15. Januar 1944

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Editorial 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 Epilog Anhang

Chronik 40–45

January February March April May June July August September October November December Eine Art Bilanz Gedankensplitter und Betrachtungen Personen Orte Abkürzungen Stichwort-Index Organigramme Literatur Galerie:Fotos,Karten,Dokumente

Chronik 45–49

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31.

Erfahrungen i.d.Gefangenschaft Bemerkungen z.russ.Mentalität Träume i.d.Gefangenschaft

Personen-Index Namen,Anschriften Personal I.R.477 1940–44 Übersichtskarte (Orte,Wege) Orts-Index Vormarsch-Weg Codenamen der Operationen im Sommer 1942 Mil.Rangordnung 257.Inf.Div. MG-Komp.eines Inf.Batl. Kgf.-Lagerorganisation Kriegstagebücher Allgemeines Zu einzelnen Zeitabschnitten Linkliste Rotkreuzkarte Originalmanuskript Briefe von Kompanie-Angehörigen

Deutsch
GEO INFO
Kurgan ostwärts Lebedinskij Karte — map

Am nächsten Morgen stehe ich vor dem Bunker und blicke umher. Mein Unterstand liegt zwischen der HKL und dem Ari-Pickel. Die Frontstellungen sind einen Kilometer entfernt, der Ari-Pickel zweihundert Meter. Einen Steinwurf entfernt liegt ein Nachrichtenbunker, der mit sechs Mann einer Nachrichteneinheit belegt ist. In meinem Bunker ist außer mir nur noch mein Meldegänger.

Das Land ist wellig, hat kilometerweite, flache Mulden und ganz allmählich ansteigende, aber endlos breite Hügelrücken. Die Wellenlinien der Oberfläche sind sanft und flach und erstrecken sich über viele Kilometer. Man kann, ohne auf einem erhöhten Punkt zu stehen, das Land auf weite Entfernungen übersehen. Bei Tage wird man hier also nicht viel aus dem Bunker herauskommen. Nur links fällt das Gelände in steileren Hängen zu einem tiefen Tal ab. Zeitweilig können wir von hier oben die Russen unten bei ihren Stellungen herumlaufen sehen.[1]

••• S. 174 •••Schräg hinter mir ragt der steile Hügel des „Ari-Pickels“ aus der Ebene. Zwei Mann sitzen da oben drin, ein Leutnant und ein Gefreiter. Viele graue Flecken auf der weißen Schneedecke zeugen von dem Beschuss, den die B-Stelle erleiden muss. Aber dicke Stahlplatten schützen die Beobachter.

Diese Entfernungen! Ich muss einen Kilometer laufen, bis ich die HKL überhaupt erst einmal erreicht habe. Die Kompanieabschnitte sind wiederum einen Kilometer breit. Einige MG- und Werferstellungen liegen etwas hinter der HKL und bilden, punktartig, eine angedeutete zweite Linie. Und hier soll ich nachts auf dieser einförmigen, tischebenen, verschneiten Fläche die weit auseinanderliegenden Stellungen finden! Es ist nicht ungefährlich, denn bei den weiten Entfernungen merkt man kaum, dass man dreihundert Meter zu weit gegangen ist und sich bereits zwischen oder gar hinter den russischen Stellungen befindet.

So laufe ich immer im Zickzack zwischen den Stellungen der ersten und zweiten Linie hin und her. Heute habe ich meinen Kontrollgang beim linken Flügel des Bataillonsabschnitts begonnen. Hier liegt ein sMG-Nest an einer Heckenreihe und eine Werferstellung hundert Meter dahinter in einer kleinen Senke. Im selben Zugabschnitt liegt ein weiteres sMG, das die Heckenreihe flankierend schützt. Die Naht muss stark sein! Die Stellungen sind gut ausgebaut und zum Teil sogar verdrahtet. Die Bunker sind alle ordentlich eingerichtet und meist heizbar.

Die feindliche HKL ist mehrere hundert Meter entfernt. Eine unbemerkte Annäherung des Gegners über die flache, weiße Fläche ist kaum möglich, sofern nicht gerade Nebel aufkommt. Unsere Landser sind über diesen Stellungswechsel recht froh, sind gesprächig und aufgeräumt. Ich gehe von einem Bunker zum andern. Die Männer der Schützenkompanien sind mir zwar kaum bekannt, aber die Unteroffiziere und Feldwebel kenne ich fast alle von Ansehen, einige auch mit Namen. Zum Schluss besuche ich noch den Kompaniegefechtsstand der x. Kompanie[2]. Der Kompanieführer ist neu im Bataillon. Ein nicht mehr ganz junger, graumelierter Leutnant, von dessen Person eine wohltuende Ruhe ausgeht. Er wohnt mit zwei Meldern, einem Gefechtsschreiber und einem Sani zusammen.

Für heute beende ich meinen Rundgang. Vom Gefechtsstand der x. Kompanie führt ein Weg zum Pickel, dem ich nun folge. Ich marschiere mutterseelenallein über die weite Ebene. In der hellen Winternacht kann ich den Weg vor mir eine Strecke weit mit den Augen verfolgen. Fahrzeuge und Meldegänger haben im Schnee ihre Spuren hinterlassen. Einmal begegne ich einem Verpflegungsfahrzeug, das mit knirschenden Rädern durch den Schnee nach vorn rollt. Dann umgibt mich wieder die Stille der Nacht. Eigentlich ist es leichtsinnig, so allein zu gehen. Ich tue es fast immer, aber ich sollte es mir abgewöhnen, denn es ist sogar verboten. Allzu leicht kann man auf dieser grenzenlosen Schneefläche die Orientierung verlieren. Endlich taucht der riesige weiße Spitzhut des Pickels aus dem Dämmerlicht auf, und dann erkenne ich auch schon den Buckel meines Unterstandes, der wie ein großer, verschneiter Maulwurfshügel vor mir liegt. Noch ein paar Schritte, und ich steige die Stufen zu meiner Erdhöhle hinunter.

Seit Tagen liegt Nebel über dem Land. Das zwingt uns, nachts wieder Horchposten vor die Stellungen zu legen. Tagsüber kann man sich jetzt aber wenigstens etwas freier im Gelände bewegen, ohne vom Russen gesehen zu werden. Ich benutze die Zeit, um einmal auf die B-Stelle im „Ari-Pickel“ zu klettern und mir einiges erklären zu lassen und durch das Scherenfernrohr zu gucken. Im Allgemeinen lieben die Artilleriebeobachter keinen Besuch, weil sie mit Recht befürchten, dass ihre B-Stelle dadurch erkannt würde.

Ich war beim Bataillon, um Angaben über den Zustand der Stellungen und den Feuerplan zu machen. Auf dem Tisch des Kommandeurs liegt eine große Karte, in die Gust gerade Eintragungen vornimmt. Dabei fragt er mich nach einem alten russischen MG, das er neben meinem Bunker hat liegen sehen und das da still vor sich hinrostet. Und während ich ihm erkläre, dass das Ding unbrauchbar ist, zeichnet er es schon in seinen Feuerplan ein und befiehlt mir beiläufig, es wieder gebrauchsfertig zu machen. Macht sich gut auf dem Papier. Wieder eine Feuerstellung mehr! So macht man das!

Rings um den Kommandeursbunker wird fleißig geschanzt. Der IG-Zug hebt Stellungen für seine Geschütze aus. Sie liegen als halbkreisförrniger Sicherungsring um den Kommandeursbunker. Das schwere IG (15 cm) steht direkt neben dem Kommandeursbunker.[3]

Heute abend war ich auf dem rechten Flügel unseres Bataillonsabschnitts, auf dem sich noch drei Stellungen meiner Kompanie befinden, eine sMG- und zwei Granatwerferstellungen.

Seit das OKW (Oberkommando der Wehrmacht) für die Ablieferung von Beutematerial und Beutewaffen Prämien ausgesetzt hat, sammeln die Landser mit wahrer Leidenschaft. Sie gehen nachts vor die Stellungen, kriechen zwischen Minen und Blindgängern herum und lassen sich nicht einmal durch die Gefahr vor Gefangennahme zurückhalten, Geld zu verdienen.

Heute nacht beobachteten unsere Posten einen sowjetischen Spähtrupp, der sich durch unsere Linien pirschen wollte. Sie ließen die Russen erst hindurch, bis sie sich hinter unserer HKL befanden. Dann eröffneten sie schlagartig das Feuer mit MGs und Gewehrgranaten. Die Wirkung war mörderisch. Der Spähtrupp wurde furchtbar zusammengeschossen. Nur ein einziger entkam, die andern brachen zusammen. Der Führer der Patrouille, ein Kapitän, war schwer verwundet. Trotz unseres kameradschaftlichen Verhaltens war er sehr abweisend. Wir erfuhren nur, dass es ein Offizierspähtrupp von sechs Offizieren war. Der Entkommene war ein Leutnant. Ansonsten schwieg er trotzig und verbissen. Er trug ein blütenweißes Hemd.

Wir bekommen Nahkampfpäckchen. Das sind kleine Pappkartons mit hochkonzentrierten Nahrungsmitteln: Eine 50-gr-Tafel Schokolade, ein Fruchtriegel aus gepressten Früchten, ein paar Kekse und eine kleine Packung Zigaretten. Sehr nahrhafte und schmackhafte Sachen. Für jeden Nahkampf- oder Großkampftag gibt es ein solches Päckchen. Wir bekommen sie einige Tage nach den Kämpfen nach vorn geschickt. Da aber die Verwundeten und Toten inzwischen fort sind, bleiben zuweilen einige Päckchen übrig, die ich dann an besonders verdiente Soldaten, freiwillige Spähtrupps und andere verteile. Auch diesmal wollte mir der Spieß wieder die überzähligen Päckchen für seine Fahrer abhandeln, aber ich bleibe hart. So, wie ich ihn kenne, hat er trotzdem noch welche irgendwie „erübrigt“.

Heute war ich beim Regiment und habe bei dieser Gelegenheit die Führer der 13. und 14. Kompanie in ihren Quartieren besucht. Der Chef der 14. (Pak-) Kompanie macht gerade ein Päckchen für seine Frau fertig. Ich denke, ich sehe nicht recht: Es sind vier Nahkampfpäckchen, die er da verpackt! Und auf dem Fensterbrett liegen noch mehr! Seit wann bekommen Leute, die hinten beim Regiment sitzen, auch Nahkampfpäckchen!? So aufschlussreich ist es, wenn man nur ein einziges Mal nach hinten kommt. Hier liegen mehr Päckchen herum, als ich bisher bekommen habe. Ich aber liege vorn im Schlamassel, schlage mir die Nächte um die Ohren und bin dauernd in Gefahr, während der Herr Kamerad hier hinten die Kämpfe vom warmen Bett aus am Telefon miterlebt. Es ist im Krieg wie im Kino: Vorn flimmerts, und hinten sind die besten Plätze.[4]


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Erfahrungen i.d.Gefangenschaft Bemerkungen z.russ.Mentalität Träume i.d.Gefangenschaft

Personen-Index Namen,Anschriften Personal I.R.477 1940–44 Übersichtskarte (Orte,Wege) Orts-Index Vormarsch-Weg Codenamen der Operationen im Sommer 1942 Mil.Rangordnung 257.Inf.Div. MG-Komp.eines Inf.Batl. Kgf.-Lagerorganisation Kriegstagebücher Allgemeines Zu einzelnen Zeitabschnitten Linkliste Rotkreuzkarte Originalmanuskript Briefe von Kompanie-Angehörigen

  1. Die Beschreibung deutet auf einen Kurgan ostwärts Lebedinskij hin, der eine relative Höhenangabe (+10,0), aber keine absolute Höhenangabe besitzt, also wohl kein trigonometrischer Punkt ist. Ein 2,5 km nordostwärts gelegener Kurgan hat in der Karte eine relative (+10,0) und eine absolute Höhenangabe (167,8) und trägt sogar einen Namen, liegt aber in der Frontlinie (vgl. Karte) und kommt damit nicht in Frage.
  2. vermutlich die 11., die der Autor zuvor in Personalunion geführt hatte; die 9. wurde sicher noch von Lt. von Arnim (s.o.), die 10. wahrscheinlich bereits von Lt. Baumann (s.u.) geführt
  3. zur Vorbereitung der Ortsverteidigung vgl. KTB 6. A., NARA T-312 Roll 1484 Frames 000820–23
  4. Offenbar ein nicht seltenes Fehlverhalten, so dass GenOb Hollidt sich genötigt sah, seinen Kommandierenden Generalen die Verteilungsregeln persönlich einzuschärfen in: Der Oberbefehlshaber der 6. Armee, A.H.Qu., den 29.1.1944, Betr.: Zusatzverpflegung für Frontkämpfer im Infanterieverbund (KTB 6. A., NARA T-312 Roll 1492 Frame 000457)