8. Dezember 1943

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Editorial 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 Epilog Anhang

Chronik 40–45

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Eine Art Bilanz Gedankensplitter und Betrachtungen Personen Orte Abkürzungen Stichwort-Index Organigramme Literatur Galerie:Fotos,Karten,Dokumente

Chronik 45–49

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31.

Erfahrungen i.d.Gefangenschaft Bemerkungen z.russ.Mentalität Träume i.d.Gefangenschaft

Personen-Index Namen,Anschriften Personal I.R.477 1940–44 Übersichtskarte (Orte,Wege) Orts-Index Vormarsch-Weg Codenamen der Operationen im Sommer 1942 Mil.Rangordnung 257.Inf.Div. MG-Komp.eines Inf.Batl. Kgf.-Lagerorganisation Kriegstagebücher Allgemeines Zu einzelnen Zeitabschnitten Linkliste Rotkreuzkarte Originalmanuskript Briefe von Kompanie-Angehörigen

English
GEO INFO
Boshidar Karte — map
Kitaigorodka Karte — map
Boshidar (Die Hänge sind zu steil gezeichnet. In Wirklichkeit sind sie flacher und sehr viel weitläufiger.)
Schützenloch
Boshidar (Божидар) jetzt ein verlassener Ort

Die Stellungen der Schützenkompanien ziehen sich hier oben kilometerweit über die kahle Höhe hin. Dieser Höhenzug wird rechtwinklig durchschnitten von einem steilwandigen Tal, das sich hinter dem Höhenzug in einer riesigen, weiten Ebene verliert. Dort, wo das Tal in die Ebene einmündet, am Fuß des weiten, sanft ansteigenden Hanges, liegt das kleine, nur aus einer Häuserzeile bestehende Dörfchen Boshidar, in dem sich der Bataillonsgefechtsstand einquartiert. In unserem Rücken, weit hinten am Horizont der flachen Ebene, sieht man die Häusersilhouette von Kitaigorodka, dem Sitz des Regimentsstabes.

Die Häuserzeile von Boshidar ist etwa dreihundert Meter lang. Sie liegt praktisch zwischen der Dorfstraße und einem jetzt zugefrorenen Bach. Die Bauernhäuser liegen an der Dorfstraße und die hinter den Häusern liegenden Gärten enden an dem Bach. Nur am nördlichen[1] Ende des Dorfes stehen auch auf der anderen Seite des Weges noch drei Häuser.

Kurz vor dem Dorf führt eine kleine Holzbrücke über den Bach, der aus dem nahen Taleinschnitt kommt.

In der Dorfmitte hat der Kommandeur ein Haus als Bataillonsgefechtsstand belegt. Im übernächsten Haus wohne ich. Die übrigen Häuser sind von den Bedienungsmannschaften eines IG-Zuges, einer 3,7-Pak, einiger sMGs und Werfer meiner Kompanie belegt. Außerdem steht gleich hinter dem Dorf eine LFH-Batterie (= leichte Feldhaubitzen). Hier im Dorf befinden sich also schwere Waffen, während die Schützenkompanien oben auf den Höhen mit ihren leichten Infanteriewaffen auskommen müssen. Nur einige meiner schweren Maschinengewehre geben ihnen eine etwas größere Feuerkraft.

••• S. 159 •••Die Stellungslinie der Schützenkompanien besteht aus einer dünnen Reihe von einzelnen Schützenlöchern und MG-Stellungen, die im Abstand von fünfzig bis hundert Metern voneinander entfernt liegen. Die MG-Stellungen sind meist mit vier Mann besetzt. Die Schützenlöcher sind eigentlich Panzerdeckungslöcher: Zwei Meter lang, einen halben Meter breit und brusttief. Sie sind mit zwei Mann besetzt. Eine Verdichtung der Stellungen ist wegen der geringen Mannschaftsstärke nicht möglich. Aber wir sind schon seit langem daran gewöhnt, mit so schwachen Kräften auszukommen.

Diese Stellungen ziehen sich über den ganzen weiten, kahlen, verschneiten Höhenzug, über Grasflächen oder abgeerntete Mais- und Sonnenblumenfelder, deren Stengel stellenweise noch stehen geblieben oder von Wind und Landserstiefeln niedergedrückt sind. Etwa drei Kilometer weit verläuft diese Linie über die offene Hochfläche, bis sie das nächste Dorf erreicht, das ebenfalls noch zu unserem Bataillonsabschnitt gehört. Dort liegt Leutnant von Arnim mit seiner Kompanie.[2]

Die ersten Meldungen über Feindberührungen laufen ein. Der Russe ist da. Er ist nachgerückt und beginnt unsere neue Front abzutasten. Von jetzt ab kann ich meine Kontrollgänge immer nur bei Dunkelheit vornehmen. Ich gehe dann den ganzen Frontabschnitt entlang, in dem meine MG-Züge eingesetzt sind, von Stellung zu Stellung, von Loch zu Loch. Da stehen dann die armen Kerle in ihren Löchern. Einer steht Wache, der andere liegt unten am Boden und schläft oder versucht zu schlafen, soweit Enge und Kälte es zulassen. Viele haben sich die Hälfte des Loches mit einer Lage von Mais- oder Sonnenblumenstengeln abgedeckt und darüber noch eine dünne Schicht von Erde gestreut, soviel die Stengel noch tragen konnten. Der Frost hat diese Decke dann erstarren lassen. Unter dem auf diese Weise abgedeckten und mit einer vorgehängten Zeltbahn abgeschlossenen Teil liegt dann der wachfreie Soldat. Da das ganze Loch aber nur zwei Meter lang ist, und der Posten auch noch darin steht, muss der Liegende seine Beine noch anziehen. Trotzdem gucken seine Filzstiefel bis zu den Knien noch aus der herunterhängenden Zeltbahn hervor. So leben sie hier – und in anderen ähnlichen Stellungen – Woche für Woche, zwei Stunden Wache, zwei Stunden „Schlaf“, bei 20 Grad Kälte und mehr. Vor sich den Feind, über sich den froststarrenden Himmel. Tagsüber können sie aus dem Loch nicht heraus. Sie sind müde und hungrig. Sie stehen und frieren, fluchen und schweigen und kämpfen. Nur abends nach Einbruch der Dunkelheit kommen sie heraus, um sich Bewegung zu machen und die steifen Glieder zu erwärmen. Abends kommt auch die Verpflegung heran, entweder mit Fahrzeugen oder Essenholern, und wenn letztere sie holen müssen, ist sie manchmal auch schon kalt. Hin und wieder wird auch mal einer krank, jedoch erstaunlich selten.

Den Russen geht es nicht besser, aber sie ertragen es leichter, weil sie die Kälte gewöhnt sind. Ich habe einmal von einer B-Stelle aus einen russischen Posten in seinem Loch beobachtet. Der Kerl saß bei schneidender Kälte zwei Stunden in seinem Loch, ohne sich zu rühren.

••• S. - 1943/Dezember/9 bis /16 - •••Boshidar liegt unter Artillerie-Beschuss.

An dem feindwärts gelegenen Dorfausgang bauen wir jetzt noch einige Stellungen aus, um uns vor Überraschungen aus dem Tal zu sichern, das hier den Höhenrücken durchbricht. Diese Stellungen schützen gleichzeitig die kleine Holzbrücke, die hier über den Bach führt. Für diese Bauarbeiten steht uns eine „Schlusen“-Kompanie[3] zur Verfügung, die von einem russisch sprechenden deutschen Leutnant beaufsichtigt wird. Ob es sich um Gefangene oder Zivilisten handelt, weiß ich nicht. Wie ich abends vom Bataillonsgefechtsstand komme, um in mein Quartier zu gehen, da steht die Kolonne auf der Dorfstraße. Es ist bitterkalt. Während ich an den dunklen, schweigenden Reihen vorbei gehe, höre ich sie mit den Füßen trampeln und die Hände zusammenschlagen, um sich zu wärmen. Eine Stunde später komme ich an ihrer Arbeitsstelle vorbei. Einige buddeln, andere stehen herum. Große Arbeitslust haben sie nicht.

••• S. - zwischen 1943/Dezember/9 und /16 - •••Heute hat der Russe unseren rechten Bataillonsabschnitt mit vier Panzern angegriffen. Dabei hat er zwei Panzer durch Glaskörper (Blendkörper BK 2H) verloren. Diese gläsernen Wurfkörper haben die Form und Größe einer Eierhandgranate und sind ••• S. 160 •••mit einer Flüssigkeit gefüllt, die beim Zerspringen der Glashülle in Dampf übergeht, der kurzfristig eine starke Atemnot verursacht. Wirft man dieses Ding gegen den Panzer, dann saugt der Panzer den entstehenden Dampf mit der Frischluft in sich hinein. Der Besatzung bleibt bei der entstehenden Atemnot nichts weiter übrig als schleunigst auszusteigen. Eine fantastische Waffe! – wenn man den Mut hat, den Panzer anzugehen.

Einer der Panzer wollte gerade über den Graben rollen, als ihm ein Feldwebel einen Glaskörper an den Turm warf. Der Panzer stoppte auf der Stelle, die Besatzung sprang heraus und suchte das Weite. Die anderen drei waren inzwischen weitergerollt und näherten sich unserem Dorf. Aber da ballerte unsere Pak los und schoss den zweiten kampfunfähig. Er blieb liegen. Da verloren die beiden letzten den Mut und kehrten um. Bei dem Scharmützel hatte die Kompanie nur einige wenige Verwundete, darunter der Kompanieführer, ein Oberleutnant, der einen Steckschuss ins Knie bekommen hatte.


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Personen-Index Namen,Anschriften Personal I.R.477 1940–44 Übersichtskarte (Orte,Wege) Orts-Index Vormarsch-Weg Codenamen der Operationen im Sommer 1942 Mil.Rangordnung 257.Inf.Div. MG-Komp.eines Inf.Batl. Kgf.-Lagerorganisation Kriegstagebücher Allgemeines Zu einzelnen Zeitabschnitten Linkliste Rotkreuzkarte Originalmanuskript Briefe von Kompanie-Angehörigen

  1. im Original „ostwärtigen“, eine erklärliche Verwechslung, weil der Feind generell im Osten, jetzt aber im Norden steht; schließlich erstreckt sich Boshidar in nord-südlicher Richtung
  2. Am 19.12.43 wird es als links, also westlich liegend beschrieben. Das dort gelegene Ljubimowka gehörte aber gem. Benary S. 151 zum Abschnitt des II. Bataillons unter Hauptmann Schlegtendal. Es wäre noch möglich, dass nur ein Teil des recht großen Dorfes zum Abschnitt der 9. Kompanie von Arnims gehörte. Ansonsten könnte es sich nur noch um das nordostwärts, d. h. rechts gelegene Tscherwonyj Lug handeln.
  3. wahrscheinlich die im Tagesbefehl der Division vom 14.01.1944 erwähnte 3./Bau-Batl. (K) 161 (KTB XXX. A.K., NARA T-314 Roll 833 Frame 0004870, Benary S. 152). Bau-Bataillone (K) bestanden aus Kriegsgefangenen. Das Bau-Bataillon 161 (hier ohne (K)) war im September in Bau-Pionier-Bataillon 161 umbenannt worden, wobei eine andere Quelle aus Dokumenten die kombinierte Bezeichnung Bau-Pionier-Bataillon (K) 161 zitiert. Ein Bau-Bataillon (K) dieser Nummer (ohne -Pionier-) ist nicht zu finden. Die häufigen Umbenennungen wurden wahrscheinlich vom Verfasser des Tagesbefehls schlichtweg nicht beachtet.