesehen hier wegzukommen, durchquere eine kleine Mulde und erreiche Frunse, wo sich noch eines meiner schweren MGs in Stellung befindet. Die Feuerstellung liegt in einem Pferdestall. Die Bedienung besteht zum Teil aus Fahrern, weil wir nicht mehr genug Leute haben. Aber sie tun treu ihren ungewohnten Dienst und sind überraschenderweise fröhlich und guter Dinge.

Heute habe ich meine Granatwerferstellungen besichtigt. Die Granatwerfertrupps haben es besser als die MG-Bedienungen. Ihre Stellungen liegen mitten im Dorf, und sie können sich auch tagsüber, vom Feind ungesehen, ungehindert bewegen. Sie sind von direktem Beschuss weniger gefährdet. Bei Alarm springen sie aus den Häusern in die runden Löcher der Feuerstellungen, die in den Gärten hinter den Häusern ausgehoben sind.

Der einzige Kompanieangehörige, der mir gar nicht gefällt, ist der Führer des Granatwerferzuges. Schon in den ersten Minuten unseres Zusammenseins erkenn ich, dass ich es mit einem unzuverlässigen und unerträglich eigensinnigen Mann zu tun habe. Bald höre ich auch von seinen Kameraden, dass er sich den Posten des Granatwerferzugführers, der zur Zeit der angenehmste ist, durch rücksichtslose Intrigen ergattert hat. Bei einem Disput über einige von ihm ausgesuchte Feuerstellungen zeigt sich deutlich, dass er dabei mehr die Rückzugsmöglichkeiten als den wirksamsten Feuereinsatz im Auge hatte.

Heute schießt der Iwan stärker als sonst ins Dorf. Da kommt auch schon die Meldung, dass die Bolschewisten die freien Feldstellungen in der westlichen Flanke unseres Dorfes angreifen. Ihre Absicht ist unverkennbar: Sie wollen die Spitze unseres Frontkeiles – unsere beiden Dörfer – abschnüren. Das Unternehmen bekommt ihnen aber schlecht. Ein Gegenstoß unter Führung eines jungen Leutnants wirft sie mit Elan zurück.

Der Melder des 4. Zuges (Granatwerfer) kommt zu mir. Sie suchen schon seit Stunden ihren Zugführer. Ich gehe selbst los und suche Haus um Haus ab. Schließlich finde ich ihn in einem Quartier des IG-Zuges, wo er ganz gemütlich zwischen den IG-Männern sitzt. Seine B-Stelle hatte er verlassen, weil sie zu stark beschossen wurde. Es war ein alleinstehendes Haus, das er sich seinerzeit selbst als Zuggefechtsstand ausgesucht hatte. Meine Geduld ist nun am Ende, aber zur Zeit habe ich keine Disziplinierungsmöglichkeit. Ich habe manchen Feigling im Krieg gesehen, aber dieser Feldwebel ist der schamloseste Drückeberger, den ich kennengelernt habe. Besonders verabscheuungswürdig noch deshalb, weil er mit lässiger Dreistigkeit nicht einmal versuchte, es zu verbergen. Charakterlos und als Unterführer untauglich. Die einzige Konsequenz wäre die Degradierung. Aber bei unserem bedrohlichen Kräfte••• S. 158 •••mangel undurchführbar.

Ich meine damit nicht, dass jeder, der einmal kneift, gleich degradiert werden soll. Gerade wir Frontkämpfer wissen, wie viel Tapferkeit zum Durchhalten im Kampf gehört, und dass man jedesmal von neuem den „inneren Schweinehund“ überwinden muss, d. h. den Selbsterhaltungstrieb, die Angst und den Wunsch, sich in Sicherheit zu bringen und die anderen allein weitermachen zu lassen. Auch der Tapferste hat mal eine schwache Stunde und bekommt Angst, ganz ordinäre Angst. Er verliert die Nerven und gerät in Panik. Wegen eines einmaligen Versagens soll man niemand verurteilen.

Umso mehr gilt unsere Hochachtung jenen braven und anständigen Soldaten, die ihr eigenes Leben nicht für kostbarer halten als das der Kameraden, und die ihr Leben wagen, um das des anderen zu schützen. „Niemand hat größere Liebe, denn der, der sein Leben hingibt für seine Freunde.“ Das sind Worte des HERRN. Wahrlich, es gibt höhere Werte als unser bisschen Leben.


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1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31.

Erfahrungen i.d.Gefangenschaft Bemerkungen z.russ.Mentalität Träume i.d.Gefangenschaft

Personen-Index Namen,Anschriften Personal I.R.477 1940–44 Übersichtskarte (Orte,Wege) Orts-Index Vormarsch-Weg Codenamen der Operationen im Sommer 1942 Mil.Rangordnung 257.Inf.Div. MG-Komp.eines Inf.Batl. Kgf.-Lagerorganisation Kriegstagebücher Allgemeines Zu einzelnen Zeitabschnitten Linkliste Rotkreuzkarte Originalmanuskript Briefe von Kompanie-Angehörigen

  1. das weiter unten erwähnte Frunse