26. Dezember 1948

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Editorial 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 Epilog Anhang

Chronik 40–45

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Eine Art Bilanz Gedankensplitter und Betrachtungen Personen Orte Abkürzungen Stichwort-Index Organigramme Literatur Galerie:Fotos,Karten,Dokumente

Chronik 45–49

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31.

Erfahrungen i.d.Gefangenschaft Bemerkungen z.russ.Mentalität Träume i.d.Gefangenschaft

Personen-Index Namen,Anschriften Personal I.R.477 1940–44 Übersichtskarte (Orte,Wege) Orts-Index Vormarsch-Weg Codenamen der Operationen im Sommer 1942 Mil.Rangordnung 257.Inf.Div. MG-Komp.eines Inf.Batl. Kgf.-Lagerorganisation Kriegstagebücher Allgemeines Zu einzelnen Zeitabschnitten Linkliste Rotkreuzkarte Originalmanuskript Briefe von Kompanie-Angehörigen

English

26.12.48. Bestrafungen wegen „Arbeitsverweigerung“ und „Sabotage“.

Nach unserer Schätzung sind noch ca. 1 Million Kriegsgefangener in der Sowjetunion. Die Russen fürchten Unruhen in den Lagern. Ihre Bemühungen, uns bei guter Laune zu halten, sind nicht zu übersehen. Neben Drohungen bietet er Ablenkungen. Die Zahl der Varieté-Veranstaltungen wird erhöht. (Sie werden von der von deutschen Gefangenen gebildeten „Kulturgruppe“ veranstaltet.) Der Politkommissar des Lagers kommt persönlich zu uns Offizieren, um mit uns zu sprechen. Er versichert uns, dass die Entlassung nur aus „verkehrstechnischen Gründen“ verzögert worden sei. Man brauche den verfügbaren Transportform zur Einbringung der Rübenernte. Er redet mit Engelszungen, aber er sieht an unserem Kopfschütteln und den skeptischen Minen, dass wir ihm nicht glauben.

Wieder ein Varieté-Abend. Ich gehe aus Protest nicht hin, aber ich bin wohl der einzige. Ich sitze hier oben und schreibe, während sie unten vor Vergnügen lachen und schreien. So politisch instinktlos ist der Deutsche. Ein geschlossener Boykott der Veranstaltung mit leeren Zuschauerbänken hätte den Russen einen Schock versetzt. Aber der Deutsche ist politisch leicht zu gängeln. – Zu unseren Veranstaltungen kommen immer viele Russen. Sie kommen mit Frauen und Kindern und amüsieren sich königlich. Es sind die Familien der russischen Lagerkommandantur. Es kostet sie nichts, und sie haben sicher sonst wenig Unterhaltung.

Auch der hiesige deutsche Lageradel wird immer freundlicher. Zwar war er nie so gehässig, wie der Smolensker, aber auch nicht gerade liebenswürdig. Die mehrfachen Prozesse in der Heimat gegen „Kameradenschinder“ haben ihre Wirkung nicht verfehlt.

Blick von der Fußgängerbrücke auf die Beresina und Borissow (1941)

Wir arbeiten wieder im Wald als Holzfäller. Es ist ziemlich weit vom Lager entfernt. Wir fahren mit dem Lkw. Zunächst geht es eine kurze Strecke durch den Ort, dann über eine Brücke über die Beresina. (Etwas weiter nördlich von hier hat Napoleon die Beresina überschritten. An der Stelle soll eine Tafel stehen, aber ich bin nie dorthin gekommen.)[1] Dann biegen wir links ab und kommen an einer Kirche vorbei, die jetzt in ein Kino umgewandelt ist.[2]

Nach einiger Zeit verlassen wir den Ort und tauchen in das Waldgebiet ein. Anfangs noch von Feldern und Wiesen durchsetzt – wir passieren auch eine Obstplantage – wird der Wald immer umfangreicher und dichter. Hier sehe ich die einzige Blauracke (Mandelkrähe) meines Lebens. Nun durchfahren wir ausgedehnte Waldgebiete. Der Lkw rumpelt pausenlos über Wurzeln, die dicht unter dem Erdboden über den Waldweg laufen. Ein Kamerad kann das Stuckern nicht vertragen und erbricht jeden Morgen sein Frühstück.

Wir halten in einem Walddorf. Es liegt inmitten seiner Äcker und Felder, die als große freie Rodungsinsel rundum von den riesigen Wäldern umgeben sind. Es ist eiskalt, und nachdem wir unseren Arbeitsplatz im Wald erreicht haben, zünden wir als erstes ein Feuer an, was auch den Posten sehr recht ist. Die Arbeit ist schwer und gefährlich. Zwar stoßen die Männer Warnrufe aus, wenn ein Baumriese sich zu neigen und zu stürzen beginnt, aber die Kronen sind gewaltig, und man muss weit genug entfernt sein, um nicht von ihnen begraben zu werden. Wenn so ein Riese krachend zu Boden stürzt, bohren sich seine starken Äste metertief in den Boden. Das schlimmste ist der Transport. Wir müssen die Baumriesen bis an den Waldweg bringen, wo der Lkw sie übernehmen kann. Die Stämme werden meist auf eine Länge von 10 Metern geschnitten. ••• S. 340 •••Ihr Fußende hat nicht selten einen Durchmesser von 75 cm. Dieses dicke Fußende wird dann zuerst zentimeterweise hochgewuchtet, bis man einen Knüppel unten durchschieben kann, mit dem man nun auf beiden Seiten den Stamm weiter heben kann. Der Stamm liegt nun etwas schräg, sodass die nächsten Träger weiter rückwärts einen weiteren Knüppel durchstecken können. U. s. w. Dann wird er in der abgebildeten Weise fortgetragen. Leichtere Stämme werden in ähnlicher Weise angehoben, aber ohne Knüppel. Zuerst wird wieder das dicke Fußende hochgestemmt, erst bis zum Bauch, dann bis zur Brust, dann stemmen die ersten ihre Schulter unter den Stamm, die nächsten folgen, bis der Stamm auf allen Schultern liegt, und zwar abwechselnd einer auf der rechten, der nächste auf der linken Schulter. 12–20 Mann wanken dann mit solcher Last über den unebenen Waldboden, und so mancher stolpert dann noch über die herumliegenden Äste. Auch das Abwerfen dieser Last ist gefährlich. Zunächst bleibt die ganze Trägerkolonne längs des Waldweges stehen. Auf ein Kommando nehmen dann alle, die auf der linken (oder rechten) Seite getragen haben, ihre Schulter weg, so dass der Stamm nun bei der restlichen halben Trägermannschaft auf derselben Schulter liegt, die ihn nun – wieder auf Kommando – mit einem kleinen Schwung von der Schulter wirft, wobei man tunlichst noch etwas zur Seite springt, weil der Stamm manchmal beim Aufschlagen auf den Boden etwas federt und nochmal hochspringt. Das muss alles sehr schnell gehen. – Zwischendurch stehen wir mal eine Weile um das Feuer herum, trampeln mit den Beinen und reiben unsere kalten Hände über den wärmenden Flammen.


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  1. Die ganze Umgebung der Übergangsstelle ist von Denkmälern und Gedenktafeln übersät (Google Maps; Satellitenbild/Street View zuschalten)
  2. siehe 15.3.48