Der Maßstab 1:500.000 bildet einen guten Kompromiss zwischen dem Detaillierungsgrad, den ein Pilot von einer Sichtflugkarte erwartet, und der Flächendeckung großer Gebiete mit möglichst wenigen Kartenblättern. Vor dem Ersten Weltkrieg, als noch recht niedrig geflogen wurde, hatte man sich 1:200.000 gewünscht[1], heute sind für Jets Karten im Maßstab 1:500.000, für Hubschrauber solche im Maßstab 1:250.000 üblich.
Bei der Aufstellung der Luftwaffe hat man sich daher für Vogels schon im Ersten Weltkrieg verwendete Karte des deutschen Reiches entschieden, aber sofort mit der Umarbeitung zu einer vorläufigen Fliegerkarte begonnen. Anschließend sollte eine völlig neue, reine Fliegerkarte entwickelt werden. Die Entwicklungslinie dieser drei Kartenwerke wird in diesem Artikel anhand von Quellen nachgezeichnet.
Hinweis: Dieser Artikel bietet nur einen groben Überblick und bedarf der Vertiefung durch den Fachmann auf diesem Gebiet, Jürgen Espenhorst.
Sachstand 1936
1936 war die Ableitung einer Fliegerkarte aus Vogels Karte des Deutschen Reiches in Arbeit. Dies ergibt sich aus der Treitschke zugeschriebenen "Anleitung".[2]
Eine Sonderbearbeitung für militärische, vor allem für luftfahrttechnische Zwecke ist auf Grund der privaten Vogelschen Karte des deutschen Reiches — Verlag Justus Perthes, Gotha — im Gange.
Die das engere Mitteleuropa umfassende Karte mit einer Blatteinteilung von 2x3 Grad = 1/4 Blatt der Weltkarte 1 : 1 000 000 wird bis April 1938 in 27 Blättern fertiggestellt.
Herstellung bei Westermann und/oder Perthes?
2001 teilte die Leiterin des Unternehmensarchivs und der Bibliothek des Hauses Westermann auf Anfrage mit:[3]
Die Westermann-Kartographie wie auch der Verlag Perthes in Gotha arbeiteten im Rahmen ihrer militärischen Indienstnahme ab 1938 beinahe ausschließlich für das Reichsluftfahrtministerium, nachdem eine Einigung zwischen Heer und Luftwaffe über die Beschäftigung kartographischer Firmen erzielt worden war. [...] Es waren wohl in der Hauptsache Navigationskarten.
Sachstand 1941
1941 stellt Treitschke fest:[4]
Auch der Flieger benötigt, um seinen Kurs vom vom Abflug- zum Zielhafen festzulegen, um im Luftmeer sein Flugzeug auf kürzestem und sicherstem Wege ans Ziel zu führen und um den jeweiligen Standort des Flugzeuges zu bestimmen, Sonderkarten. Einmal sind das die Luftnavigationskarten. Durch diese Navigationskarte wird es möglich, [...] im Luftraum Punkte sichtbar festzulegen, sowie die Kurse und Entfernungen auf einfache und schnelle Weise zu bestimmen.
Außer den reinen Luftnavigationskarten braucht der Flieger Karten zum Fliegen mit Erdsicht, nämlich Fliegerkarten. Eine solche Fliegerkarte soll eine Ortung, d. h. den ständigen Vergleich zwischen Landschaft und Karte ermöglichen. [...] Der Maßstab 1 : 500 000 erscheint als der geeignetste für eine Fliegerkarte.
Die Fliegerkarte ist zunächst noch ein Problem, dessen Lösung auf verschiedenen Wegen angestrebt wird.
Ebenfalls 1941 erscheint die "Kartenfibel"[5], als deren Verfasser ebenfalls Treitschke anzunehmen ist. Dort werden auf der ersten Seite der "Anweisung zum Gebrauch der Bildtafeln" die Amtlichen Kartenwerke aufgelistet, deren Kartenzeichen im Anschluss behandelt werden. Unter Buchstabe E ist die Fliegerkarte 1:500000 als Vorläufige Ausgabe (alt) und Endgültige Ausgabe (neu) aufgeführt. Zu Buchstabe E wird erläutert:[6]
Als Fliegerkarte alt wird wird die durch Umarbeitung von Vogels Karte von Mitteleuropa entstandene "Vorläufige Ausgabe" der Fliegerkarte bezeichnet, während die spätere Neugestaltung der Fliegerkarte 1:500000 als "Fliegerkarte neu" aufgeführt wurde.
Sachstand 1942
Treitschke beschreibt in seinem Buch "Kartenkunde"[7] Vogels Karte und zwei Fliegerkartenwerke im Maßstab 1:500.000:[8]
Vogels Karte des Deutschen Reiches und der Alpenländer 1 : 500 000
Sie ist in der Bonne'schen flächentreuen unechten Kegelprojektion entworfen. Die 33 Kupferstichblätter sind je 40x50 cm groß. Die im Mehrfarbendruck bei Justus Perthes in Gotha erschienene nichtamtliche Karte wird nicht mehr gedruckt werden. Sie füllte die Lücke zwischen den Maßstäben 1 : 300 000 und 1 : 800 000 bzw. 1 : 1 000 000 aus und gab durch ihre sorgfältige Bearbeitung, Klarheit und technisch gute Herstellung einen recht eindrucksvollen Überblick über den engeren mitteleuropäischen Raum.
[9]
Vogels Karte von Mitteleuropa 1 : 500 000 (Fliegerkarte)
(1/5-cm-Karte)
Die Fliegerkarte 1 : 500 000 ist eine behelfsmäßige Übergangskarte. Sie wird später durch eine völlig neu aufgebaute, von Vogels Karte unabhängige, den Forderungen der Luftwaffe entsprechende Fliegerkarte 1 : 500 000 ersetzt werden. Blattgröße — 3°x2°&mbsp;– und Blattzeichnung stehen in fester Beziehung zur Internationalen Weltkarte 1 : 1 000 000. Ein Blatt der Fliegerkarte 1 : 500 000 entspricht einem Viertelblatt der Internationalen Weltkarte. Die Blattbezeichnung der Weltkarte werden für die 4 zugehörigen Blätter der Karte 1 : 500 000 die Himmelsrichtungen SW, NW, NO oder SO hinzugefügt, z.B.: N 33 SW Berlin.
Da Vogels Karte 1 : 500 000 für fliegerische Zwecke nicht geeignet war, mußte der Grundriß völlig neu bearbeitet werden. Die überflüssigen innerdeutschen Grenzen, alle Provinz- und Landschaftsnamen, wurden entfernt. Um die Karte möglichst offen zu halten, wurde der größte Teil der Ortschaftsnamen herausgenommen, dabei blieben aber die für die Orientierung wichtigen Ortsringe bestehen.
Es werden dargestellt: Städte über 5 000 Einwohner in ihrem wirklichen Umriß, Städte und Ortschaften unter 5 000 Einwohner mit Doppelkreisringen, die übrigen Ortschaften mit einfachen Kreisringen. Ortschaften mit Kirchen erhalten einen Punkt im Ortsring. Die im Grundriß dargestellten Ortschaften wurden mit einer rotorangenen Farbe überdruckt. Neu gegliedert wurde das Straßennetz. Die für die Ortung besonders wichtige Reichsautobahn wurde durch eine 1,2 mm breite Signatur mit rotorangener Farbfüllung hervorgehoben, ebenso die Reichsstraßen in schmalerer Signatur. Die Waldflächen erhielten einen Überdruck im gelbgrünen Ton. Klar hebt sich das Gewässernetz hervor. Alle doppellinigen Gewässer sind im Vollton. Die Seen sind meist mit Blau ausgefüllt, teil blau umrandet. Das Gelände ist in braunen Schraffen dargestellt und mit zahlreichen schwarzen Höhenzahlen versehen. Die höchsten Erhebungen sind durch beigesetzte rote Höhenzahlen hervorgehoben. Die für die Flugsicherheit wichtige Bodenorganisation — Flughäfen, Rundfunksender, Funkfeuer, befeuerte Nachtstrecken, Sperrgebiete, Blindfluggebiete, hohe Hindernisse usw. — ist in starker dunkelroter Farbeeingetragen. Für das Gradnetzmeldeverfahren sind Netz und Zahlen schwachrosa aufgedruckt. Die Küstenblätter werden durch Aufnahme der wichtigsten Seefeuer mit Kennung und Darstellung der Küstengewässer in den Tiefenlinien 5 m und 10 m zu einer vereinigten Land- und Seekarte umgestaltet.
Sachstand 1944
Im Verzeichnis der bei der Luftwaffe vorhandenen Karten[10] sind Fliegerkarten 1:500.000 wie folgt aufgeführt:
Maßstab
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Farben
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Meldenetz
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Bemerkungen
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Europa
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Länderkarten
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Deutsches Reich (einschl. Protektorat und Gen.Gouvernement)
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1 : 500 000
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mehrfarbig
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Lw.Meldenetz
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Fliegerkarte mit Bodenorganisation
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Italien
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1 : 500 000
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mehrfarbig
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Lw.Meldenetz
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Carta aeronautica d'Italia mit Bodenorganisation
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Amerika
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Länderkarten
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Vereinigte Staaten von Nordamerika
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1 : 500 000
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mehrfarbig
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Lw.Meldenetz
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Fliegerkarte in Herstellung. Ostküste teilweise fertig
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Für die übrigen Länder gibt es fast ausnahmslos Karten 1 : 500 000 für fliegerische Zwecke, meist mit Luftwaffenmeldenetz (dann auch als Fliegerausgabe oder Ausgabe für Flieger bezeichnet), teilweise (z.B. Niederlande) auch mit Bodenorganisation, die jedoch nicht ausdrücklich als Fliegerkarten gekennzeichnet sind. Für eine Reihe von Ländern gibt es zusätzlich in diesem Maßstab Vergrößerungen der GEA-Karte 1 : 1 000 000.
Kartenbeispiele
Orientierungsmappe Mittlerer Osten Heft IX: Zypern, Übersichtskarte Anlage 1 Fliegerausgabe Sonderausgabe II 1941 Zypern 1 : 500 000 Nur für den Dienstgebrauch!
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Grundkartenwerk Vergrößerung aus: Survey of Cyprus, Motor Map, Second Edition 1:506880[11], 1932 Generalstab der Luftwaffe[12] Hergestellt im Auftrage GenStdH AbtfKrKartuVermWes.II.[13] Druck: V.1941
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- ↑ siehe Teil I
- ↑ Anleitung für die Lehrkräfte für Kartenkunde S. 5. Treitschke gehörte damals noch dem Generalstab des Heeres an, unterrichtete aber auch schon an den Luftkriegsschulen. Blaue Hervorhebungen nicht im Original!
- ↑ Mitt. (E-Mail) Verena Kleinschmidt vom 19.01.2001. Blaue Hervorhebungen nicht im Original!
- ↑ Treitschke 1941b, hier online. Treitschke war damals oberster Ausbilder der Luftwaffe im Fach Kartenkunde. Blaue Hervorhebungen nicht im Original!
- ↑ D.(Luft) 1802
- ↑ Blaue Hervorhebungen nicht im Original!
- ↑ Treitschke 1942, S. 80 ff.
- ↑ Blaue Hervorhebungen nicht im Original!
- ↑ Max Eckert erwähnt in: Die Kartenwissenschaft. Berlin/Leipzig 1923/25, Bd. II, S. 756-811, dass diese Karte im Ersten Weltkrieg im fliegerischen Einsatz war. (Mitt. J. Espenhorst vom 03.10.2011)
- ↑ D.(Luft) 3508 vom 01.08.1944
- ↑ Der krumme Maßstab ergibt sich aus dem britischen Maßstabssystem "Inch zu Meilen"
- ↑ als Hinweis auf den Hersteller des Luftwaffenmeldenetz-Überdrucks im gleichen Magenta gedruckt; keine Erwähnung der 7. Abteilung
- ↑ Die II. Gruppe der Abteilung für Kriegskarten und Vermessungswesen im Generalstab des Heeres war für das Kartenwesen zuständig (Müller/Hubrich S. 16)