24. August 1948

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Editorial 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 Epilog Anhang

Chronik 40–45

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Eine Art Bilanz Gedankensplitter und Betrachtungen Personen Orte Abkürzungen Stichwort-Index Organigramme Literatur Galerie:Fotos,Karten,Dokumente

Chronik 45–49

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31.

Erfahrungen i.d.Gefangenschaft Bemerkungen z.russ.Mentalität Träume i.d.Gefangenschaft

Personen-Index Namen,Anschriften Personal I.R.477 1940–44 Übersichtskarte (Orte,Wege) Orts-Index Vormarsch-Weg Codenamen der Operationen im Sommer 1942 Mil.Rangordnung 257.Inf.Div. MG-Komp.eines Inf.Batl. Kgf.-Lagerorganisation Kriegstagebücher Allgemeines Zu einzelnen Zeitabschnitten Linkliste Rotkreuzkarte Originalmanuskript Briefe von Kompanie-Angehörigen

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24.8. Wieder 2 Unfälle beim Verladen. Einer hat sich einen Bruch gehoben, der andere hat sich 2 Zehen gebrochen. – Ein Kamerad wird bei der Vernehmung von dem Politruk gefragt: „Na, wann kommen Sie mit den Amerikanern zurück?“

Beim Holzstapeln auf der Rampe habe ich das Gleichgewicht verloren und bin rückwärts vom Stapel gefallen. Ich fiel zwar nur 1 m tief, stieß aber mit dem Steiß auf ein hervorstehendes Stamm-Ende des Nachbarstapels. Ich konnte mich noch auf die Erde legen und wurde dann ohnmächtig. Nach einer Weile rappelte ich mich mit Hilfe der Kameraden wieder hoch und schlurfte mühsam, von einem Posten begleitet, ins Lager zurück. Ich lag eine Woche im Krankenrevier, mit Rückgratverstauchung.

Ein SS-Mann wird nachts in aller Heimlichkeit von der Pritsche geholt und abtransportiert.

Die Sowjetunion hat 1945 ihre große Chance verpasst. Sie hätte Millionen von Deutschen zu ihren Freunden machen können.[1] Stattdessen hat sie sie zu Tode schikaniert. Ich bin fast sicher, dass die für die Kriegsgefangenen zuständigen Ministerien viele vernünftige Anordnungen hinsichtlich unserer Behandlung, der Arbeitsbedingungen usw. getroffen haben. Aber sie wurden von den nach- und untergeordneten Stellen sabotiert. Warum war denn an Inspektionstagen alles so viel besser? Warum hatten die Lagerkommandanten solche Angst vor allem, was nach Moskau gemeldet werden musste?! Aber es ist, wie überall in der Welt: Die Führung weiß oft nicht, was im Volke vorgeht.

Glühbirnen müssen wir uns selber kaufen. Und wenn wir sie dann haben, nimmt sie uns der Iwan weg. – Unser Varieté bringt einen Sketch von „Tippelbrüdern“, und schon argwöhnt der Russe etwas von „Weglaufen“. – Ich stehe abends auf dem großen Platz des Lagers und blicke zu den wunderbar klaren Sternen am nachtdunklen Himmel. Kommt ein Iwan vorbei und schickt mich unfreundlich in die Unterkunft zurück. Er arwöhnt, dass ich Fluchtmöglichkeiten auskundschafte.

Nachts schlafen jetzt viele Männer draußen auf dem Hof im Freien. Im Haus ist es vor Hitze und Wanzen nicht auszuhalten. Auch ich liege im Hof auf der blanken Erde, und über mir funkelt und strahlt die Wega im Sternbild der Leier. Tröstlich und beruhigend ist ihr glitzerndes Funkeln. All die kleinen Alltagsnöte werden unwichtig angesichts dieser Ewigkeitsahnung. Wegen ihres hellen Lichts haben Carola und ich die Wega schon früher im Urlaub über unseren Köpfen bemerkt. Wir haben dann eine bestimmte Zeit vereinbart, zu der wir zu dem Stern aufblicken wollten, und ich weiß, dass auch Carola in diesem Augenblick zu „unserem“ Stern hinaufschaut, und dass sich unsere Blicke jetzt in diesem glitzernden Himmelslicht begegnen. Es ist ein tröstliches Gefühl. – Gegen Morgen wird es zu kühl. Dann ziehe ich mich wieder auf unsere Bude zurück.

(Foto vom Gefangenenlager Borissow, Nov. 1941) Dies könnte der Pfad sein, auf dem die Zivilisten am Lagerzaum vorbei gingen.

Während der große Abort mit dem Donnerbalken in der äußersten Ecke des Lagers steht, befindet sich der Verschlag für kleinere Bedürfnisse in der Nähe der Unterkunft direkt am Stacheldrahtzaun. Bei der vielen wässerigen Suppenkost treten diese Bedürfnisse häufiger auf, ganz besonders morgens beim Aufstehen. Dann reicht das Büdchen nicht aus, und die Kriegsgefangenen stehen dann draußen neben dem Verschlag, während vor ihnen, nur durch den Drahtzaun getrennt, Männer und Frauen zur Arbeit gehen, wobei diese noch über die Rinnsale stelzen müssen, die aus unserer überlaufenden Grube durch den Zaun über den Weg rieseln.

Das Ausleeren der großen Abortgrube besorgt ein besonderes Kommando. Ausgerüstet mit langen Stangen, an deren Ende Blechbüchsen befestigt sind, schöpfen sie den Inhalt der Grube in einer Art Jauchewagen. Ihr Schöpfgerät nennen sie „Honigschleuder“. Für ihre Arbeit bekommen sie beim Essen einen Nachschlag.

Der russische Lagerkommandant hat sich ein kleines Stück des Lagerplatzes ••• S. 337 •••entlang dem Zaun in ein Kartoffelfeld verwandelt, für seinen Privatbedarf. Das ist unzulässig. Das kleine Feld wird auch von einem Kriegsgefangenen betreut. Das ist auch unzulässig. Deshalb will der Politruk eine Meldung machen. Aber das kann er nicht, weil er selbst sich fast jeden Tag ein Brot aus unserer Bäckerei holt. Das ist ebenfalls unzulässig, und der Kommandant weiß davon. Also tun sie sich beide nichts, weil beide Dreck am Stecken haben. Und so ist das überall.

Unsere Landser haben eine Kartoffelschäl-Maschine erfunden: Ein rauher, rotierender Mühlstein, der die Schalen abscheuert. So fällt die unbeliebte Kartoffelschälerei nach Feierabend in Zukunft fort.

Die Sowjetunion hat vor der Weltöffentlichkeit versprochen, bis Ende 1948 alle Kriegsgefangenen zu entlassen. Aber es wird immer deutlicher, dass dies nicht geschehen wird. Bisher sind nur wenige Heimkehrertransporte abgegangen, und selbst diese bestanden fast durchweg aus Kranken und Arbeitsunfähigen. Bei der bekannten Schwerfälligkeit der russischen Bürokratie ist es völlig unmöglich, die Millionenmasse der Kriegsgefangenen noch bis zum Jahresende abzutransportieren.[2] Abgesehen davon, dass die Russen es auch gar nicht wollen. Unter den Kriegsgefangenen breitet sich daher Unruhe aus. Die Angst, vielleicht überhaupt nicht nach Hause zu kommen, treibt manchen schwachen Charakter wieder zu Verrat und Denunziation. Es gab schon immer Judasse unter uns, die ihre Kameraden für eine Wassersuppe verraten haben. Jetzt steigt ihre Zahl. In der Hoffnung, sich beim Russen beliebt zu machen und dadurch vielleicht früher nach Hause zu kommen, denunzieren sie ihre Kameraden. Die Gemeinsten unter ihnen beschuldigen ihre Kameraden sogar irgendwelcher Bemerkungen oder Taten, die sie gar nicht begangen haben. Die Verhöre durch den NKWD nehmen zu.

Auf der Rampe bilden 2 Russen ein Gauner-Duo. Da ist ein Bretterstapel, der von einem Mädchen bewacht wird. Während nun der eine Posten das Mädchen ablenkt, indem er es in einer stillen Ecke beglückt, klaut der andere die ersehnten Bretter.

Die „Elektrostanzia“ auf der Rampe wird von Anjuschka betreut. Auch das in einem Erdbunker gelagerte Benzin untersteht ihrer Aufsicht. Sie ist ein fröhliches Mädchen und wird von den Landsern immer harmlos geneckt. – In einem Bericht über russische Wiedergutmachungsforderungen an Deutschland steht, dass die Deutschen mehrere hundert russische E-Werke zerstört hätten. Wie viele von der Größe unserer Bretterbude waren wohl dabei?

Ich arbeite zurzeit am Sägegatter. Wir verbrauchen viele Sägeblätter, denn in den Stämmen stecken zahlreiche Granatsplitter, und wenn die Säge drauf stößt, brechen die Zähne mit einem klingenden Krächzen wie reißendes Eisen weg. Manchmal haben wir nicht genug Ersatzblätter. Dann sägen wir einfach mit dem beschädigten weiter, oder wir nehmen ein Blatt heraus und zersägen den Stamm in dicke Bohlen. Hier im Betrieb ist alles aus Holz. Statt Notizzettel werden hier Holztafeln benutzt.


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Personen-Index Namen,Anschriften Personal I.R.477 1940–44 Übersichtskarte (Orte,Wege) Orts-Index Vormarsch-Weg Codenamen der Operationen im Sommer 1942 Mil.Rangordnung 257.Inf.Div. MG-Komp.eines Inf.Batl. Kgf.-Lagerorganisation Kriegstagebücher Allgemeines Zu einzelnen Zeitabschnitten Linkliste Rotkreuzkarte Originalmanuskript Briefe von Kompanie-Angehörigen

  1. ähnlich Cartellieri S. 336
  2. Gedanken fast wörtlich im Brief von Hillebrand an Carola