29. Juli 1945
GEO & MIL INFO | ||||
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6. und 9.8.: Atombombenabwürfe 16.8.[1]: Tod der Tochter Bärbel |
Feldpostbriefe/Rotkreuzkarten | ||||
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10.8. ✉ an Carola |
29.7.45. Typisch für mich: Während ich mich in unseren Gesprächskreisen mit geistigen Problemen auseinandersetze, trachten realistische Kameraden danach, mit einem Arbeitskommando nach draußen zu kommen, um Geschäfte zu machen und ihre Verpflegung aufzubessern.
Ich versuche, eine Art Bilanz des Krieges zu ziehen.[2] Ich hatte mich freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet. Mit jugendlicher Ahnungslosigkeit ging ich in den Krieg, in die gewaltigen, erfolgreichen Offensiven der ersten Jahre und in die Asenkämpfe der Abwehrschlachten in den letzten Jahren. Das waren unvorstellbare körperliche und seelische Belastungsproben, die den Wert des Menschen immer wieder einer Prüfung unterzogen. Was mich damals zur freiwilligen Meldung bewog, war neben anderem Empfindungen auch Pflichtgefühl. Und in vielen Situationen, wo Mut und Härte nicht genügten, um eine Lage zu meistern, hat es das Pflichtgefühl getan.
Kameraden erzählen:
In Baranowitschi haben die Russen Rotkreuzpakete für Kriegsgefangene unterschlagen und auf dem Bazar verkauft. In Wilna mussten die Kriegsgefangenen 150 Rubel für ein Paket zahlen, bevor sie es bekamen. Als sie dann ausgehändigt wurden, waren sie leer. – Die russische Garnison will ein Fest feiern und leiht sich zu diesem Zweck aus dem Gefangenenlager 50 Löffel. Als sie nach wiederholter Aufforderung endlich zurückgegeben werden, sind es viel weniger und alles schlechte, umgetauschte. – Wilke erzählt: Von seinen 25 (Klassen-?) Kameraden ••• S. 289 •••waren 10 in westlichem Gewahrsam. Sie sind alle schon entlassen. In Russland sind 15, davon sind erst 3 zurück, alle Distrophiker (Unterernährte)[8] – Rudi Böhm: Auf dem Transport von Stalino nach Minsk 15 Tote. Sie bekamen kein Trinkwasser. – Eine russische Offiziershochzeit: Hering mit Pellkartoffeln. Die Torte mit Händen gegessen. Tisch abgeleckt (er war sowieso ohne Decke) – Ein deutscher Offizier wurde verurteilt, „weil er infolge seines ‚Durchhaltens‘ im Kampf den Tod russischer Menschen verschuldet hat.“(!) – Im Hospital frisst das gesamte russische Personal aus der Gefangenenküche mit. Schwestern bringen ihr trockenes Brot mit, gehen dann ins Magazin (Verpflegungslager) und schmieren sich das Fett dick aufs Brot. – In einem Lager mit japanischen Gefangenen haben diese durchgesetzt, dass ihr General bei ihnen bleibt. Sie hören nur auf ihn, nicht auf die Russen. Sie arbeiten nur, so viel sie wollen. Sie betreiben die Arbeit als Sport und Training. Der Russe hat ihnen deutsche Brigadiere (Arbeitsgruppenführer) vorgesetzt in der Hoffnung, dass diese die Japse zu höherer Arbeitsleistung bringen. Den Gefangenen steht eine ihrer Heimatkost entsprechende Verpflegung zu. Die Japaner haben also Anspruch auf Reis, den sie nie bekamen. Kartoffeln aber waren ihnen unbekömmlich. Also stellten sie die Arbeit ein und blieben eines Morgens auf ihren Pritschen liegen. Die russischen Posten haben sie halbtot geprügelt, aber sie blieben auf ihren Pritschen liegen, eisern. Einige Zeit später war der Reis da!
Zu einer solchen geschlossenen Haltung waren die deutschen Kriegsgefangenen nie zu bewegen, zu ihrem eigenen Schaden. Wie sagte Churchill doch über die Deutschen: „Überheblich im Sieg und ohne Rückgrat in der Niederlage!“[9] Er hat den Nagel auf den Kopf getroffen!
Wo Fleiß und Arbeit nötig sind, hat der Deutsche große Erfolge erzielt. Seine technischen und wissenschaftlichen Leistungen sind in der ganzen Welt unbestritten. Aber auf dem Gebiet der Politik und Diplomatie hat der fast immer versagt. Selbst wenn er zeitweilig eine politische oder militärische Führungsrolle gespielt hat, hat sie nie lange gedauert. Diplomatisches Geschick findet sich nicht im deutschen Volkscharakter. Er hat wenig große Staatsmänner hervorgebracht. Zu viele ungeeignete Leute sitzen in führenden Positionen, und er hat sich oft mehr nach den politischen Interessen anderer, als nach seinen eigenen gerichtet. Im Boxeraufstand und bei Waterloo hat er den Kopf hingehalten. In jüngster Zeit ist er die melkende Kuh für die Europäische Wirtschafts-Gemeinschaft, ohne dass er aus seiner Wirtschaftskraft politisches Kapital schlägt. Er hat eben auch kein Nationalgefühl und schon gar keinen Nationalstolz, wie alle anderen Völker. Dazu kommt noch die sprichwörtliche deutsche Zwietracht. Früher haben sich die germanischen Stämme gegenseitig bekämpft, später taten die deutschen Fürsten dasselbe, und heute vergeuden wir Geld und Energien durch die Eifersüchteleien der deutschen Länder untereinander. Und in aller Welt verschenken zahllose Deutsche ihre Fähigkeiten an ihre Gastländer. Deutscher Kulturdünger für andere Staaten.
Editorial 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 1949 Epilog Anhang |
Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember Eine Art Bilanz Gedankensplitter und Betrachtungen Personen Orte Abkürzungen Stichwort-Index Organigramme Literatur Galerie:Fotos,Karten,Dokumente |
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. Erfahrungen i.d.Gefangenschaft Bemerkungen z.russ.Mentalität Träume i.d.Gefangenschaft Personen-Index Namen,Anschriften Personal I.R.477 1940–44 Übersichtskarte (Orte,Wege) Orts-Index Vormarsch-Weg Codenamen der Operationen im Sommer 1942 Mil.Rangordnung 257.Inf.Div. MG-Komp.eines Inf.Batl. Kgf.-Lagerorganisation Kriegstagebücher Allgemeines Zu einzelnen Zeitabschnitten Linkliste Rotkreuzkarte Originalmanuskript Briefe von Kompanie-Angehörigen |
- ↑ erst am 17.04.1946 erfahren
- ↑ siehe hierzu auch Kapitel VII; dort auch eine weitere Episode
- ↑ Khomeini trat ab 1963 in Erscheinung; dies hilft den Beginn der Niederschrift des Typoskripts zu datieren.
- ↑ So erschreckend diese Ausführungen auch sein mögen, in den Augen des Autors haben sie bis zu seiner Zeit Gültigkeit gehabt. In der heutigen Zeit asymmetrischer Kriege werden die Armen durch den Krieg aber nur noch ärmer und die „Völker, die durch Macht und Wohlstand maßlos verwöhnt und übermütig geworden sind“, noch mächtiger, reicher, verwöhnter und übermütiger.
- ↑ Der Autor hat später zugegeben, dass er vielleicht nur deshalb so denken konnte, weil er den Krieg relativ unversehrt überstanden hat.
- ↑ nach Friedrich Schiller: „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben [Original: bleiben], wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“ (Wilhelm Tell IV,3 / Tell)
- ↑ Aus dem Vorwort: Für den Wahrheitsgehalt der Abschnitte „Kameraden erzählen“ kann ich mich nicht unbedingt verbürgen. Bei derartigen Berichten sind Übertreibungen und Wichtigtuerei der Erzähler nicht auszuschließen, obgleich ich persönlich aus eigenem Wissen und Erleben an der Wahrheit dieser Berichte im Prinzip nicht zweifle.
- ↑ Heute versteht man unter Dystrophie nicht mehr die Unterernährung selbst, sondern ein psychosomatisches Krankheitsbild als Folge von Unterernährung.
- ↑ Vielleicht ist folgender Ausspruch Churchills am 19.05.1943 vor dem Kongress gemeint, mit dem er wohl eine Redensart zitierte: „The Hun is always either at your throat or at your feet.” Man hat den Deutschen stets entweder an der Gurgel oder zu Füßen (Churchill in His Own Words, 62).